Ein Tempelbuch (Goshuin-cho), in dem auf jeweils einer Seite der Besuch in buddhistischen Tempeln oder Shinto Schreinen mit wunderbar übergroßen Kalligrafien und roten Stempeln bestätigt wird, gehört unbedingt zu einem Besuch dazu, ein schöner Beweis für den Besuch. Das sind wahre japanische Kunstwerke, die in jedem der etwa 75.000 buddhistischen Tempel und mehr als 100.000 Shinto Schreinen dem spendenden Besucher (ca. Yen 500 an Spende) beschrieben oder besser, bemalt werden. In Tokyo allein soll es etwa 3.000 Tempel geben.
Wir haben im Laufe der Jahre Hunderte Tempel besucht, haben an rituellen Festen und Zeremonien teilgenommen und die Gärten der Anlagen bewundert. Jede davon hat eine bestimmte Attraktion und zieht neben den ortsansässigen Bewohnern Touristen an.
So ist der Horyu-ji in Nara das älteste Holzgebäude der Welt und UNESCO Kulturerbe, im Todai-ji, ebenfalls in Nara, sitzt der mit 15 Metern größte Bronze Buddha und schaut milde auf die vielen Besucher herab. Ebenfalls ein UNESCO Kulturerbe ist der Kiyomizu-dera in Kyoto, 1.200 Jahre alt, mit einer hölzernen Plattform über einem Abgrund, in dem das reine Wasser (Kiyo mizu) entspringt. Der Goldene Pavillon, Kinkaku-ji. Spiegelt sich in seinem Teich und ist an Schönheit nicht zu übertreffen, der Silberne Pavillon, Ginkaku-ji, strahlt mit seinen Gärten Ruhe und Harmonie aus, und der Itsukushima Schrein auf der Insel Miyajima vor Hiroshima ist weltbekannt für sein im Wasser vorgelagertes rotes Torii. Nicht zu vergessen der Fushimi Inari Schrein in Kyoto mit etwa 10.000 roten Torii, von denen etwa 1.000 von den Besuchern durchschritten werden können. Allein bei Nennung der Namen dieser Tempel- und Schrein Anlagen klingelt es in den Ohren jeden Japaners und der ausländischen Besucher. Die Tempel werden überrannt, wirtschaftlich muss man sich keine Sorgen machen. Doch was passiert mit den anderen Tempeln und Schreinen in Japan?
Sie müssen attraktiv für ihre Gläubigen und Touristen aus aller Welt sein und bleiben. Tourismus ist nicht nur ein Wirtschaftsfaktor für den Tempel alleine, sondern für die gesamte umliegende Gemeinde, für die Erhaltung kultureller Traditionen und -Praktiken sowie das Gemeinschaftsgefühl der Bewohner. Hier werden sie an die nächsten Generationen weitergegeben. Vielleicht ein Grund, warum Japan immer noch so sicher und sauber ist.
Wer zum Beispiel im Koya-san die 200.000 Grabstätten und das Mausoleum von Kobo-Daishi, dem Begründer des Shingon Buddhismus vor 1200 Jahren, besuchen möchte, wohnt in einer der 50 Übernachtungsmöglichkeiten in einem Tempel. In Japan stellen etwa 480 Tempel Herbergen zur Verfügung. Die Besucher in Koya-san gehen abends, bei Dunkelheit, mit einer Laterne bewaffnet, auf den Friedhof. Es ist etwas gruselig zwischen uralten Bäumen, unübersichtlich angeordneten Gräbern mit den vermoosten Grabsteinen zu wandeln. Der Friedhof mit Jahrhunderte alten Grabstätten von Samurais und Shogunen übt eine unglaubliche Anziehungskraft auf den Besucher aus. Das Gleiche gilt für viele Japaner, die hier ihre letzte Ruhe finden wollen, nahe bei Kobo-Daishi, der seit 1200 Jahren in seinem Mausoleum im Zustand ewiger Meditation verharrt, und der täglich seine Mahlzeiten von Mönchen gebracht bekommt. Eine wahre Prozession zieht dann hinter der Lieferung her, bis zu einem gewissen Punkt, der der Öffentlichkeit dann nicht mehr zugänglich ist.
Wir könnten noch viele Beispiele solch attraktiver Tempel und Schreine aufzählen, wie den Ryoanji Tempel in Kyoto mit seinem Steingarten, den Grillen Tempel (Suzumushi-dera), ebenfalls in Kyoto, in dem täglich unter dem Gezirpe von Tausenden von Grillen Messen abgehalten werden.
Doch, bei der Vielzahl der Anlagen ist die Attraktion nicht mehr so ausstrahlend, dass sie genügend Besucher und Gläubige anziehen, sie müssen schließen. Die Covid Krise, Beschädigungen durch Erdbeben, Überalterung der Gläubigen und der Äbte, keine Nachfolger, schwindendes Gemeinschaftsgefühl, Veränderung des Interesses an kulturellen Veranstaltungen wie Festen und -Zeremonien, Kosten für den Erhalt der Anlagen und Gebäude, das alles führt letztendlich zur Schließung und Verkauf solcher Tempel.
Es fehlt an Innovationskraft. Die religiösen „Betriebe“ sind zwar von der Steuer befreit, müssen sich aber, anders als bei uns, selbst finanzieren. Es gibt keinen Zuschuss vom Staat – Kirchensteuer demzufolge auch nicht. Obwohl die Rolle der Tempel und Schreine das kulturelle Erbe Japans hochhalten, müssen sie sich selbst ernähren, daher die Bedeutung attraktiv zu sein und zu bleiben. Versteckt auch eine Anregung für unsere Kirchen, die Gebäude in Buchhandlungen (Holland) oder Museen (Bottrop) umwandeln.
Warum wir dieses Thema ansprechen: Wir wollen in einem kommenden Bericht über die Revitalisierung von untergehenden Fischerdörfern, kleineren Städten und Onsen Bädern schreiben. Auch über den Mut mit neuen Konzepten und Unternehmertum, das dörfliche, traditionelle Japan wieder ins Blickfeld zu rücken. Tempel und Schreine, machen Vieles richtig, davon können diese Konzepte lernen. Sie haben uns auf unseren Reisen jedenfalls gefesselt.
Wir hoffen, dass euch das neue Buch von Frank „Shoganai – Oder der Deal meines Lebens“ genauso fesselt, es ist humorvoll, spannend und wie uns ein Leser berichtet hat, sogar lehrreich geschrieben.