In Zeiten von AHA, Abstandhalten, Händewaschen und Alltagsmaske wollen wir trotzdem eine Woche in Bise auf Okinawa verbringen.

Um schon im Flugzeug die Abstandsregeln einhalten zu können, haben wir die erste Reihe gebucht, haben in Naha nicht den Toyota Rent-a-Car Shuttlebus zur Abholung des Leihwagens genommen, sondern mit dem Taxi gefahren. In Bise auf der Halbinsel Motobu haben wir ein Haus gemietet, um nicht in einem der großen Hotels mit zu vielen Menschen zusammenkommen zu müssen. AHA ist also unser ständiger Begleiter auf dieser kurzen Reise.

Die erste Überraschung: Der Flug von Haneda/Tokyo nach Naha/ Okinawa war voll besetzt, selbst die vermeintlich nicht überfüllte Premium Class. Für einen Flug am Montagmorgen, bemerkenswert wie auch das Boarding System von ANA All Nippon Airways. Jetzt steigt niemand mehr durcheinander ein, ob in den vorderen oder hinteren Reihen, am Fenster oder am Gang sitzend. Boarding ist in 6 Gruppen eingeteilt, von hinten nach vorne und zuletzt die, die am Gang sitzen. Sehr angenehm.

Nach einem ruhigen, zweieinhalb stündigen Flug Ankunft in Naha. Nächste Überraschung: Auf Okinawa ist es ungewöhnlich für diese Jahreszeit Mitte Dezember sehr windig, regnerisch, kühl. In Yokohama war es beim Abflug noch sonnig. Und diese Wetterverteilung soll während unseres gesamten Aufenthaltes in Bise so bleiben. Na ja. Shoganai.

Schon nach 2 stündiger Fahrt mit dem Leihwagen kommen wir in Bise an. Auf unserer Fahrt sind wir auf der Autobahn an den bekannten amerikanischen Bases in Nago und Kadena vorbeigekommen. Auch an der Großbaustelle, der von der Bevölkerung heftig bekämpften neuen Airbase in Henoko. Hier wird eine komplette Base ins Meer gebaut. Mehrere Bauschiffe liegen in der weiten Bucht. Am Ufer neben der staubigen Bundesstraße sehen wir riesige Betonwerke, bereits halb abgetragene Berge für das Auffüllmaterial und endlose Schlangen von LKWs, die die entsprechenden Baumaterialien befördern. An einem Eingang zum Meer stehen Wachleute sowie eine kleine Gruppe von Protestierenden mit für uns unleserlichen Schildern.

Fischernetze

Bise liegt auf der Halbinsel Motobu, direkt am türkisblauen oder grünen Meer. Vielleicht ist es das letzte wirkliche Dorf von Fischern, Kleinbauern und Pensionen in Okinawa, noch nicht entdeckt von den großen Hotelkonzernen. Die haben ihre Hotels bis kurz vor Bise bereits gebaut. Wohltuend dieses einmalige Dorf.

Gegen Taifune wurden 350 Jahre zuvor zunächst am Meer entlang eigenartige, sehr langsam wachsende Fukugi (Garcinia Spicata) Bäume gepflanzt. Die Blätter sehen aus wie die der uns bekannten Gummibäume. Danach wurde um jedes Haus herum ein Spalier dieser Bäume gepflanzt. Die Wege dazwischen, teilweise noch aus festgestampftem Sand, sind daher eng.

18.000 Fukugi Bäume bilden durch die Enge der zwischen den Häusern liegenden Alleen regelrechte Baum-Tunnel. Es gibt eine „Hauptstraße“, von dort aus führen viele Wege immer zum Meer hin. Das Ende eines solchen Fukugi Tunnels bildet dann das helle, türkisblau-grüne Meer. Rechts und links, die jeweiligen Bise-Häuser, meist im alten Okinawa Stil, viele schon etwas in die Jahre gekommen. Ansonsten Häuser, wie wir sie auch von Taiwan kennen, ein oder zweigeschossige, schmucklose Beton-Bauten mit Flachdach. Auf den ersten Blick, ziemlich ungepflegt. Einige dieser Häuser sind Pensionen. Im Sommer ist hier bestimmt der Teufel los, wenn die Surfer und Schnorchler hier den direkten Weg zum Meer suchen.

Wir fahren nach einem sogenannten 1997 von Denso entwickelten „MapCode“ , den wir in das Navi eingeben. So werden wir nach Bise geführt und sind wieder mal überrascht. Das Haus das wir gemietet haben liegt direkt am Meer. Auch dieses Haus ist umgeben von Fukugi Bäumen, die hier alle so um die 10 bis 15 m hoch gewachsen sind und mit fast blickdichtem Blattwerk vor Wind und Sonne schützen. Dazu brauchten sie 350 Jahre um so hoch zu wachsen.

Eingang Birth

Am Gemeindehaus halten wir, telefonieren mit Chisato-san, der zuständigen Dame des Hauses. Sie kommt sofort mit einer weiteren Dame, Nakasone-san, um unsere Koffer zu entladen, zum Haus zu tragen (nicht zu ziehen oder zu fahren!) und uns einen Parkplatz hinter dem Gemeindehaus anzuweisen. Hier das erste Schild mit dem Hinweis auf den Namen des Hauses „Birth“. Bis zum Haus selbst sind es nur 50 Meter, allerdings bittet Chisato-san uns wegen der Enge des Weges dort nicht hinzufahren. Der Blick aufs Meer. Atemberaubend. Das sagt sich so leicht, aber selbst bei dem stark bedeckten Himmel und bereits untergehender Sonne, strahlt das Meer mit für uns ungewohnter Kraft und Helligkeit. Gegenüber, etwa 2 km entfernt, liegt die Insel Iejima, sie ist flach. Eine einzige markante Bergspitze lässt sofort an die Kämpfe der Japaner gegen die Amerikaner im zweiten Weltkrieg erinnern. Vor einigen Wochen wurde im japanischen TV über die letzten Tage von Iejima und die Sinnlosigkeit der Kämpfe gegen die Überzahl der amerikanischen Streitkräfte berichtet.

Jetzt stehen wir am Meer in Bise, schauen zur Insel hinüber und fühlen eine besondere Energie, die von diesem Platz ausgeht. Vor uns sind Fischerboote aufs Land gezogen worden, etwas weiter links hängen helle Fischernetze zum Trocknen auf hohen Gestellen. Direkt am Meer Weg, an einer abgetrennten größeren Ecke des „Birth“ gegenüberliegenden, schon stark in Mitleidenschaft gezogenen Hauses, steht ein kniehoher Stein. Wir werden aufgeklärt. Dies ist der Landeplatz der hier verehrten Götter. Nach ihrer Landung bewegen sich die Götter über den eben gegangenen Weg zu unserem gemieteten Haus „Birth“, um am Ende im Shrine verehrt zu werden. Da niemand weiß, wann die Götter eintreffen, sollte kein Auto diesen engen Weg versperren, sollte frei sein für den Weg der Götter.

Guest Only

Dann „Birth“. Zwischen hohen Fukugi Bäumen, einem kurzen Sandweg kommen wir zum Eingang. Ein Minischild auf dem Boden weist mit „Guests Only“ darauf hin, dass das ein Privatgrundstück ist. Dahinter sehen wir einen kleinen runden Tisch mit weißer, wehender Tischdecke. Sofort nach dem ins Grundstück offenen Eingang geht links eine Treppe hoch in den eigentlichen Wohnbereich im ersten Stockwerk. „Birth“ ist ein Design Haus, gebaut von einer in Tokyo lebenden Innenarchitektin. Die Seite zum Garten, zum Meer hin ist total verglast, im Sommer lassen sich die bodenhohen Fenster verschieben und öffnen. Chisato-san schiebt die Eingangstüre, oder besser gesagt, das Eingangsfenster zur Seite. Wir kommen in den Innenraum, der sich über die gesamte Breite des Hauses erstreckt. Hier hindert nichts den gesamten Eingangsraum auf uns wirken zu lassen. Die Decke geht schräg nach oben, vermittelt ein normales Hausdach. Innen verkleidet mit dunklem Holz. Am oberen Ende lässt das Dach Licht schräg einfallen. Sehr schön gemacht.

Wohnzimmer

In der Mitte dieser Eingangshalle geht ein offener Raum rechts ab. Ein kleiner Couchtisch. Rechts davon eine weiße Matratze mit vielen dicken Kissen. Zwei Stufen führen in die nächste Ebene, auch hier wieder eine weiße Matratze mit vielen dicken Kissen. Sonst nichts. Doch, eine Lampe mit einem Fuß, zwei Fäuste dick, aus Sandstein, einer beinhohen Bambusstange und einem kugeligen Papierschirm.

Links geht das offene Schlafzimmer ab. Zwei Futon Matratzen wunderschön bezogen mit besonders weichen Leinenbezügen. Es sind nicht die üblichen Futon-Matratzen, hier handelt es sich um Airweave Matratzen, wie sie jetzt in Japan sehr gerne gekauft werden. Ein besonderes geriffelter, handbreiter, dicker Schaumstoff, der einen gewissen Liegekomfort verspricht. Die Decke ist mit einem weißen Leinentuch bauchig abgehangen. Das Licht eines Deckenstrahlers wir somit vernebelt und gibt dem Raum eine schöne Lichtverteilung. Sonst gibt es in diesem Raum wieder wohltuend – Nichts. Außer einem TV am Fußende, auf dem Boden stehend. Eigentlich braucht den hier auch niemand, es ist so schön auf die Natur zu hören, da stört ein plärrender TV Bildschirm nur.

Rechts abgehend vom Wohnbereich, auch offen, der Weg zum Bad und zur Toilette. Vorbei an einer eingebauten Jungesellenküche mit Kühlschrank und kleiner Kochstelle und an einem Kleiderschrank, neben der Küche. Beides kann mit Schiebetüren verschlossen werden. Hinter dem Kleiderschrank ist die, auch zum Raum hin, offene Toilette. Jedoch nicht einsehbar vom großzügigen Bad. Sofort fällt die Badewanne am Fenster über die gesamte Breite des Raumes auf. Davor, links, ein langer Waschtisch. Die Wände sind in schwarzem Streichlack gehalten. Waschtisch und Badewanne sehen aus wie aus einem schwarzen Speckstein modelliert. Das eigentliche Waschbecken ist eine nach hinten schräg abfallende Fläche. Die riesige Badewanne, hier können zwei Personen bequem nebeneinander liegen, ist über eine Stufe zu erreichen. Das Kopfteil ist angenehm, halbrund, für das Anlehnen mit dem Rücken bestens geformt. Von der hohen Decke regnet eine Regendusche. Das Wasser für das Badebecken fließt sehr schnell aus einem designten Wasserhahn, ebenso wie die Handdusche. Alles streng nach vorgeschriebenem Design. Das Bad ist bei Nacht ziemlich dunkel, hier hat die Innenarchitektin ihre Handschrift hinterlassen. Übrigens, abfließen tut das Wasser wohltuend in Windeseile. So etwas haben wir noch nicht erlebt.

Vorsichtig bewegen wir uns in diesem gepflegten Haus, müssen erst alles kennenlernen. Chisato-san ist die immer ansprechbare Organisatorin und unsere unaufdringlich hilfsbereite Butlerin für die Zeit, in der wir hier sind für dieses einmalige Haus „Birth“.

Koffer auspacken, im Schrank die Sachen verstauen. Koffer am Ende der Eingangshalle abstellen. Schon ruft das erste Dinner auf der Terrasse im Erdgeschoss. Was wir bei unserer Ankunft nicht gesehen haben, zwischen der Terrasse und den Fukugi Bäumen zum Meer hin ist ein breiter Sandstreifen frisch in Wellen geharkt, keine Blättchen der Bäume stören diese harmonischen Wellen. In den Bäumen hängen handgroße Glaskugeln, im inneren sind Teelichter angezündet. Die blinkenden Kugeln bewegen sich im immer wieder aufkommenden Wind. Im Hintergrund spielt zum Träumen einladende, leise Musik. Der Tisch steht zu dreiviertel unter dem Dach der darüber liegenden Eingangshalle. Geschützt vor Wind und Regen. Er ist festlich mit Blumen und grünen Girlanden geschmückt. Unaufdringlich, wie der Service. Sehr wohltuend. Nach dem Empfangs Champagner und einem Aperitif mit Pasteten und Früchten wird ein 10-gängies Menü von Chisato-san serviert. Wir wundern uns, woher sie das alles zaubert. Auflösung: Ein bekannter Chef aus Naha liefert Fleisch, Vor- und Nachspeisen vorgefertigt an, Chisato-san wärmt in einer Küche unterhalb der Treppe nach oben auf und richtet mit vielem Okinawa Gemüse entsprechend an. Alles ist wirklich wohltuend, und alles ist übrigens aus Okinawa. Sehr geschmackvoll und sehr, sehr lecker. Auf unseren Wunsch wird dazu Rotwein gereicht. Immer wieder wird aufmerksam nachgeschenkt. Wir sind total zufrieden. Danach räumt Chisato-san auf, wir beginnen die erste Nacht im Haus der Designerin aus Tokyo.

Die Dunkelheit im Haus ist gewöhnungsbedürftig, also lassen wir die „Stehlampe“ mit dem Papierschirm über Nacht brennen. Vom Meer her, es ist Flut, hören wir tosende Schläge und dazu ewiges, einlullendes Rauschen. Schön. So haben wir uns das vorgestellt.