Wenn wir Kyoto durchstreifen fühlen wir das besondere Flair dieser Stadt. Der schachbrettartige Stadtplan wurde bereits in der Heian-Zeit (794-1185) so angelegt . Zu einer Zeit als Kaiser Kammu seine Residenz von Nagaoka/Nara nach Heian, dem heutige Kyoto, verlegte. In der Zeit entwickelt sich eine japanische Hofkultur mit einer nie dagewesenen Kunst und Kultur, die wir meinen immer noch zu spüren, wenn wir in den Läden der Stadt etwas finden, was wir bisher noch nicht gekannt oder gesehen haben.
SADO, den Weg des Tees, haben wir in Kyoto in der berühmten Teezeremonienschule Ura-Senke schon mehrfach beschreiten dürfen.
KADO, die Kunst des Blumensteckens (Ikebana), konnten wir bei Miye‘s Mutter, einer Meisterin, über viele Jahre bewundern.
Doch KODO, der Weg des Duftes, war uns bisher als Zeremonie verschlossen geblieben, bis wir in einen Laden hineingezogen wurden, in dem wir den „Duft hören“ können.
Am Schaufester eines von außen unscheinbaren Ladens auf der Teramachi Dori gehen wir achtlos an einer mehr als dezenten Schaufensterdekoration vorbei. Auf einem recht-eckigen Holztablett, stehen in weißem Porzellan eine japanische Teekanne mit Seitengriff, eine Teetasse und eine runde Schale. Alles ist auf das Nötigste reduziert, selbst das weiße Porzellan. Daneben sehr dezent ein Preisschild. Das ist alles, was im Schaufenster des alten, zum Ladenlokal umgebauten Kyoto’er Holzhauses zu sehen ist. Auf den ersten Blick nicht besonders attraktiv für den westlichen Besucher. Über dem Eingang, der Name des Geschäfts in drei goldenen Kanjis (Chinesische Schriftzeichen), darunter Monko-Dokoro.
Der Laden zieht sich innen tief hin bis in ein Gärtchen mit einer japanischen Toilette. Das typische ‚Aal-Bett‘ in Kyoto, lang, schmal und tief, um in alter Zeit Steuern zu sparen. Schlichteste Einrichtung, sehr sparsam an den Wänden nur einige Regale mit geschmackvollen Dosen für die Aufbewahrung von Räucherstäbchen sowie zwei Verkaufstische mit traditionellen Papierwaren. Auf zwei weiteren Regalen kleine Kästchen in unterschiedlichen Farben.
An einem Counter am Ende des Geschäfts stehen einige Stühle, auf der rechten Seite zwei enge Sitzgelegenheiten. Hier sitzt ein Pärchen, vor sich das aus dem Schaufenster schon bekannte Holztablett, darauf eine Porzellantasse. Was uns verwundert, die beiden halten die Tassen in der linken Hand, mit der rechten decken sie den oberen Teil der Tasse ab, als ob sie verbergen wollen was in der Tasse ist. Durch die Öffnung ihrer Hand, riechen sie am Inhalt der Tasse. Es sieht aus, als ob hier das Schnüffeln offiziell erlaubt ist. Bitte nicht lachen, das haben wir, als total Unwissende für Euch schon getan.
Es gibt hier nur eine Verkäuferin, sie weist uns an, uns zu setzen, so sitzen wir neben dem „Riechpärchen“ und wundern uns. Der Herr spricht uns in Deutsch an, er war einige Jahre bei der JETRO in Wien und freute sich unser Deutsch zu hören. Doch schon kurz drauf widmete er sich wieder dem Riechvorgang an seiner Tasse.
Miye bestellt ein Set: Riechtasse, danach grüner Tee aus der Seitenhenkel-Kanne und ein klitzekleines Stückchen Süßes, von einem französischen Konditormeister in Kyoto hergestellt. Es dauert eine Weile bis serviert wird. Dazu gibt es eine endlos lange Erklärung. Also, die vermeintliche Riechtasse ist ein Porzellan Gefäß in Form eines halben Bechers mit einem geraden Deckel. Durch Betätigung eines Schalters wird eine Mini-Spirale zu Glühen gebracht. Wir können mehrere Stufen einstellen, je höher wir die Spirale aufheizen, desto eher verbrennt das kleine Etwas in der Mitte der Spirale. Das kleine Etwas ist das Material, dass erhitzt und zum duften gebracht wird. Stufe eins braucht länger, dafür kann auch länger am Gefäß gerochen werden. Wir haben zwei verschiedene Gerüche bestellt, sie werden durch Hinweisschilder gekennzeichnet, dass wir die Düfte auch ja nicht verwechseln.
Grün: Jinko (Agarholz), Rot: Kyara (besserer Jinko) und davon jeweils ein, oder sogar noch weniger als ein Gramm, mehr ist das nicht. Schon dieses eine Gramm kostet inklusive des Tees, den wir später bekommen etwa EUR12 und EUR17. Hätten wir uns doch besser beraten lassen, was wir tun müssen um die „Düfte zu hören“. Wir nahmen die Gefäße in die Hand und wedeln unseren Nasen den Duft zu. Dann tauschen wir die Duftcontainer aus und vergleichen die Düfte, was gefällt Dir besser? So ein Unsinn. Jeder soll den Duft seines Jinko oder Kyara unter der hohlen Hand genießen und dabei still sein. Es ist eine 30 minütige Meditation, eine Übung in Bewusstsein mit Hilfe des speziellen Duftes des bestellten Holzes. In früheren Zeiten haben sich die Connaisseurs über das Erlebnis mit diesen Düften Briefe geschrieben und wir Banausen wedeln uns den Duft zu und reden dazu auch noch laut, was wir als Unterschied erkennen. Nämlich: Nichts!
Zwischenzeitlich kommt ein weiteres Pärchen und eine Dame alleine, sie sitzen uns mit dem Rück genau gegenüber, so können wir sie beobachten, was sie tun. Genau das, was wir nicht gemacht haben. Stille. Hand über dem Container so geformt, dass so etwas wie die Öffnung eines engen Weinglases entsteht, Nase rein und bewusst den Duft in sich aufnehmen. Das 30 Minuten lang!
Wir bekommenden unseren Tee zum Abschuss serviert und verlassen nach dem Genuss des Tees und des französischen Küchleins das Geschäft, oder besser gesagt den Meditationsraum, und das im Bewusstsein nichts verstanden zu haben. Schade. Beim nächsten Mal werden wir uns bewusster verhalten. Auch wenn es befremdlich aussehen mag, wenn Menschen in einem Laden 30 Minuten lang an einem Container riechen….