Ein junges, begeisterndes japanisches Duo –
Narumi Kuroda, Sopranistin & Rino Ishii, Pianistin
verändert die Liedgestaltung in Japan – mit dem Deutschen Lied

Im Oktober des vergangenen Jahres rief uns ein alter Geschäftsfreund an, um uns auf einen deutschen Liederabend in der Oji Hall in Tokyo aufmerksam zu machen. Seinen Erklärungen entnahmen wir zunächst, dass er für seine alte Schulkameradin, deren Tochter an dem Abend als Sängerin auftreten sollte, noch weitere Zuschauer anwerben wollte. Eher aus Verpflichtungsgefühl sagten wir deshalb zu.

T13S-0041_CDR_1Die große Oji Hall war an diesem Abend ausgebucht. Uns erstaunte, dass es in Japan ein japanische Duo (Sopran und Klavier) gab, das so gefühlvoll deutsche Lieder vortrug. Selbst in Deutschland hatten wir kaum von solchen Liedern gehört, und das jetzt an diesem Abend in Tokyo. Der Vortrag war für uns ein Augen- und Ohrenschmaus, er machte uns neugierig auf Narumi Kuroda und Rino Ishii, wir luden sie nach Yokohama ein. Uns interessierte, warum sie gerade in Japan mit deutschen Liedern auftraten und diese so lebendig vorgetragen haben, dass uns die Zeit im Konzertsaal wie im Fluge verging.

Endlich im Januar kamen sie zu uns. Rino Ishii (35) eine quicklebendige Pianistin, und Narumi Kuroda (35), eine eher schüchtern wirkende, zurückhaltende Sopranistin. Ohne Probleme unterhielten wir uns auf Deutsch, jedoch sollten wir komplizierte Worte vermeiden, die sie eventuell nicht verstehen konnten.

Im Verlauf des Nachmittags verfestigte sich unser erster Eindruck, dass sich hier zwei Musikerinnen gefunden haben, die für die Musik leben, sich dabei als Duo  hervorragend verstehen und ergänzen und dazu noch gemeinsam einen Traum haben in Japan etwas zu verändern.

Ihr Weg zur Musik

Rino spielt seit ihrem dritten Lebensjahr Klavier. Sie erfüllte damit zunächst den Traum ihrer Mutter, die sehr gerne selbst Klavierspielerin geworden wäre. So spielte Rino zu Hause mit dem Klavier, wie andere Mädchen in dem Alter mit Puppen spielten. Für sie war ein Klavier zuallererst einmal ein Spielzeug, auf dem sie einfach darauf los hämmern konnte.

Narumi sang mit 15 im Schulchor, spielte nebenbei etwas Klavier und fühlte sich eher zur Musik hingezogen, als sich in trockenere Schulfächer zu vertiefen. Sie wollte einfach Musik machen, das liebte sie. Motiviert durch ihren damaligen Lehrer, der das Potential ihrer schönen Stimme erkannt hatte, wechselte sie in die Mittelstufe der Kunitachi Musikschule in Tokyo (Kunitachi vom Kindergarten bis zur Musik Hochschule). In ihrer Klasse lernte sie Rino kennen, die schon seit dem Kindergarten in Kunitachi gewesen war. Ihrer beider Leben drehte sich nur um das Klavierspiel bzw. den Gesang, wobei die fleißige Rino so nebenbei auch noch sechs Jahre Posaune in der Brass Band ihrer Schule sowie zwei Jahre Geige spielte.

Auf einer CD hörte Narumi einmal die Sopranistin, Opern- und Liedsängerin Elisabeth Schwarzkopf, http://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Schwarzkopf .
Seit sie diese Lieder gehört hatte wurde Elisabeth Schwarzkopf zu ihrem Vorbild, und die Liebe zum deutschen Lied nahm ihren Lauf.

Weiterbildung

Für Narumi Kuroda, wie auch für Rino Ishii gilt, dass sie in die Welt der Musik so tief eingetaucht sind, dass ihre Karrieren in ihren jeweiligen Fächern vorgezeichnet waren. Nach ihrem Masterabschluss als Sopranistin bzw. als Klavier Begleitung konnten sie sich allerdings in ihren Spezialfächern in Japan nicht mehr weiterbilden. Liedgestaltung (Gesang und Klavierbegleitung), wie Narumi und Rino sie verstehen wollten, wurde nur an der Hochschule für Musik in Karlsruhe von Prof. Mitsuko Shirai  http://www.hit-karlsruhe.de/hfm-ka/hfm/03-Studium/dozentenverzeichnis/bios/shirai-mitsuko.htm  und Prof. Hartmut Höll http://www.hit-karlsruhe.de/hfm-ka/hfm/03-studium/dozentenverzeichnis/bios/hoell-hartmut.htm  so gelehrt, dass Sänger und Pianisten als Duo zusammen Unterricht erhalten. Dafür haben die beiden Professoren den weltweiten Maßstab gesetzt. Über die Technik hinaus wird so die gemeinsame Sensibilität und Atmosphäre für ein neues Empfinden der Musik geschaffen. Um ihnen nachzueifern wollten Narumi und Rino zur Weiterbildung nach Karlsruhe gehen.

Rino erinnerte sich: „Als wir nach Karlsruhe kamen, hatte ich schon einen kleinen Karriereweg in Japan hinter mir. Auf das Erreichte war ich besonders stolz. Doch das erste, was Prof. Höll machte, war meinen Stolz auf meine Technik zu brechen“. Dabei bog sie bildlich mit ihren Händen und Armen in der Luft ein Eisen an beiden Enden zusammen. Sie hatte gedacht sie sei schon in der Technik perfekt, sie wollte eigentlich nur noch mehr Erfahrung sammeln indem sie in Karlsruhe viele Stücke begleitete. Doch der Professor hielt ihren Vortrag für unausgereift und forderte von Rino für eine höhere Qualität, einen anderen Aufbau mit mehr Einsatz ihrer Sinne und ihres Körpers. Und das sagte er zu einer 28 jährigen Japanerin, die meinte, dass gerade ihre seit mehr als 20 Jahren erlernte und in Japan bereits bewunderte Technik so hervorragend sei. Sie war zunächst gekränkt und frustriert.

IMG_9972-s1_1Ganz anders erging es Narumi Kuroda bei Prof. Shirai. Sie ging von Beginn an viel unsicherer an ihre weitere Ausbildung heran. Sie dachte, dass sie nicht genügend Talent zu einer großen Sängerin habe, so wollte sie in Karlsruhe nur weiter lernen. Auch hier ging es um die Verbesserung der Qualität durch Einbringen ihrer Persönlichkeit. Lag bisher in Japan der Schwerpunkt der Ausbildung auf ihrer Gesangstechnik, so wurde sie jetzt aufgefordert mit ihrer eleganten und vollen Stimme ihre Freude und ihre Lust am Singen auszudrücken. Narumi hatte sich im Gegensatz zu Rino nicht aufgelehnt.

Ganze zwei Jahre kämpfte das Ego von Rino innerlich gegen die Forderungen von Prof. Höll an, sie wollte seine Vorgaben nicht akzeptieren. Sie hörte sich aber immer wieder an wenn er spielte, besuchte viele Konzerte, sie wollte verstehen was er von ihr forderte. Im Verlauf von etwa zwei Jahren stellte sich ihr Gehör immer mehr auf diese neue Spielweise ein. Rino spürte plötzlich, was Prof. Höll ihr eigentlich beibringen wollte. Sie erkannte jetzt immer mehr den Unterschied, dass das, was er spielte wirklich anders klang, als ihr Klavierspiel. Noch mochte sie sich nicht vollkommen korrigieren und von ihrer japanischen Technik lossagen, doch sie begann immer mehr die Art und Weise, die ihr in Karlsruhe vorgeschlagen wurde, zu akzeptieren und zu spielen..

Sobald sie auf seine Vorschläge hörte, öffnete ihr Herz immer mehr und alles lief viel einfacher, geschmeidiger. Immer wieder hörte sie Höll sagen „ sei offen. In Japan müsst ihr Technik lernen, in Deutschland müsst ihr spielen“, er meinte mit Herz und Emotion. Er hatte zwar das Ego von Rino gebrochen, aber aus ihr eine wunderbare Musikerin geformt.

Der Durchbruch

Nach 6 Jahren intensivem Unterreicht bei Prof. Höll fühlte sich Rino zwar noch nicht in allen Zellen ihres Körpers so perfekt, wie sie es gerne sein wollte. Aber, sie kann sehen wohin sie gehen möchte, es gibt ein klares Ziel für sie. „Ohne Ziel geht nichts. Es hilft immer, wenn ich weiß wohin ich gehen muss.“ Ihren Durchbruch fühlte sie erst bei den Abschlussprüfungen, einem Konzert, bei dem sie sich auf der Bühne rundherum wohl fühlte und das Gefühl hatte: „Jetzt ist es richtig. Dieses Gefühl möchte ich niemals verlassen.“  Eigentlich wollte Rino nur zwei Jahre in Deutschland studieren um danach wieder zurück an ihre Stelle als Tutorin bei der Hochschule kommen. Aber, wie das Leben so spielt, nach ihrem zweijährigen Kampf um die richtige Einstellung als Begleitpianistin, war es ihr dann für ihre Entwicklung doch sehr wichtig so lange in Karlsruhe zu bleiben, bis sie das gute Gefühl für ihr Klavierspiel verinnerlichen konnte.

Durch Korrekturen und viele Gespräche mit Prof. Shirai für ihre weitere Verbesserung fühlte sich Narumi im Laufe der Jahre viel sicherer und sowohl in ihrer Stimme als auch im Auftreten stark verbessert. Dieses sichere Gefühl kam bei ihr schon nach etwa zwei Jahren auf: „Oh, ich bin viel besser geworden, es fällt mir so leicht mit Freunde und Lust zu singen“. Das war ihr Wendepunkt für Ihre weiteren Auftritte.

Das bisher schönste Erlebnis

Während ihrer Zeit in Karlsruhe hatte sie ein holländischer Unternehmer einmal nach Den Haag eingeladen, um dort im Rathaus vor einem ausgesuchten Publikum im Duo zu singen und zu spielen. Es war ihr erstes eigenes „Duo-Rezital“  gewesen. Beide hatten vor dem Auftritt große Angst erstmalig vor europäischem Publikum alleine aufzutreten. „Die können jedes Wort verstehen, das gesungen wird, wenn wir als Ausländer in Deutsch singen, hören sie jeden Fehler.“ Aber, die Zuhörer seien sehr warmherzig gewesen, haben ihnen sehr viel Applaus gegeben. Seit der Zeit sind sie in ihren Auftritten mutiger geworden. Ihr Selbstvertrauen als Duo ist gewachsen. Wie aus einem Mund dann: „das Schönste dabei war, dass wir das gemeinsam als Team erlebt haben“.

Beide Musikerinnen wollen auf der Bühne stehen, um in dieser kurzen Zeit Freude und Gefühle bei ihrem Publikum zu wecken. Sie sind zufrieden, wenn es ihnen gelingt durch das Deutsche Lied neben der Freude auch Gefühle der Traurigkeit, Glückseligkeit oder Sehnsucht nach vergangenen Zeiten und schönen Erinnerungen wachzurufen, oder wenn sie es erreichen, dass Zuhörer beginnen über ihr eigenes Leben nachzudenken. Ihre Auftritte sollen bei ihren Zuhörern auch neue Kräfte entfachen, genauso wie die beiden Energien sammeln wenn ihr Publikum ihnen applaudiert. Das ist ihr Ansporn für die nächsten Auftritte, wofür Rino und Narumi sehr, sehr dankbar sind.

Nervosität und Lampenfiber

Narumi denkt sehr viel darüber nach, wie sie singen, welche Richtung sie für den Auftritt einschlagen soll. Für einen solchen Liederabend, wie wir ihn in der Oji Hall im Oktober gehört haben, benötigt sie am Tag sehr viel Zeit, um sich immer tiefer in ihren Auftritt hineinzudenken.

Am Tag eines Auftritts haben beide häufig das Gefühl, dass sie am liebsten die Vorstellung verschieben möchten. Narumi ist aufgeregt, kann nicht gut schlafen. Denkt daran, dass ihr während des Auftritts die Stimme versagt, oder sie gar den Text vergisst. Rino hat Lampenfiber. Manchmal denkt sie, dass sie nicht auftreten kann, weil sie durch einen Unfall verhindert wird oder ein nahender Taifun die rechtzeitige Ankunft verzögert. Ihre  Ängste sind, das weiß sie, eigentlich unberechtigt. Ihre Erfahrung zeigt ihr, dass die Zellen ihrer Muskeln und ihres gesamten Körpers alles wissen und das dann automatisch bei der Vorstellung abspielen, was sie vorab manchmal meint vergessen zu haben. Narumi bestätigt das, bei ihr fließt beim Auftritt alles, sie singt dann automatisch.

Üben, üben, üben…

IMG_3584_1 „Ich liebe es Klavier zu spielen. Außerdem kann ich nur das. Ich kann nichts anderes, könnte nicht in ein Büro gehen, um dort zu arbeiten. Man könnte auch sagen, ich bin verliebt ins Klavierspielen.“ Beide lachen dazu herzerfrischend, denn auch Narumi könnte niemals im Büro oder an einer anderen Arbeitsstelle arbeiten, sie kennt nur Musik. Seit ihrer Rückkehr nach Japan entwickelt sie sich weiter mit Hilfe ihrer Lehrerin, der früheren Sopranistin an der Rheinoper in Düsseldorf, Frau Miya Majima, heute 75 Jahre alt. Zu Hause übt sie und hält täglich 2 bis 3 Stunden ihre Stimme geschmeidig.

Rino ist es vollkommen egal wie lange sie am Tag übt, sie spielt einfach mit großer Freude den ganzen Tag irgendetwas. Etwas, das sie gerade spielen möchte. Immer noch ist das Klavier ihr Spielzeug, wie zu ihren Kindertagen. Sie spielt dann ohne Noten, ohne jeden tiefen Gedanken. Sie möchte nur einfach spielen, spielen, spielen.  Das ist ganz einfach gesagt: ihr Hobby, ihre Arbeit, ihr Leben. Selbst Fehlerbewältigung, Niedergeschlagenheit, oder Alltagskummer überkommen beide durch Klavierspiel oder Singen.

Ihr gemeinsamer Traum

Beide haben in Japan und Deutschland bereits viele Auszeichnungen und Preise erhalten. Ihre sechsjährige Ausbildung in Karlsruhe bei den Professoren Mitsuko Shirai und Hartmut Höll haben sie geprägt. Dankbar für diese Lehrzeit haben sie die bestehenden Defizite in der japanischen Musikwelt erkannt. Daraus hat sich ein Traum oder sogar eine Mission der beiden entwickelt.

Da beide davon überzeugt sind, dass sich in Japan das Herangehen an die Musik ändern muss, äußert Rino ihren gemeinsamen Traum, ihre Mission:

Als Lehrerinnen möchten wir die Liedgestaltung in Japan verändern, so wie wir es bei den beiden Professoren in Karlsruhe gelernt und verinnerlich haben
Wir möchten insbesondere das Deutsche Lied in Japan durch unsere Art und Weise des Vortrags bekannt machen.

Sie hoffen, dass sie dadurch viele Zuhörer begeistern können und eine neue Generation in Japan angeregt wird auch mit Gesang und Klavierspiel zu beginnen.

Am Abend nach unserem Gespräch mussten wir schmunzeln. Wir haben die beiden so verstanden, dass auch in der Musik in Japan größter Wert darauf gelegt wird ganz korrekt die vorgegebenen Noten zu spielen, keine Fehler zu machen und jede persönliche Interpretation wegzulassen. Das erinnerte uns daran,  dass in guten japanischen Restaurants nach vom Management vorgegebenem Manual die Gäste begrüßt und bedient werden, aber jede persönliche Note dabei weggelassen werden soll. Für den Gast ist das zunächst einmal sehr angenehm, er hat das Gefühl er ist willkommen und er wird exzellent bedient. Hauptsache Fehler vermeiden, nach Manual arbeiten. Wir aber vermissen einen gewissen Pfiff, die menschliche Lockerheit, wir lieben es im Restaurant mit dem Kellner zu sprechen und auch mal seine persönliche Meinung zu hören. Das ist mit ein Grund dafür warum unser Lieblingslokal in Yokohama ein Italiener ist, wo uns der italienische Oberkellner gerne im Gespräch seine spontanen Gedanken und seine Lebensfreude mittteilt. Die japanischen Gäste sind noch nicht daran gewohnt, verlieren erst nach und nach ihre Scheu mit dem Kellner so ungezwungen zu kommunizieren. So glauben wir, geht es auch in der Musik. Technik, Noten, Technik – und wo bleiben die Emotionen, die persönliche Auslegung? Vielleicht ist es das, was die beiden Damen gemeint haben. Wir werden sehen.  

Wir glauben auf jeden Fall wir werden von den Narumi und Rino noch vieles in Japan hören, es gilt allerdings wie immer hier – dicke Bretter zu bohren.