Japanreise 2013 (Teil 6.)

Der letzte Tag der Reise wurde unserer Heimatstadt Yokohama gewidmet. http://en.wikipedia.org/wiki/Yokohama. Immer im Wettbewerb mit Tokyo stehend, mit 3.7 Mio. Einwohnern die zweitgrößte Stadt Japans. Geschichtsträchtig, eine Stadt der „Firsts“ in Japan: Erste Eisenbahnverbindung (Sakuragicho – Shimbashi), erste Pferderennbahn, erste Kanalisation, erste Speiseeisfabrik, erste Seifen- und Backsteinfabrik,erste Bierbrauerei, erste Wäscherei. Und viele, viele weitere „Firsts“ mehr, die hier in Japan zuerst einmal ausprobiert wurden. Yokohama selbst wurde erst 1889 mit einer Einwohnerzahl von 120.000 Menschen auf einem Areal von fünf km2 offiziell gegründet. Heute erstreckt sich die Stadt auf 435 km2. Diese schöne Stadt am Yokohama Bay wurde durch das Kanto-Erdbeben 1923 und Bombardierungen im May 1945 fast restlos zerstört.
Heute streitet sich der Hafen von Yokohama im Wettbewerb mit den Kobe Häfen, um den Titel, wer ist der „Größte“.

IMG_1242_1Die früher den Yokohama Bay dominierenden Werftanlagen der Mitsubishi Schiffswerft wurden in den vergangenen 20 Jahren zu Minato Mirai 21 oder kurz gesagt in MM 21 umgewidmet http://en.wikipedia.org/wiki/Minato_Mirai_21.   

Heute ist MM21 ein modernes Geschäfts-, Shopping-, Hotel-, Vergnügungs-, Ausstellungs- und Kongress- Gebiet sowie die Heimat von etwa 6.000 Menschen in ihren 30 Etagen Luxus-Wohntürmen. Alles wurde auf teilweise aufgeschüttetem Land gebaut.  MM 21 ist direkt am Yokohama Bay gelegen und  der Ort für Pilgerreisen junger Leute an den Wochenenden. Hier wird die Industrievergangenheit des Hafens mit den Anforderungen an die Welt der Zukunft wunderbar verbunden. Daher der Name Minato Mirai 21 = Hafen Zukunft 21. Jahrhundert. In MM21 liegt auch das Hotel, in dem die Reisegruppe wohnte, direkt gegenüber dem Riesenrad, das mit bunten Leuchtröhren weit über die Bay  strahlt und ganz in der Nähe des Segelschiffs „Nippon Maru“ im ehemaligen Dock No. 1.

Per Taxi besuchten wir Sankeien  http://en.wikipedia.org/wiki/Sankei-en, eine 175.000 m2 große Gartenanlage, die von der Seidenhändler-Familie Hara bereits Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurde.
Aus allen Provinzen Japans wurden historisch wertvolle Holz-Häuser und Gebäude inklusive einer drei stöckigen Pagode hierher gebracht. Sie stehen jetzt eingebettet in einer harmonischen, sehr schön gepflegten japanischen Landschaft mit unterschiedlichsten Bäumen, kleinen Seen, Wiesen, Bambuswäldern, japanischen Brücken und Inselchen. Die Familie Hara wohnte selbst seit 1902 dort. 1956 übernahm die Stadt Yokohama die Verwaltung des Parks.

_DSC4064_1Im Hara Museum wird von Damen der Urasenke Teeschule in Kyoto http://en.wikipedia.org/wiki/Urasenke die Teilnahme an einer Teezeremonie angeboten.
Wir hatten bereits vor drei Jahren im Haupthaus in Kyoto an einer Schulung teilgenommen und wollten jetzt hier unsere damals erworbenen, aber schon wieder verschütteten, Kenntnisse über die Zubereitung des grünen Tees auffrischen. Eigentlich ist eine Teezeremonie ein Akt der Konzentration, aber die fehlte uns jetzt nach 11 Reisetagen mit tausenden von Eindrücken völlig.
So wurde diese Teezeremonie zu einer fröhlichen Veranstaltung, bei der jeder seine früheren Kenntnisse falsch anwandte.

IMG_0038_1Vom Sankeien konnten wir uns kaum losreißen. Ungezählte Brautpaare ließen sich an diesem sonnigen Tag in der außergewöhnlichen Landschaft, vor den gepflegten Holzhäusern, auf einer typisch japanischen, rot lackierten Brücke oder vor imposanten Bäumen fotografieren und wurden somit auch zu unserem Fotoobjekt.

Mit dem Taxi zu Motomachi, http://en.wikipedia.org/wiki/Motomachi,_Yokohama, der ersten westlich anmutenden Einkaufsstraße Japans. Heute noch gibt es die Läden der ersten Stunde, mit IMG_2046_1Handtaschen von Kitamura, oder der Bäckerei Pompadour, die seit Jahren internationale Preise für ihre Backwaren gewinnt. So im vergangenen Jahr denBakery World Cup, Coup du Monde de la Boulangerie 2012“ in Paris. Es ist europäisch anmutend über die enge, nur einspurig befahrbare Motomachi Ladenstraße zu schlendern, hier können wir Waren sehen, die nicht unbedingt in jeder normalen Einkaufspassage zu erhalten sind. Oberhalb von Motomachi ist dann der Hügel mit den Häusern der ersten Ausländer in Yokohama  „Yamate Bluff“ mit dem „Gaijin Bochi“, dem Ausländer Friedhof http://en.wikipedia.org/wiki/Yamate.

Von dort ist es nicht weit zum China Town Yokohama, http://en.wikipedia.org/wiki/Yokohama_Chinatown dem größten Chinatown in Asien.
Mit all den chinesischen Restaurants, Shops, Tempeln und Apotheken ist es eine der Hauptattraktionen Yokohamas. Hier schieben sich die Menschen durch die Hauptstraße mit den meist „chinesischen“ Restaurants und Souvenirläden und durch die engen Seitengassen:
_DSC4286_1Vor besonders bekannten kleinen Restaurants stehen – meistens junge Leute – in langen Schlangen an. Das muss wohl Stunden dauern, bis auch der letzte endlich zum Essen in den Laden kommen kann. Auch nichts für uns.

Wir waren von den Freunden des Lions Clubs Yokohama Minato-Mirai zum chinesischen Lunch eingeladen. An zwei großen runden Tischen saßen wir „gemischt“ zusammen und versuchten uns in Englisch, Japanisch und Deutsch miteinander zu verständigen. Wichtig war dabei nicht, dass jedes einzelne Wort verstanden wurde, sondern dass die menschliche Verbindung miteinander zustande kam.

IMG_1310_1Auf dem Fußweg zurück zum Hotel schlenderten wir über die einzigartig schöne Hafenpromenade Yamashita Park  http://www.japan-guide.com/e/e3204.html mit seiner 750 Meter langen, direkt am Meer gelegen Promenade, zum Osanbashi Pier http://en.wikipedia.org/wiki/%C5%8Csanbashi_PierDie breite Promenade des Yamashita Parks mit seinen Wiesen und Blumenbeeten wurde auf dem Schutt der Häuser aufgebaut, die beim großen Kanto-Erdbeben 1923  http://www.japan-guide.com/a/earthquake2/index_d.html den größten Teil Yokohamas, aber auch einen Großteil Tokyos in Schutt und Asche gelegt hatte. Damals kamen 140.000 Menschen ums Leben. Hier im Park hatten noch die Franzosen vor 1923 kleine Motorbootrennen ausgetragen. Heute ist das Rennbecken nur noch eine Vertiefung der Anlage mit blühenden Blumenbeeten und Monumenten, die der Stadt und dem Hafen Yokohamas von ihren Partnerstädten und Schwester-Häfen in aller Welt geschenkt wurden..

Am prominenten Passagier Terminal des Osanbashi Piers, an dem auch die QE II und andere große Passagierdampfer anlegen, hatte an dem Tag die „Celebrity Millenium“ festgemacht. Eine herrliche Begegnung vom Deck des Piers auf Augenhöhe mit dem riesigen Passagierschiff. 
http://www.celebritycruises.com/explore/ships/detail.do?shipCode=ML 

_DSC4372_1Dieser Osnabashi Pier wurde erst in den letzten Jahren in der heutigen Form um- und ausgebaut. Ein riesiges Holzdeck in der Form eines übergroßen Walfischs, mit Gras bewachsenen Flächen, die zum Ruhen einladen. Und natürlich einem viele hundert Meter langem Geländer, an dem die Schiffsreisenden mit bunten Papierschlangen, die vom Schiff zu den Zuschauern reichen, verabschiedet werden. Darunter liegt die riesige Empfangshalle für die Weltreisenden. Dieser Pier ist für eine Weltstadt wie Yokohama wirklich angemessen.

Auf dem Rückweg zum Hotel wanderten wir an der Hafenpromenade zu dem weiten Platz vor den ehemaligen Lagerhäusern „Red Brick“,  einem weiteren Ausflugsziel junger Leute
 http://en.wikipedia.org/wiki/Yokohama_Red_Brick_Warehouse, in denen heute Boutiquen, Restaurants und Bars Menschen, selbst von weit her, anziehen. Vorher kommen wir am „Zo-no-hana“ Park vorbei, das ist das uralte, kleine Hafenbecken, gleich neben dem Osnabashi Pier, das von einer Kaimauer begrenzt wird, die wie ein „Zo-no-hana“ = Elefantenrüssel, aussieht. Der Park mit der wieder im alten Stil eingefassten Kaimauer wurdeerst zum 150. Geburtstag des Hafens im vergangenen Jahr neu gestaltet.
 http://www.u-factory.co.jp/www/demo/150/souzou/en/project/artpark/trunk.html

_DSC4412_1Zum Erstaunen, war vor den ehemaligen „Red Brick“ Lagerhäusern ein riesiges deutsches Bierzelt, bayerischen Ausmaßes, aufgebaut mit der deutschen Bezeichnung  „Frühlingsfest 2013 Yokohama“. Dicht gedrängt saßen die Japaner sowohl im Zelt, als auch an Biertischen außerhalb des Zeltes und schunkelten zum „Schneewalzer“, gespielt von einer bayerischen Kapelle. Es mussten hunderte, vielleicht sogar tausende gewesen sein. Ungläubigkeit, Lachen über die kindlich wirkende Fröhlichkeit der Feiernden, aber auch das ist eben Realität im heutigen Japan.

IMG_0454_1Im Japan Coast Guard Museum, ein paar Schritte weiter, neben dem 1923 vom Erdbeben total verschütteten ehemaligen Zollgebäude, heute nur noch als warnendes Monument sichtbar, wird ein nordkoreanisches Spionageschiff ausgestellt. 2001 wurde es von der japanischen Coast Guard nach einem Gefecht versenkt. http://en.wikipedia.org/wiki/Japan_Coast_Guard_Museum_Yokohama 
http://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Amami-%C5%8Cshima 

Von solchen Zwischenfällen wurde in Deutschland nichts bekannt, obwohl es noch heute hunderte von vermissten Japanern gibt, die in Japan höchstwahrscheinlich von Nordkoreanern zwischen 1970 und 1980 nach Nordkorea verschleppt und entführt wurden. Die japanische Regierung versucht diese Leute bis heute nach Japan zurückzuholen.  http://www.rachi.go.jp/de/index.html

Es gibt eben noch sehr viel Raum sich gegenseitig kennen und die Nöte der anderen besser verstehen zu lernen. Mit dieser Reise wurde ein weiterer Baustein dafür gesetzt. Eins haben wir erkannt: das moderne Japan gibt es nicht ohne das „alte“ Japan, das wir in der Moderne  immer wieder suchten und auch gefunden haben. Die Japaner verstehen es eben ihre Vergangenheit mit dem Heute zu verbinden und somit ein Gefühl zu erzeugen, das uns Japan so liebenswert erscheinen lässt.

Zur Akklimatisierung auf Deutschland und den Flug zurück nach Düsseldorf –  mit unseren überwiegend italienischen Lieblings-Restaurants – beschlossen wir die zwei Wochen Japan an einem langen Tisch mit einem italienischen Abschieds Dinner in Yokohama.

Deutschland war in diesem Moment in unseren Gedanken schon nicht mehr die 10.000 km entfernt, die am kommenden Tag erst noch per Flugzeug in 12 Stunden überbrückt werden mussten.

Die eigentlichen Entdeckungsreisen bestehen nicht im Kennenlernen neuer Landstriche,
sondern darin, etwas mit anderen Augen zu sehen.

Marcel Proust (1871-1922)

Bilder : Teilweise von Uli Richter