Izumo, wo sich die japanischen Götter versammeln
Vor 15 Jahren haben wir schon einmal den Izumo Taisha (Schrein) in der Shimane Präfektur besucht. Ein Ort der japanischen Mythen und Sagen, den Ausländer eigentlich nur verstehen, wenn sie sich mit der japanischen Spiritualität auseinandersetzen.
Es ist schon befremdlich zu akzeptieren, dass sich die japanischen Götter (nach altem Kalender im Oktober, nach dem heutigen Kalender im November) zu einer jährlichen, einwöchigen Sitzung im Izumo Taisha treffen. Sie landen an einem bestimmten Ort am japanischen Meer, dem langgestreckten Inasanohama Beach. Ihr Landeplatz wird durch einen einsamen Felsen, Bentenjima noch einmal besonders hervorgehoben. Wir hatten auf Okinawa neben solch einem Landeplatz der Götter gewohnt und, interessanterweise, diesen Platz in unserer direkten Nachbarschaft mit großer Ehrfurcht betrachtet.
Siehe unser Bericht von Okinawa
Hier hat dieser Strandabschnitt vor Izumo wieder eine ganz besondere Ausstrahlung – wie mag das erst auf Japaner wirken, wenn der Deutsche schon die Spiritualität dieses Ortes in sich aufnehmen kann?
Glücklicherweise ist wenig los. Parkplätze vor dem Landepunkt werden ausgebaut, die Strandpartie verbessert. Die Bauarbeiten sind bei der Betrachtung des Strandes mit diesem einzigartigen Felsen zwar etwas störend, doch wenn der Baulärm und die geschäftigen Bauarbeiter ausgeblendet werden, gelingt es diesen Strand als heilig zu empfinden.
Der Felsen ist zum Zeitpunkt unseres Besuchs, bei Ebbe, ein Teil des Sandstrandes. Bei Flut könnte der er vom Wasser umspült werden und zu einer Insel werden. Auf Bentenjima steht ein kleiner Schrein mit einem Torii davor, das gibt der winzigen Insel eine noch stärkere spirituelle Note. Die Gedanken können fliegen und sich mit den Göttern verbinden. Der Spendenkasten davor darf dabei nicht fehlen und wird auch von einigen Besuchern bedient.
Gegenüber vom Inasanohama Strand hat sich ein Terrassen Café mit der genauen Standortbeschreibung und den Zusatz:
„Beach where the gods land“, angesiedelt.
Einmal im Jahr, wenn die Götter, im November, der genaue Zeitpunkt wird jedes Jahr bestimmt, bei Dunkelheit um 19:00 landen, findet „Kamimukae“, das einwöchige Willkommensfest für die Götter, statt. An dem Abend werden sie auf der Straße, die zum Izumo Taisha führt, so abgeschirmt, dass bloß keiner sie sehen und stören kann. Wir haben gehört, dass die Bürger zu der Zeit nicht aus dem Haus gehen. Auch heute ist diese Straße leer, so also muss es aussehen, wenn…. Das sind unsere Gedankenspiele an diesem Ort.
Wir fahren die 1,5 km zum Shimane Museum of Ancient Izumo, nur wenige hundert Meter vom Izumo Hauptschrein entfernt. Ein Muss, bevor wir das Taisha Gelände betreten, denn hier gibt es die Informationen, die wir zum besseren Verständnis von Izumo und den japanischen Göttern benötigen.
Nur ein zwei Exponate möchten wir näher erklären:
Da werden die Reste der hölzernen Grundpfeiler, die vor 800 Jahren den Izumo Hauptschrein in 96 Meter Höhe! getragen haben, ausgestellt. Drei Meter im Durchmesser, erreicht wird das durch drei miteinander verbundene, dicke Baumstämme. Das ist deshalb so bedeutend, weil es seit 1744, als die heutige Haupthalle in 24 Metern Höhe gebaut wurde, nie wieder den Versuch gab, die Halle auf die damalige Höhe von 96 Metern nachzubauen. Technisch, so hören wir, wäre das nicht möglich!
Und dann sind da die Modelle der Himmelstreppe, wie sie sich zu alter Zeit und heute im Größenvergleich darstellen. Beachtlich, der heutige Schrein ist fast mickrig gegenüber dem Gebäude und der Treppe aus alter Zeit, vor 800 und mehr Jahren. Das große Modell zeigt die Wirkung auf den damaligen Gläubigen, beim Betrachten der Figuren auf der Treppe zum Schrein.
Dazu die Sage in Kurzform: Im Izumo Taisha wird Okuninushi-no-kami als Gott verehrt. Er war es, der nach vielen Kämpfen und Umwegen dem Zusammenschluss seines Landes mit dem Land der Sonnengöttin Amatarasu (es könnte das Land Yamato im Gebiet des heutigen Nara sein) zugestimmt hat. Seine Forderung dafür war, dass ihm zu Ehren ein Schrein gebaut wird, der bis in den Himmel reicht. Sie wurde ihm gewährt, wie wir heute immer noch, wenn auch verkleinert, sehen können.
Okuninushi ist der Gott des – En – der Verbindung der Menschen untereinander. Während des Festes, das zu Ehren der Götter im November abgehalten wird, berät sich Okuninushi-no-kami mit den japanischen Götterkollegen (es sollen über acht Millionen, das heißt unendlich viele sein) und sie entscheiden sich, welche Verbindungen im folgenden Jahr geknüpft werden sollen. „En“ ist immer noch eine der Grundlagen des japanischen Miteinanders.
Die Götter müssen in dieser Sitzungswoche irgendwo unterkommen, dazu wurden Hallen und verschiedene größere und kleinere Schreine, je nach Wichtigkeit des Gottes, gebaut.
Nach unserem Zwiegespräch mit den Göttern fahren wir weiter zum Haus des Schriftstellers Lafcadio Hearn in Matsue.