ein kleiner Rundumblick über das Corona Geschehen in unserer Umgebung in Yokohama.

Per Sonntag den 15. März 2020 soll es in Japan insgesamt ca. 1.500 COVID-19 Fälle geben, allein ca. 700 davon auf dem Kreuzfahrtschiff „Princess Diamond“. Das Schiff liegt in Sichtweite von uns, etwas abgelegen, direkt hinter der Yokohama Bay Bridge. Seit es der Captain verlassen hat ist es leer. Was darauf vorgeht ist unbekannt. Wenn die Sonne nachmittags auf das Schiff scheint sieht es nah, groß und schön aus, im Schatten liegt es da wie ein Mahnmal, dunkel, gewaltig, fast bedrohlich.
Das stärkste Cluster von Infizierten, das Heinsberg Japans, liegt in der Osaka Präfektur. Man geht davon aus, dass die Infektion von einem Live Music Club ausging. Warum die Zahlen von ca. 1.500 Infizierten so gering aussehen, könnte auch mit der Anzahl der Tests zusammenhängen.
Im Zeitraum vom 15. Januar 2020 bis 6. März wurden 19.420 Tests ausgewertet (inkl. der „Princess Diamond Passagiere“).
6.000 Test Muster können täglich ausgeführt werden, ab Ende März soll sich die Anzahl auf 8.000 täglich erhöht haben.
Das sind Zahlen aus der Japan Times vom 17. März, sie können sich sicherlich schnell verändern. Vergleichszahlen
zu Deutschland fehlen uns. Japan hat eine Bevölkerung von 126 Mio., Deutschland von 83 Mio.

Bei der Ankunft von Frank am Sonntagmittag in Tokyo/Narita wurde der All Nippon Airways Flug NH 210 auf dem Vorfeld geparkt. Die Reisenden mussten mit dem Bus zum Ankunftsgebäude gefahren werden.
Dabei wurde, wie in normalen Zeiten, der Bus vollgepackt. Die meisten Reisenden, auf jeden Fall die europäischen Fluggäste, ohne Maske. Die Business Class war ziemlich leer. Dennoch im Umfeld von Frank saß eine Mutter mit drei kleinen Kindern. Während des Fluges hörte er immer mal wieder das typische Kinderhusten. Oh je, ob die sich die Hand vor den Mund halten, oder in die Armbeuge husten??
Und diese Kinder standen dann genau vor ihm, auf Augenhöhe, Frank saß, im Bus. Glücklicherweise hatten sie jetzt Masken angezogen, dennoch. Warum konnte die Fluggesellschaft nicht ein oder zwei Busse mehr ordern und somit den Passgieren wenigsten ein klein wenig das Gefühl von sozialer Distanz geben. Das scheint in Japan noch nicht so richtig angekommen zu sein, oder denken vor handeln wie immer, ist nicht so ganz einfach. Aber, Umsicht und Voraussicht ist sowieso eine Schwierigkeit der Asiaten, nicht nur der Japaner. Es ist ja auch alles gut gegangen. „Social Distancing“ wird jetzt doch mehr und mehr zum Tagesgespräch in Japan.
Es geht dabei nicht nur um die körperliche Distanz (in Deutschland wird 1,5 m gefordert), sondern auch um die Vereinsamung in einer 14 tägigen Quarantäne.  Einsamkeit kann auch krank machen. Wir sahen neulich im TV einen Mann irgendwo in Europa,  der sich einen 1,5 m abstandshaltenden Ring umgeschnallt hatte.
Wer kann sich das in einem Bus oder einer Bahn vorstellen? Also dann lieber zu Hause bleiben.

Das Leben hier in Yokohamas angesagtem Hafengebiet Minato-Mirai, normalerweise ein Hot Spot für junge Leute, ist sehr ruhig. Weniger Autos, weniger Taxis, weniger Menschen auf der Straße. 90% der Menschen, denen wir begegnen tragen den typischen japanischen Mundschutz, eine weiße Gesichtsmaske. Wir auch, wenn wir auf die Straße zum Einkaufen gehen. In Minato-Mirai (Hafen der Zukunft) arbeiten etwa 100.000, und wohnen ca. 10.000 Menschen. So still wie gestern Montag haben wir das Viertel noch nie gesehen.

Bei Selbstbeobachtung stellen wir fest, dass wir unsere Aktivitäten, auch ohne staatliche Anordnung, ziemlich eingeschränkt haben. Eine geplante Reise zum Kernkraftwerk Hamaoka in Shizuoka haben wir zunächst zurückgestellt. Wir wollten dort die 1,2 km lange, 22 m hohe Mauer sehen, die das zur Zeit stillgelegte Atom-Kraftwerk gegen einen Tsunami schützen soll. Auch andere geplante Reisen, Treffen mit Freunden in Tokyo werden zurückgestellt. Zeit zur Reflektion, zB. ob unsere bereits gebuchte Reise nach New York Ende Mai nun abgesagt werden soll.

Eine Nichte von Miye in Taiwan schrieb uns, dass Taiwanesen sich auf ein langes Leben freuen und sich deshalb vor Verbreitung von COVID-19 durch Verzicht schützen. Es gäbe keine langen Diskussionen darüber ob etwa übertriebene Maßnahmen angeordnet werden oder nicht.  Taiwanesen machen einfach, was für sie und ihre Mitmenschen gut und für ein langes Leben nützlich ist.

Eine andere Taiwanesische Nichte aus Kalifornien fragte uns über LINE, ob Frank denn in Deutschland eine Gesichtsmaske trüge.  Auch bei ihr tragen nur wenige Menschen Masken, hauptsächlich in chinesischen Supermärkten. Hier in Japan dagegen doch gefühlte 90%.

Geschlossen ist u.a. das Cup Noodle Museum 200 m von hier, ein Anziehungspunkt, vor dem täglich lange Warteschlangen auf Einlass begehren. Das riesige AUDI Zentrum nebenan ist geöffnet, aber ohne Kunden. Das Riesenrad und die Wasserrutschbahn gegenüber sind stillgelegt. Keine Attraktionen, keine Kunden.

Geöffnet ist der Supermarkt der OK Kette, zwei Blocks von uns entfernt.
Am Sonntagabend knubbelten sich dort die Menschen. Volle Einkaufswagen, Warteschlangen an den 15 Kassen, wieder gefühlte 90% trugen Masken. Klopapier ist auch hier ausverkauft. Alles andere wird ständig nachgelegt. Sellerie, Franks Lieblingsgemüse, wird in einzelnen Stangen, etwa so dick wie in Deutschland eine halbe Staude, verkauft. Und immer wieder nachgelegt. Milch ist ausreichend in den Regalen vorhanden, überhaupt scheint der Hamster noch nicht so richtig zugeschlagen zu haben. Ein Glück.

Die japanische Regierung arbeitet an Reisebeschränkungen, die dann hoffentlich bis zu Abreise von Frank am 25.4. wieder aufgehoben werden, und sie warnt vor Massenansammlungen. Deutlichere Einschränkungen werden sicherlich im Laufe der Woche verordnet werden.

Ein Freund in Kyoto, langweilt sich, er kann nur an die frische Luft gehen, so spielt er Golf und trifft seine Freunde abends in seiner Bar im Gion Viertel. Sein normaler Aktionsradius wäre doch ziemlich eingeschränkt. Auch die Japaner stehen vor einschneidenden Veränderungen ihrer bisherigen Lebensgewohnheiten.
Wir beobachten das an uns ganz bewusst.

Neueste Umfragen ergeben, dass 63% der Bevölkerung daran glaubt, dass die olympischen Spiele vom 24. Juli bis 9. August 2020 verlegt werden, nur 23% gehen davon aus, dass sie wie geplant stattfinden. Es gibt sogar Stimmen, die dafür plädieren, dass die Sommer Spiele erst in zwei Jahren, im Jahr 2022, durchgeführt werden sollen. Dann würde es olympische Jahre mit Sommer und Winterspielen (in Peking 2022) wie früher im selben Jahr geben können.

Miye`s Mutter (97 Jahre alt) wird nach wie vor zweimal die Woche zum „Day Care“ mit sportlichen Aktivitäten abgeholt, es gibt keine Anzeichen dafür, dass dieser Service eingestellt werden soll. Da geht das Leben einfach den normalen Weg weiter.  Allerdings denkt der Geschäftsführer seit einer Woche darüber nach,  ob er dieses Tages Zentrum weiter geöffnet halten soll oder nicht. Die alten Leute seien in besonderer Weise in Gefahr, aber auf der anderen Seite gerade diese Menschen brauchen Bewegung.

Unsere Gedanken wenden sich neuen Themen zu, endlich eine gute Gelegenheit zu überprüfen, darüber in Ruhe nachzudenken, ob das, was wir seit Jahren tun tatsächlich erfüllend und notwendig ist, oder ob wir es aus reiner Gewohnheit machen. Sicherlich finden wir einiges, das wir nicht unbedingt so weiter machen müssen.

Ansonsten, Corona beherrscht auch in Japan die Top News, nur eben japanisch, unaufgeregter….

Bleibt gesund.