Teil 1 – Die Insel Oshima in Mikuni
und das Brilliant Heart Museum

Was uns bei der Einfahrt in das Dorf Mikuni, ein Stadtteil der Hafenstadt Sakai, als erstes auffällt, sind die vielen Fischerboote, die entlang des Kuzuryu Flusses am Kai festgemacht haben. Das Dorf liegt ideal an diesem Fluss und an der Sea of Japan.

Der holländische Ingenieur und Vater des berühmten Illusionskünstlers M.C. Escher, Georg Arnold Escher, hat Sakai 1870 zum Seehafen ausgebaut. Auch hier in der Präfektur Fukui, wie in Toyama gleich nebenan, wollte man am Boom der Kitamaebune (Handelsschiffe) teilhaben.
Die malerischen, alten Holzhäuser auf der Hauptstraße des Ortes, versetzen uns in die Zeiten von vor über 100 Jahren. Dazu trägt auch eine Werkstatt für Papierlampions bei, bestimmt auch so alt, wie die umliegenden Häuser. In einem davon wollen wir heute übernachten.

Es weht ein heftiger Wind und peitscht die Wellenkronen zu Windfahnen hoch, wenn sie auf die langgestreckte, vorgelagerte Insel Oshima treffen. Eine typisch japanische Brücke mit dicken, rot lackierten Geländern führt zu einem Shinto Torii auf die Insel. Die wenigen Menschen, die hinüber gehen, haben ihre Jacken fest an ihre Körper gepresst, es ist heute tatsächlich unwirtlich. Auch wir kämpfen gegen den Sturm an, kehren aber bereits nach der Hälfte ordentlich durchgeblasen um. Hinter dem Torii soll, für uns jetzt unerreichbar, ein Weg über die Insel führen, wobei die Wälder und Sträucher auf Oshima seit mehr 1.000 Jahren nicht verändert worden sind. Wir hören von Einheimischen, dass die Insel ein Energie Spot ist. Allein durch das Wissen um diesen magischen Punkt wirkt Oshima anziehend auf uns. Da das Betreten bei den stürmischen Bedingungen heute nicht möglich ist, gibt es noch einen weiteren Anziehungspunkt in Mikuni mit der Möglichkeit Oshima näher zu betrachten.

Es ist das Brilliant Heart Museum, etwa 20 Meter oberhalb der Häuser des Dorfes. Das wollen wir uns näher ansehen und steigen zwischen gepflegten Holzhäusern der Fischer über windschützende, verwinkelte Treppenstufen hinauf zum Museum.

Wir stehen vor einem modernen, über die Jahre grau gewordenen  Holzbau, mit einem Schrägdach, das sich zum Meer und zur Insel Oshima neigt. Ungewöhnlich, es passt im Stil nicht zu den Fischerhäusern unter uns, wir fragen uns: Das soll ein Museum sein? Schon öffnet sich die Türe und eine in schwarz gekleidete Dame lässt uns ein. Unser Besuch ist lange vorab angemeldet worden, denn der Einlass ist nur auf langfristige Voranmeldung und dann auch nur für maximal 8 Personen möglich.

Wir werden in einen kahlen, hohen, blassgrün gestrichenen Raum in den Abmessungen von 10 x 8 Metern geführt. Zwei weiße Tische mit jeweils 3 Stühlen stehen im rechten Winkel zueinander, an der linken Seite zwei Stühle, auch in weiß. Ein großes Fenster ausgerichtet auf die Insel Oshima in den Abmessungen 4 x 1,5 Meter, lenkt allein wegen der Größe unsere volle Aufmerksamkeit darauf. In die Seitenwand und ins Dach sind Fenster mit speziell geschliffenen Glasprismen eingefügt, die Regenbogenfarbige Streifen an die Decke zeichnen. An der rechten Wand fällt ein deckenhohes Gebilde auf, von zusammengesetzten, braunen Steinen in Form einer riesigen, an der Wand klebenden Schildkröte.

Das ist also das Brilliant Heart Museum!

Wir sitzen da und schauen durch das große Fenster auf Oshima, die sich beim Wechsel von Sonne und Wolken in immer anderen Schattierungen zeigt. Leise, meditative Musik im Hintergrund trägt zu einer durchaus andächtigen Stimmung bei. Wir sind eins mit uns und der Natur, bis ein eleganter Herr, erscheint, der uns erklärt, was es mit den Prismen in den Fenstern an der linken Seite und in der Decke auf sich hat. Er ist der bekannte japanische Art Direktor Seiju Toda, der dieses Museum, einmalig auf der Welt, geschaffen hat. Das Haus, der Raum mit dem Fenster mit dem Blick aus verschiedenen Winkeln auf diese Insel wirkt auf uns so ungewöhnlich, wie Seiji Toda auch die japanische Werbung in der vergangenen Epoche auf den Kopf gestellt und beeinflusst hat. Er erzählt uns, dass er für die bekanntesten japanischen Firmen gearbeitet und unter anderem auch die Fotoausstellung von Wim Wenders gestaltet hat. Ein außergewöhnlicher Mann und sein Werk.

Die unterschiedlichen Prismen in den Fenstern, ‚Seiju Cut‘ genannt, hat er geschaffen, um die  wandernde Sonne in immer neuen Regenbogenfarben an der Decke und den Wänden erscheinen zu lassen. Das Zusammenspiel der Inselschattierungen und den wandernden Regenbogenspiegelungen zeigt die Transformation der Zeit, in der wir in diesem Haus sein dürfen. Etwas Heiliges.

Das zunächst von uns als braune Steine, zusammengesetzt zu einer Riesenschildkröte, bezeichnete Gebilde an der rechten Wand, entpuppt sich bei näherer Betrachtung zu einer Sammlung von 400 Scherben. Sie sind aus der japanischen Jomon Zeit, etwa 5.000 Jahre alt, jetzt Seiju Todas Kunstwerk: ‚Face of the 5000 Years‘. Andächtig stehen wir davor und erkennen, wie sich zwischen einzelnen Scherben die Natur in Form kleiner Blättchen neues Leben erobert.

In diesem Haus kommt uns die Reaktion eines buddhistischen Gastgebers in den Sinn, der einen Besucher zu seiner Bildergalerie führte, die dieser bewundern wollte und dann von einem Bild zum anderen wanderte:
Aha, ich sehe, der Herr kann an einem Tag mehr als ein Bild betrachten…. Das kann im Brilliant Heart Museum nicht passieren. Es gibt nur die eine Insel Oshima – in immer anderen Schattierungen, wie das Leben selbst.

Zur Atmosphäre in diesem Raum mit Seiju Toda passt es, dass uns Macha Tee in großen handgemachten Schalen mit einer kleinen Süßigkeit serviert wird. Wir lassen schweigend den Blick auf Oshima, mit der Macha Teeschale in beiden Händen, auf uns wirken. Dabei verstehen wir vielleicht ein wenig mehr, was uns Seiju Toda mit seinem Briliant Heart Museum sagen möchte. Auf jeden Fall Eins: Die Welt ist voller Wunder, Veränderung, Vergänglichkeit und neuem Leben. Wir müssen nur Ruhe bewahren und uns den Wundern öffnen.