Taiko das sind die dicken japanischen Trommeln, die mit elastischen Bewegungen rhythmisch geschlagen werden, die beim Zuhören unser Sonnengefecht vibrieren und uns für den Moment alles rings um uns herum vergessen lässt.

Ich wollte den Meister interviewen, bei dem  meine Frau gerade begonnen hatte in einer international gemischten Gruppe von Japanern, Deutschen, Schweizern, Spaniern und Mexikanern zu üben. Mein Ziel war es herauszufinden, was das besonders  Japanische am TaIko Spiel  ist und was wir davon lernen können. Aber, so einfach mit einem Interview geht das nicht. Mach einfach mit, nur so lernst Du, wovon Du später schreiben wirst.  Also ging ich an einem Donnerstagabend  in die Deutschen Schule in Yokohama, zog meine Turnschuhe an, ein schwarzes T-Shirt, weil da alle schwarze T-Shirts tragen, und machte „einfach“ mit.

Zuerst, gab der Meister seine dicken Taikos aus einem Kleinlaster an, wir alle trugen die zum Teil schweren Taikos in die Schulaula, wo die Übungen stattfinden. Dort wurden sie aus ihren Umhüllungen genommen und auf kleinen Untergestellen aufgebaut. Der Meister gab mir ein paar Stöcke und los ging’s. Niemand sah mich als Störenfried an, der den Rhythmus stören könnte, ganz im Gegenteil, ich wurde sofort freundlich aufgenommen. „wir haben alle mal angefangen…“

Ohne Aufwärmtraining läuft in Japan keine Sportart. Auch nicht beim Taiko Spiel. Das Aufwärmen von einer halben Stunde ging schon an meine Kondition. Insbesondere die Knieübungen machten mir zu schaffen. Mussten aber sein, weil die Spieler mit weit gespreizten Beinen in leichter Hocke hinter den Taikos stehen und dann den Rhythmus schlagen. Da Japaner in der Regel kleiner sind als wir, müssen sie sich nicht so weit herunterbeugen, ich auf jeden Fall hatte schon damit meine Schwierigkeiten.

Vor den zwei Reihen der Taikos saß eine „kleine, zarte Japanerin“ und trommelte mit hohlen Klängen auf einer kleinen Trommel den Rhythmus, den die Gruppe einhalten musste oder sollte. Apropos „kleine, zarte Japanerin“, sie war selbst Meisterin und ließ uns bei einem der nächsten Übungen ihren Bizeps sehen…  Klar, vom ständigen Üben wird nicht nur der Körper, sondern auch der Geist gestählt.

Danach wurden verschiedene Rhythmen geschlagen, zweimal rechts, einmal links, dann auf kurzen spitzen Schrei der Wechsel zu zweimal links und einmal rechts und immer wieder diese kurzen spitzen Schreibe und immer wieder wechsel auch in der Intensität der Schläge – eine halbe Stunde lang. Nach jedem Schlag wurden die Arme hochgerissen für die klangliche und optische Einheit der Gruppe. Nach einer ersten Zeit der vollen Konzentration auf den Schlagrhythmus und das hochheben der Arme, kam ich schon aus dem Tritt. Immer wieder musste ich neu ansetzen, wobei ich mich einfach an meinem Schweizer Vordermann ausrichtete. Nach einer weiteren halben Stunde des Einschlagens gab es die ersehnte Pause.

Ach ja, wenn zwischendurch das Handy einer der mit spielenden Japanerinnen klingelte, legte sie ungeniert die Stöcke weg, ging zu ihrem Handy und setze nach ihrem leise geführten Telefonat die Übungen fort. Ob sich niemand etwas dabei dachte? Der Meister übersah es, er kam lieber zu mir, um mit mir zusammen auf der Taiko den Rhythmus anzuschlagen, insbesondere bei den Wechseln. Alle hatten Spaß, schwitzten und versuchten eine Einheit zu bilden – außer mir!

In der Pause hatte ich dann endlich Gelegenheit für meine Fragen an den Meister.

 Es gibt viele in Japan und jetzt auch weltweit unterschiedliche Taiko Schulen – seine, Wakaku-Kai, zielt auf eine künstlerische Performance ab, bei der die teilweise eingesprungenen Bewegungen an den Trommeln mit dem Gleichklang der Schläge übereinstimmt.

Es gibt unterschiedliche Taiko Trommeln, jede hat einen anderen Klang, zu jeder muss die passende Methode gefunden werden sie zu schlagen, sonst kann nicht der beste Klang herausgeholt werden.

Er bezeichnet sein Taiko Spiel  als eine Kombination von  Musik + Sport. Das kann ich bestätigen. Nach der ersten Aufwärmrunde und dem Einschlagen bis zur Pause war mein Körper schweißnass, meine Füße spürten den Boden kaum noch und meine Arme zitterten leicht. Das war Hochleistung.

Wie gesagt, die Beine werden gespreizt, die Hüfte wird unten gehalten, das ergibt einen stabilen  Unterkörper, ein absolutes Muss für das Taiko Spiel. Ohne diese Stabilität (Beine und Hüfte) in Balance klappt nichts. Auch das kann ich bestätigen. Der Meister fragte mich, ob ich auch denke, dass das Trommeln aus dem Armen geholt wird, ich hatte gar keine Idee, schaute ihn nur fragend an und dann: ohne die Balance der Beine und der Hüfte kann es keinen großen Klang geben. Das ist eine der Voraussetzungen beim Taiko Spiel.

Alleine kann jeder seinen eigenen Rhythmus gehen, aber in der Gruppe muss ein gemeinsamer Klang  zusammen erreicht werden Und das heißt letztendlich „gemeinsames Atmen“. Dazu sind die gemeinsamen Übungen und viele gemeinsame Stunden notwendig – sonst kann das nicht zu dem gewünschten  Einklang führen.

Da war es wieder das gemeinsame Atmen. Ich kannte das schon aus meinen ersten Tagen in Japan. In einem schlauen Buch hatte ich gelesen, dass Japaner im Geschäftsleben gemeinsam atmeten. 10 Jahre habe ich benötigt, um das selbst zu erfahren, wer kann schon aus Büchern solche Feinheiten lernen, ohne sie selbst entdeckt und gefühlt zu haben. Auf meiner letzten Reise in das vom Tsunami betroffene Gebiet begegnete ich diesem japanischen Urbegriff noch ein weiteres Mal, diesmal im Shinto Shrine in Shiogama im Zusammenhang mit dem Tragen der tonnenschweren Sänfte der Gottheit durch 16 Träger.

Musik und Sport benötigt eine gemeinsame Basis. Es ist deshalbnotwendig viel Zeit auch außerhalb der Übungen miteinander zu verbringen, um sich zu verstehen und sich auf einander verlassen zu können. Die gemeinsamen Übungen mit Beinen und Hüfte und viele, viele Übungen an den Taikos sind unerlässlich, denn bei Spiel wird letztendlich der ganze Körper eingesetzt, wie bei einem Tanz.

Stellen Sie sich 5 bis 10 Menschen beim gemeinsamen Spiel vor – sie müssen Ein einziges Wohlbefinden miteinander (das japanische Kimochi) erzeugen, sonst passt es nicht. Und das ist die gleiche Atmung. Es geht darum sich blind zu verstehen, den Rhythmus anzupassen, die Bewegungen zu synchronisieren, dazu sind dann keine Kommandos mehr notwendig, das Spiel kommt aus dem Unterbewusstsein. Der Spieler muss sich darauf einlassen, seine Konzentration auf die Gemeinsamkeit der 5 oder 10 Mitspieler richten und dann das Spiel einfach fließen lassen. Gehirn ausschalten und mit schwimmen.

Die wenigen Taiko Stunden haben mir wieder einmal gezeigt. Aufeinander zu hören, sich aufeinander zu verlassen, das gleiche Spiel, die gleiche Bewegung, der gleiche Klang kann nur durch jahrelange Übung, jahrelanges Miteinander und durch teilen der gleichen Leidenschaft erreicht werden. Dafür gibt es die Gruppe, die im wahrsten Sinne des Wortes miteinander im Einklang ist. Ein schönes Gefühl. Ich habe noch Jahre vor mir.

Siehe auch http://www.japantaiko.de