Zwei Revitalisierungskonzepte, die uns neugierig gemacht haben.

Wir hatten in unserem vorherigen Blog über die Attraktivität japanischer Tempel und Schrein Anlagen berichtet. Wer nicht innovativ ist und es auch bleibt, der geht unter. Was bei Tempeln und Schreinen richtig ist, gilt genauso auch für andere Bereiche. Wer nicht mit der Zeit geht und stehen bleibt, der verschwindet vom Markt.

Das Matsumoto Honbako(Bücherregal) Hotel im Städtchen Asama Onsen

Unter dem Projektnamen „Matsumoto Jujo“ (10 Geschichten rund um das Hotel), möchte der Gründer, Herr Toru Iwasa, Besucher anregen der Geschichte des Hotels nachzuspüren und bei ihrem Aufenthalt eine neue Geschichte dazu zu erzählen.

Die bei Japanern so beliebten Onsen-Bäder (Thermalbäder) mit ihren teilweise überdimensionierten Hotel und Ryokan-Anlagen sehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Veraltete Gebäude, nicht mehr zeitgemäße Einrichtungen, obligatorische große Abendessen, sich in den letzten Jahren verändernder Zeitgeschmack sowie die Überalterung der Gäste und Betreiber sind unter anderem Gründe dafür, dass Besucher ausbleiben. Hatten in der Vergangenheit, insbesondere in der Wirtschaftsblase in den 80/90er Jahren, Firmen ihre Mitarbeiter zu Betriebsausflügen mit Übernachtungen in einen Onsen Ryokan eingeladen, ist das Interesse der heutigen Mitarbeitergeneration stetig gesunken. Firmen mussten sich darauf einstellen, so gehören Einladungen dieser Art zwischenzeitlich der Vergangenheit an. Ryokans der alten Zeit, die sich nicht angepasst haben, sterben und mit ihnen die städtischen Einrichtungen und damit ganze Gemeinden.

Wenn wir an das Onsen Städten Kinugawa bei Nikko zurückdenken, wo das weltberühmte Kanaya Hotel, als einziger Leuchtturm die Stadt erhellt, aber schon nebenan Leerstand in den großen Häusern herrscht, dann ist das eines der Beispiele, wie es woanders in Japan auch aussieht. Onsen, oder Ryokan-Sterben.
Ein Super Hotel mit großartigem Restaurant allein reicht nicht mehr, heute muss die gesamte Umgebung miteinbezogen werden, um einen Besuch mit Übernachtung attraktiv zu gestalten. Das heißt, ein Onsen Städtchen muss als Gesamtprojekt revitalisiert werden. Eine Herkulesaufgabe für Investoren und Gemeinden mit Visionen.

Asama Onsen, in der Nähe des Schlosses Matsumoto in der Präfektur Nagano, am Fuße der japanischen Alpen gelegen, scheint so ein Ort zu sein, der an Attraktivität verliert oder bereits verloren hat. Hotelruinen zeugen von einer einst rühmlichen Vergangenheit, aber keiner Zukunft.

Doch halt, hier tut sich was! Der Chef einer privaten Gesellschaft, Toru Iwasa, scheint sich in die Lage des Ortes, mit Blick auf die japanischen Alpen, die hervorragenden heißen Quellen und in den Ryokan Koyanagi, der bereits seit 1686 betrieben wird, verliebt zu haben. Seine Vision und sein „Matsumoto Jujo“ Projekt: Junges Leben nach Asama Onsen zurückzubringen, mit innovativen Hotel-Angeboten, Cafés, Restaurants und Geschäfts Straßen, auf denen die Badegäste der heutigen Zeit wandeln. Vielleicht hatte er vor Augen, dass im nur 15 Minuten entfernten Matsumoto Schloss einst wichtige – und noch heute jedem Japaner wohlbekannte – Kriegsherren wie Takeda Shingen (1521 – 1573) und später der Begründer des Tokugawa Shogunats Tokugawa Ieyasu (1543 – 1610) gelebt haben. Durch seine schwarze Farbe ist dieses einmalige Schloss noch heute Anziehungspunkt No. 1 in der Präfektur Nagano und der weiten Umgebung. Es wird sogar erzählt, dass Ieyasu nach Asama Onsen zum Baden in den heißen Quellen gekommen sein soll. Eine wunderbare Story: Baden wie einst der Shogun Ieyasu.

Hier im untergehenden Onsen eine ganze Stadt zu revitalisieren, dazu gehört Weitsicht, größter Mut und Unternehmertum gepaart mit einem großen finanziellen Hintergrund.

Im November dieses Jahres besuchten wir das „Matsumoto Jujo“ Projekt. Unser Auto haben wir auf dem 3 Minuten vom Hotel entfernten Parkplatz auf der Chuo Straße abstellen müssen, es gibt nämlich keine Parkplätze direkt an den beiden Hotelgebäuden. Was zunächst wie ein Nachteil aussieht, entpuppte sich als sehr gute Idee. Unsere Anmeldung machten wir nämlich dezentral im neben den Parkplätzen liegenden Café, einem uralten Holzgebäude, und wie sich herausstellte, ehemaligen Geisha Haus. Das Gebäude ist schon attraktiv. Alte Lehmwände, skandinavische Sitzmöbel, Tee und eine wunderbare Geschichte. Im Anschluss an die Meldeprozedur bietet das Hotel einen 30 minutigen Spaziergang mit Führung durch Asama an. Hier konnten wir über die Geschichte des Ortes lernen und den momentanen Leerstand mit eigenen Augen sehen und von den Zukunftsplanungen hören. Eine clevere Idee.

Auf der Yuzaka Straße, gleich um die Ecke, wurden wir zu zwei nebeneinanderliegende Ryokan Gebäude geführt, die nach modernsten Gesichtspunkten raffiniert umgebaut wurden. Im fünfgeschossigen Honbako mit 24 Zimmern fallen die ehemalig umbauten, rohen Betonsäulen sofort ins Auge. Das Gleiche in den Zimmern sowie dem Speise- und Frühstücksraum mit dem offenen Kamin. Auf den Terrassen der Zimmer läuft ständig heißes Thermalwasser in eine Zypressenholz Wanne. Das hat schon was in der frischen Novemberluft, im heißen Thermalwasser mit Blick auf die japanischen Alpen zu liegen, das Wasser über den Rand der Wanne laufen zu lassen und die Stille zu genießen. Die Zimmer sind zwar spartanisch, aber mit edelsten Betten, Badezimmereinrichtungen und skandinavischen Sitzmöbeln ausgestattet. Wir konnten bei sämtlichen Einrichtungen nachvollziehen, wie der Bauherr mit dem Architekten um jedes Detail gerungen hat.

Zu diesen Ryokans gehörten in früheren Zeiten ausgedehnte Badelandschaften, getrennt nach Männern und Frauen, mit Waschplätzen und unterschiedlichen Badebecken für die Besucher des Ortes und Gäste der Herberge. In diese Badelandschaften wurde über drei Ebenen eine Buchhandlung gebaut, daher der Name Honbako (Bücherregal). Hohe Regale und gemütliche Sitzgelegenheiten, wo früher gewaschen und entspannt wurde. Selbst die ehemaligen Schließfächer für die Badegäste wurden als Buchregale genutzt, die teilweise nur über eine Leiter zu erreichen sind. Und immer wieder bunte Sitzsäcke, selbst am Boden der früheren Badebecken, auf denen heute Besucher liegen und sich in ein Buch vertiefen. Dass sich die Hotelgäste an verschiedenen non- und alkoholischen Getränken bedienen können, gehört im „Book Bath“ dazu. Hinter einigen Regalen wurden sogar Lesekojen eingerichtet, in die der Leser – auch zu zweit – wie eine Katze, hineinriechen und auf einem Sitzsack sein ausgewähltes Buch, versteckt vor den Blicken der übrigen Besucher, in ganz privater Atmosphäre lesen kann. In einem ehemaligen, gekachelten Badebecken zu liegen, ein Buch zu lesen und dazu etwas zu trinken, das kann nur noch übertroffen werden vom Genuss im heißen Thermalwasser in der Zypressenholz Wanne auf der Zimmerterrasse zu liegen, dazu das überlaufende Wasser plätschern zu hören, und das mit dem Blick auf die schneebedeckten Gipfel der japanischen Alpen.

Alleine für Kinder gibt es mehr als 2.000 bebilderte Bücher. Im sogenannten „Book Bath“ kann jedes hier ausgestellte Buch gekauft und an der Rezeption bezahlt werden. Das erinnerte uns an die ehemalige historische Broerenkerk in Zwolle, Holland, in die 2013 die Buchhandlung Waanders in de Broeren (heute Van der Velde in den Broeren) eingezogen ist, und die zu den schönsten Buchhandlungen in den Niederlanden zählt. Doch eine Buchhandlung mit gemütlichen Lese-Rückzugsorten in einem ehemaligen Badehaus, das wurde zu unserem Gesprächsthema auf unserer Reise an die japanische Meerseite.

Zwischen dem Honbako und dem siebengeschossigen Koyanagi nebenan, mit 14 größeren Zimmern für Familien, liegt das Asama Onsen, das kleine öffentliche Badehaus, in dem schon Ieyasu Tokugawa gebadet haben soll. Jetzt total modernisiert, natürlich. Im Koyanagi überrascht dazu noch eine Boutique. Eine modernisierte Cider Brauerei nebenan bringt weiteres Leben in den Ort.

Das alles hat nichts mehr mit der Modernisierung der üblichen Ryokans in einer Onsen Stadt zu tun, hier zieht ein auf den heutigen Lebensstil angepasstes Konzept die Besucher an. Es ist das Zusammenspiel vom ehemaligen Bekanntheitsgrad Asama Onsens in der Nachbarschaft vom Matsumoto Schloss, den traditionellen Häusern im Ort, dem Café, der Cidre Brauerei und einer der heute modernsten Hotelanlagen mit seinen Annehmlichkeiten sowie dem Super Restaurant – wieder einmal mit Sterne-verdächtigem Abendessen. Vor Allem aber, der Buchhandlung im Badehaus, dem „Book Bath“. Das macht neugierig, davon können die Gäste ihren Freunden erzählen, so wie wir das hier auch tun.

Screenshot

Wir haben eine Nacht im Matsumoto Honbako verbracht, haben uns mehrfach in der Buchhandlung umgeschaut und haben in Regalen das neue Buch von Frank „Shoganai – Oder der Deal meines Lebens“ fotografiert. Es passt sehr gut, selbst neben den Büchern von so bekannten Schriftstellern, wie Haruki Murakami. Selbstverständlich haben wir in der Zypressenholz Badewanne auf der Terrasse gelegen, das heiße Onsen Wasser mit heftigen Schwall überlaufen lassen und vom ewigen Leben geträumt.

Es scheint so, als ob der „New Lifestyle“ von dem dort viel gesprochen wird im Honbako seine Umsetzung gefunden hat. Hier geht es tatsächlich nicht alleine um ein neues Hotelkonzept, sondern vielmehr um die Revitalisierung eines untergehenden, ehemals bekannten, Onsen Ortes. Der Erfolg hilft allen, dem Investor und Betreiber, den Badegästen und der Gemeinde Asama. Das ist neuaufgelegtes „Sanbo Yoshi“, ethische Geschäftspraktiken der Omi- Kaufleute am Biwa See in der Nähe von Kyoto. Drei Wege des Gewinnens: Für den Verkäufer, den Käufer und die Gesellschaft: Hier für den Investor, die Gäste und die Gemeinde Asama. Es erinnert uns auch ein wenig an den rheinischen Kapitalismus: Leben und leben lassen.

Wie in den Tempeln, nicht nur die Attraktivität dieser Ryokans ziehen Besucher an, sondern das ganze Drumherum, die Wiederbelebung des Ortes mit einem an die heutige Zeit angepassten Konzept mit Cafés, einer Cidre Brauerei, der dezentralen Anmeldung in einem ehemaligen Geisha Haus, der Buchhandlung in einem Badehaus und einer ersten Hotel Boutique. Wir wünschen Herrn Iwasa viel Glück bei seiner Verjüngungskur für Asama Onsen.

Wir waren so begeistert, dass wir darüber berichten wollten.