Teil 3 Takaoka-Toyama

Das Frühstück wird von der Schwester von Yostugawa-san serviert. Eine Mischung aus Takaoka Kräutern, Gemüsen, Schinken, Fisch, Braten und Salat. Fürs Auge und für den Gaumen, meisterhaft liebevoll zubereitet und angerichtet. Die Atmosphäre ist familiär, erfrischend sympathisch.

Unser Vermieter erzählt uns mehr beiläufig, wo seine Firma Yotsugawa Seisakusho Ltd., zu finden ist – lediglich 200 Meter von den beiden Häusern entfernt – wir könnten jederzeit vorbeikommen und uns seine Ausstellung anschauen. Nachdem wir über die Kanayamachi Straße geschlendert sind und von den Lattice Häusern mit den davorstehenden Bronzefiguren wieder mal begeistert waren, besuchen wir ihn in seinem weiß gestrichenen, quadratischen Bau in der Parallelstraße. Modern. Bauhausstil, einladender, heller Showroom und angrenzendes Büro. Früher bestimmt einmal mit Fabrikation in den hinteren Gebäudehallen. Auf der ersten Etage zeigt er uns kunstvolle Meisterwerke in dunkler Bronze. Tee- und Wasserkessel, Räucherstäbchen-Gefäße, Papiergewichte und Drachen.
Wir verlieren schnell den Überblick und fragen: „Wer kauft so etwas heute?“ und hoffen, dass er nichts Abwertendes aus unserer Frage hört.
„Das war früher unser Hauptgeschäft, es ist allerdings rückläufig. Deshlab beschäftigen wir uns heute damit Produkte in modernem Design zu entwerfen und diese dann von den hiesigen Handwerkern, die noch die alten Techniken beherrschen,  herstellen zu lassen“, ist seine Antwort. Also haben wir ihn nicht beleidigt….

Ganz anders der Showroom im Erdgeschoss, in hellem Holz, schlicht, sehr gut beleuchtet. Hier zeigt er seine neuen Kreationen, handgemacht, in modernstem Design unter dem Markennamen KISEN : Glöckchen für die Zen Meditation aus dünn geschliffenem Holzbody und kupferfarbenem Klangkörper, kleine Klangschalen und Räucherstäbchen Becken. Wir bewundern die Entwicklung eines federleichten Rotweinschwenkers, der über ein pyramidenförmiges Drehlager aus Metall geschwenkt wird, Sake Becher aus Bambus oder Holz mit verschiedenfarbigen Metallfüßen, Untersetzer für Sushi Dekorationen. Stäbchen Bänke in verschiedenen Metalltexturen, Metall-Untersetzer für die Küche, Wein und Sake Accessoires, schlichte Vasen in verschiedenen Farben.

Wir sind so begeistert und kaufen diesen Rotweinschwenker als Hochzeitsgeschenk für einen Freund. Vorsicht ist geboten, jedes Teil ist vom Design, der handwerklichen Kunstfertigkeit und Feinheit begeisternd, doch wir müssen aufpassen, dass wir nicht Dinge kaufen, die wir danach zu Hause nicht verwenden.

„Wollen Sie noch andere Takaoka Kunstwaren sehen“, fragt er uns.
„Gerne, wir können eben das Auto holen.“
„Nicht nötig, ich fahre Sie mit meinem Auto dahin“, entgegnet er uns und fährt ein kleines Kei-Car mit gelbem Nummernschild vor. Kei-Cars gibt es hauptsächlich in Japan und manchen anderen asiatischen Ländern. Ein 600 cc Motor, einfache Ausführung als Viersitzer und Kleinsttransporter mit Ladefläche für die Betriebe auf dem Land – quadratisch, praktisch, gut. Sehr preiswert, passend für die engen japanischen Straßen, schnell, aber für unsere Augen hässlich. Yotsugawa-san entschuldigt sich, dass er uns nicht in einem größeren Auto mitnehmen kann. Aber: es ist, wenn man einmal drin sitzt, geräumig, höher als eine normale Limousine. Übrigens in Deutschland und Europa werden Kei-Cars aus Japan nicht zugelassen. Zu unsicher. Sie werden von Honda, Suzuki, Nissan und Daihatsu angeboten und machen etwa ein Drittel aller neu zugelassenen Autos in Japan aus. Auf unserer Fahrt über die Felder Takaokas  begegneten uns 90% aller Autos als Kei-Cars. Diese Autos haben hohe Steuer- und Versicherungs-Vorteile und werden heutzutage auch sehr gerne von jungen Familien gefahren.

Yotsugawa-san bringt uns zu AmanoShikki, einer Firma, die vor Kurzem erst von einem jungen Mann von seinen Eltern übernommen wurde. Anders als Yosugawa ist Amanos Showroom überladen. Lackwaren in Schwarz und Rot – Tabletts, Kästchen, Untersetzer – meist als Mariage mit hauchdünn geschliffenen Perlmutteinlagen. Das Schleifen der Perlmuttplättchen auf 0,1 mm Dicke ist eine alte Kunst aus Takaoka, genau wie die feinen Lackarbeiten, die in Japan wegen der höheren Luftfeuchtigkeit Jahre in ihrer Schönheit überdauern können, währende sie bei uns in Düsseldorf wegen der Trockenheit unserer Luft nach kurzer Zeit blind werden und das Holz reißt. Schade, aber wir wissen die Handwerkskunst, die in jedem einzelnen Stück steckt, zu würdigen.

Auch Amanos Takaoka Gläser sind eine Mariage mit den hauchdünnen Perlmutteinlagen, sie spiegeln sich wie in einem Kaleidoskop vom Boden der Gläser sobald zum Beispiel Sake, eingefüllt wird. Schon allein die Gläser für sich sind so kunstvoll geschliffen, mit den Einlagen sind sie etwas Besonders, und weil sie uns so anspringen, kaufen wir bei Amano zwei Sake Gläser für uns zu Hause.

„Wollen Sie noch etwas mehr sehen und einen bedeutenden Künstler in Takaoka bei der Arbeit zuschauen?“

Nichts was wir lieber täten und sind gespannt wohin uns Yotsugawa-san fährt. Hinter einem Einfamilienhaus befindet sich die Werkstatt von Masaharu Kyoden, einem bekannten japanischen Künstler, der Bronzefiguren und Vasen entwirft und herstellt. Der Meister steht vor einer grünlichen, bauchigen Bronzevase auf der zwei Welse zwischen Lotusstengeln im Wasser treiben. Es ist sein neuestes Werk und noch nicht ganz vollendet. Interessant ist, dass der Meister nicht als Künstler vorgestellt wird, sondern als traditioneller Handwerker. Seine Preise allerdings, lassen auf einen bekannten Künstler schließen. Sein neuestes Werk in grünlichem Bronze 28 cm hoch und 36 cm Umfang, soll Yen 2.000.000 – etwa EUR 12.500 kosten. Er lädt uns in sein Haus ein, eine Schatzkiste mit seinen Bronzewerken. Eine Vase mit einem besonders fein gearbeiteten Drachen hat es uns angetan. Preis nur Yen eine Millionen – etwa EUR 6.200. Für einen Künstler mit Auszeichnung vom japanischen Kaiser, eigentlich preiswert…

Wir trinken Tee im Haus von Kyoden-san, lernen seine Frau kennen, die, wie er meint, noch nie ein Werk von ihm für gut befunden hätte und müssen uns losreißen, denn in jedem Stück seiner Arbeiten steckt ein Geschichte, die er uns erzählen möchte.

Unsere Erzählung über Takaoka müssen wir abschließen mit dem Besuchen der Residenz der Familie Sugano, die so reich gewesen sein musste, dass die vermeintlichen Messingteile eins Altars aus purem Gold eingebaut wurden, oder des mit Wassergräben durchzogenen Schlossparks, auf dem früher das bedeutende Takaoka Schloss gestanden hatte, das nach 1615 im Rahmen der Neuordnung – nur ein Schloss pro Provinz – abgerissen werden musste, oder des großem Bronze Buddhas, nach Kamakura und Nara Nr. Drei der großen Buddha Statuen in Japan, oder gar dem Besuch des beeindruckenden Zuiryuji Tempelbezirks mit Mausoleum für den Fürsten Maeda Toshinaga …
Die Zeit von drei Tagen reicht nicht aus alles im Detail anzuschauen, wir müssen eines Tages wiederkommen. Takaoka bemüht sich die gesamte Stadt als UNESCO Weltkulturerbe aufnehmen zu lassen. Wir sind beeindruckt, wie sich einzelne Unternehmer zusammen mit einer ganzen Stadt darum bemühen und ihnen dafür keine Anstrengung zu viel ist diesen Traum zu verwirklichen.

Vor dem Rückflug nach Tokyo/Haneda besuchen wir in Toyama-City noch das Glass Art Museum. Ein unübersehbares Gebäude in der Mitte der Stadt, entworfen vom japanischen Star Architekten Kengo Kuma. Über sechs offene Etagen werden Glas Kunstwerke und Glas-Installationen weltweit bekannter Künstler gezeigt. Daneben können über drei Etagen Bücher in einer Glas Bibliothek studiert werden. Das Gebäude allein ist den Besuch wert, die Architektur beeindruckend, wie unsere gesamt Reise nach Toyama.