Awaji-shima ist eine kleine Insel von nur fünfhundertdreiundneunzig Quadratkilometern.
Sie liegt in der Bucht von Osaka, in der Seto-Inlands-See, direkt vor Kobe.

Von Kobe wird die Insel über die Akashi-Kaikyo-Brücke erreicht, eine sechsspurige Autobahnbrücke, die die japanischen Hauptinsel Honshu mit der viertgrößten japanischen Insel Shikoku verbindet. Eine Weltrekord-Brücke. Neben dem zuvor besuchten Kurobe-Staudamm, eine weitere, weltweit beachtete, japanische Ingenieurleistung.

Bevor wir am frühen Morgen über die Akashi-Kaikyo Brücke fahren, kurz der Blick zurück ins Hotel Oriental nach Kobe, wo wir die Nacht vorher gewohnt haben. Heute noch können wir in diesem Hotel spüren, wie quirlig es im Jahr 1870 zugegangen sein musste, als Japan auf Druck der Amerikaner, seine Häfen öffnen musste. Yokohama hatte dies schon 1859 getan, Kobe folgte zehn Jahre später. Als erstes Hotel für Ausländer in Japan versprüht das Oriental immer noch den Aufbruch Japans in die neue Zeit. Heute ist es ein Neubau, geschmückt mit Bildern und Gegenständen aus der alten Zeit. Angepasst an die Bauvorschriften nach dem großen Erdbeben von 17. Januar 1995.

In erstklassiger Lage, an der Königsallee Kobes gelegen, ist es Anziehungspunkt für ausländische Besucher und japanische Gäste. In den Zimmern sorgen riesige, altmodische Deckenventilatoren und Teile der Einrichtung dafür, dass wir uns in die Zeit der Aufbruchsstimmung zurückversetzt fühlen.

Und genau hier, in der Küche des Oriental, soll der Weltruf des weltweit so beliebten Kobe – Beefs seinen Ursprung haben.

 

Die höchste und längste Hängebrücke der Welt.

Am nächsten Morgen: Mit erhöhtem Puls fahren wir, fünfundsechzig Meter über dem Meer, über die Akashi-Kaikyo-Brücke nach Awaji-shima. Tempolimit 80 km auf den sechs Kilometern der sehr breiten Autobahn-Spuren.
Bei der Einweihung im Jahr 1998 war diese Brücke mit einer Spannweite von eintausendneunhundert-achtundneunzig Metern nicht nur die längste Hängebrücke der Welt, sondern mit der Höhe der Stützfeiler auch die höchste Brücke dieser Art. Das mit der längsten Hängebrücke hat sich in diesem Jahr erledigt. Der Titel wird jetzt von der türkischen Canakkale -1915-Brücke über die Dardanellen, mit einer Spannweite von zweitausenddreiundzwanzig Metern, gehalten. Wir wollten an einer Führung durch einen der Stützpfeiler mitmachen, die uns in die Höhe von zweihundertsiebenundneunzig Metern gebracht hätte. Leider, oder Gott sei Dank, war in der uns zur Verfügung stehenden Zeit keine Buchung möglich. Der Ausblick von oben auf die Brücke und die darunterherfahrenden Schiffe, bis hin nach Osaka, soll vielen Besuchern schon zu zittrigen Knien verholfen haben. Es soll sogar Süchtige geben, die das Höhen-Erlebnis ständig wiederholen müssen. …

 

Tadao Ando auf Awaji-shima

Unser Ziel war Awaji, Namensgeber und Hauptstadt der dreiundfünfzig Kilometer langen Insel. Dorthin zieht uns die erst im April diesen Jahres eröffnete Zen-Meditationshalle „Zenbo Seinei“. Das Foto des weitausladenden Holzbaus mit ungewöhnlicher Architektur in einem Magazin hat uns dorthin gelockt.

Doch zunächst checken wir ein im Hotel Grand Nikko Awaji, früher das Westin Awaji. Gerade einmal fünfundvierzig Minuten Fahrt vom Oriental bis hierher. Dieser imposante Hotel-Klotz mit Blick über die Bucht von Osaka wurde auf einem Gelände von hundertachtundzwanzig Hektar als ‚Ort zum Träumen‘ angelegt. Mit direkter Verbindung zu einem architektonisch herausragenden, internationalen Konferenzzentrum und zum Akashi-Kaikyo National Government Park, einer Gedenkstätte an das große Erdbeben von 1995. Terrassenförmig sind einhundert Blumenbeete in eine überdimensionierte Gartenanlage mit einem ebensolchen Green House integriert. Die gesamte Anlage mit römisch anmutendem Freilufttheater wurde vom japanischen Stararchitekten Tadao Ando entworfen. Überall grauer, nackter Sichtbeton und über eine Millionen leere Schalen von Jakobs-muscheln in Wasserfällen stechen beim Rundgang durch die Anlage ins Auge. Das Lichtspiel in der Hochzeitskapelle ist ein Beispiel für Durchbrüche in der überall vorherrschenden Betonarchitektur von Tadao Ando. In der Decke gibt es eine Kreuzförmige Öffnung, die sich an der Wand als Lichtkreuz widerspiegelt. Eindrucksvoll. Der Blick bei blauem Himmel hin zur Akashi Brücke und über die weite Bucht von Osaka ist es wert die Gartenanlagen bis in die höchsten Stellen zu besteigen. Hier wurde architektonischer Gigantismus betrieben.