Das Haus des Schriftstellers Lafcadio Hearn
oder Koizumi Yakumo
1850 auf einer griechischen Insel als Sohn eines irischen Militär Chirurgen und einer griechischen Mutter geboren, besaß er die britische Staatsangehörigkeit. Im Alter von 19 Jahren zog es Lafcadio Hearn in die USA, wo er als Journalist bei Zeitungsverlagen angestellt wurde und seine schriftstellerischen Fähigkeiten entwickelte.
1890 kam er nach Japan und arbeitete zunächst als Englisch Lehrer in Matsue in der Shimane Präfektur, bevor er Karriere bei bedeutenden japanischen Universitäten machte. Hearn heiratete Setsu, die Tochter eines Samurais in Matsue. Mit Erhalt der japanischen Staatsangehörigkeit nahm er den japanischen Namen Koizumi Yakumo an. Das Paar hatte drei Söhne und eine Tochter. Im Jahr 1904 verstarb er.
Ein Bild von Koizumi Yakumo steht auf Franks Schreibtisch. Einen Teil seiner ins Deutsche übersetzten Bücher haben wir antiquarisch gekauft und verschlungen. Sein neues Heimatland Japan beschreibt er wunderbar tiefgründig, ja sogar liebevoll. Durch seine Erklärungen war er in Japan, aber ebenso im Ausland angesehen und beliebt, davon zeugen die Übersetzungen seiner Bücher unter anderem auch ins Deutsche. Seine Erzählungen über japanische Volkssagen wurden in mehr als 30 Büchern somit auch durch die Übersetzungen im Ausland gelesen.
Yakumo hat sich bei seinen Reisebeschreibungen, alten japanische Sagen und seinen Geschichten über Aberglauben und Traditionen in die Feinheiten der japanischen Seele versetzt. Er konnte dadurch das Leben der Japaner tiefgründig beschreiben. Seine Frau Setsu hatte ihm die meisten Geschichten erzählt, danach konnte er sie in seine bildhaften Erzählungen umsetzen. Damit hat Lafcadio Hearn sein Japan für die Welt geöffnet und zur Beliebtheit Japans in der Welt bis auf den heutigen Tag beigetragen.
Allein seinen ersten Tag in Japan beschreibt er in seinem Buch LOTOS wie folgt: „Versäumen Sie ja nicht, Ihre ersten Eindrücke so bald als möglich niederzuschreiben“, sagte mir ein liebenswürdiger, englischer Professor, den ich kurz nach meiner Ankunft in Japan kennen zu lernen das Vergnügen hatte. „Sie verfliegen, verflattern, kann ich Ihnen sagen, und sind sie Ihnen erst einmal entglitten, so können Sie ihrer nie mehr habhaft werden. Und doch – welche seltsamen Sensationen Ihnen immer dieses merkwürdige Land bringen mag, nichts kommt diesem Reiz der ersten Eindrücke gleich.“
Ein wunderbarer Beginn seines ersten Tages in Yokohama. So fährt er fort: „Aber könnte ich auch all diese entglittenen Erinnerungen wieder beleben, so zweifele ich doch, dass ich vermöchte, sie in Worte zu fassen. Der erste Eindruck Japans ist ungreifbar, flüchtig, wie Duft.“
Diese Flüchtigkeit der ersten Eindrücke hat er vor mehr als 120 Jahren in sich aufgenommen und wir möchten bestätigen, dass sie auch heute noch gilt. Nach der Überwindung der Coronakrise strahlt die Anziehungskraft Japans seit 2023 noch mehr in alle Welt aus und fasziniert ausländische Besucher immer wieder aufs Neue.
In seinem wohl bekanntesten Buch „Kwaidan“ (Seltsame Geschichten und Studien aus Japan), erzählt er in einer Sammlung alter japanischer Geistergeschichten unter anderem die Geschichte von „Mimi-Nashi Hoichi“ (Hoichi – Der Ohrenlose).
Sie erinnert ein wenig an den, durch ein Bad im Drachenblut, unverwundbaren Siegfried aus der Nibelungen Sage, in der Siegfried von Hagen von Tronje nur dadurch getötet werden konnte, weil der die einzige verwundbare Stelle zwischen den Schulterblättern Siegfrieds kannte und mit einem Speerwurf in diese Stelle Siegfried tötete. Ein Lindenblatt klebte beim Bad im Blut des Drachens an dieser Stelle fest und verhinderte, dass sich Siegfried den unverwundbaren Panzer bis auf diese kleine Stelle am ganzen Körper zulegen konnte.
Der blinde Hoichi war ein Meister von Geschichtenerzählungen mit Untermalung seiner Biwa, einer fünfseitigen, alten japanischen Laute. Besonders eindrucksvoll besang er den Untergang des Taira Clans (Heike) im Krieg um die Vorherrschaft Japans, mit dem Minamoto Clan (Genji) in den Jahren 1180-1185. Weil seine Auftritte die Seelen der Gefallenen so berührten, wurde Hoichi von Heikes Samurai-Geistern jeden Abend abgeholt, um seinem Gesang vom Untergang Heikes lauschen zu können. Dabei verliert der blinde Hoichi von Tag zu Tag an Vitalität, bis ein Mönch die Ursache seiner Krankheit erkannte. Zum Schutz gegen die bösen Geister der Heike Krieger beschrieb er daraufhin dessen ganzen Körper mit heiligen Zeichen. Nur die Ohren vergaß er dabei. Und genau diese Ohren wurden dadurch für die Geister sichtbar – vergleichbar der Stelle des Lindenblattes bei Siegfried – und die wurden von den Heike Geistern in der Nacht abgeholt. Hoichi hatte seitdem keine Ohren mehr und hieß nur noch: Mimi-Nashi Hoichi. Diese Geschichte in Kurzform. Sie wurde in allen Details von Lafcadio Hearn wunderbar erzählt.
Das Wohnhaus von Lafcadio Hearn (Koizumi Yakumo) in Matsue wollten wir unbedingt besuchen, weil wir es vor ein paar Jahren verpasst hatten. Ein altes Samurai-Haus mit gepflegtem Garten. Besonders auffällig im Haus ist sein erhöhter Arbeitsplatz. Da Yakumo nach einem Unfall nur noch mit einem Auge sehen konnte, musste er sich sehr tief über seine Schriften beugen. Wir konnten ein wenig von der Atmosphäre, in der er seine Bücher geschrieben hatte und den Ausblick des Schriftstellers, den er beim Schreiben hatte, nachvollziehen. Und das noch 120 Jahre nach seinem Tod.
Gegenüber des Hauses steht seine Bronzebüste: 1850 – 1904 zum Zeichen seiner Verehrung.
Wer sich für Lafcadio Hearns Bücher interessiert, sollte mit LOTOS beginnen und sich, so wie wir auch, in seine Geschichten verlieben.