Teil 2 – Der Papierlampion Macher in Mikuni
und die Wiederbelebung der 10.000 Jahre alten japanischen Lackkunst bei Famile Hatakenaka

Zurück in der Gegenwart des Ortes kommen wir am Geschäft und Werkstatt des Lampion Machers vorbei. Der Meister ist hocherfreut, dass wir uns für seine Arbeit interessieren, das öffnet bei ihm sämtliche Schleusen der Mitteilsamkeit. Wir müssten nach seinem Anschauungsunterricht in der Lage sein selbst Lampions herstellen zu können, aber dazu fehlen uns die bestimmt hundert Jahre alten Formen, die er schon von seinen Vorfahren geerbt hat und die unerlässlich sind für die Herstellung seiner traditionellen Lampions.
Seine Tochter möchte, gegen seinen Rat, das alte Handwerk mit dem Laden von ihm übernehmen und weiterführen. Sie hat bestimmte Vorstellungen, wie sie mit neuen Lampions und Marketing Ideen die Tradition von Mikuni aufrecht halten kann. Das macht den Vater auf der einen Seite stolz auf seine Tochter, allerdings sieht er bei der nachlassenden Nachfrage nach solchem Traditionshandwerk auch die Gefahr, dass es keine Überlebenschancen geben könnte.

Jetzt zu unserer Übernachtung in Mikuni. Auf der Hauptstraße lassen wir uns in einem der alten Geschäftshäuser, heute ein dunkler Laden für Bonsaibäumchen, vom Vermieter die Schlüssel und den Code zur Öffnung der Haustür unseres Nachtquartiers geben.

Von außen hundertjährig, innen ein modern restauriertes Vorder- und durch einen Garten getrennt, ein Hinterhaus. Früher die Apotheke des Ortes. Eine Hälfte des Hinterhauses ist bis in die Dachkonstruktion offen, dies war vor 100 Jahren bestimmt das Lager oder die Wohnung des Apothekers.

Auf der ersten Etage, durch eine steile Treppe zu erreichen, das Schlafzimmer mit superguten Betten. Unten, das Bad mit einer wunderbaren Badezimmereinrichtung, eine kleine Sitzgruppe vor der Küchenzeile, es fehlt an nichts. Nachts ist bis auf den Sturm, der ums Holzhaus tost und ungewohnte Klappergeräusche entwickelt, absolute Ruhe.

Das japanische Frühstück wird im Vorderhaus angeliefert, in dem eine Freundin von uns übernachtet hat, wir müssen uns nur noch den Kaffee dazu aufgießen.

Alles weitere ist da. So gestärkt können wir den Tag beginnen und uns von der Familie Hatakenaka und Studentinnen einer Universität in Kyoto in die 10.000 Jahre alte Kunst der Lackgewinnung, – Zubereitung und der traditionellen Lackmalerei aus der Jomon Zeit 10.000 Jahre zurück einweisen lassen.

©Kazuma Yamane

Was wir nicht wussten, der Grundstoff für den japanischen Lack wird von Bäumen geerntet. Und zwar in der gleichen Weise, wie Gummi – durch spiralförmiges Anritzen der Rinde von bestimmten Baumarten und Sammeln des Harzes. Die Werkzeuge dafür sehen sehr archaisch aus, so ist auch die Erntearbeit, die von den Studentinnen miterledigt wird. Danach werden Zusätze in weiten Holzschalen beigemischt, um eine geschmeidige Lackmasse zu erhalten. Hatakenaka jun. führt uns diese Arbeitsschritte im familieneigenen Arbeits- und Wohnhaus vor. Wir lernen, japanische Lackkunst ist Familientradition und wird vom Großvater auf den Sohn und von dem wiederum auf den Enkel übertragen. Die Mutter von Hatakenaka jun. arbeitet natürlich auch mit im Betreib und macht Vorbereitungen für die spätere Lackierung an den Unterseiten von Suppenschalen. Ihr Alter ist schwer zu schätzen, doch bestimmt ist sie weit über das Rentenalter hinaus.

Die Familie versucht in der Zusammenarbeit mit den Studentinnen die alten Lacke wieder herzustellen. Die  heute in Japan verwendeten Lacke sind in ihrem Rot viel heller. So müssen sie versuchen die Arbeitsschritte der Vor-Vorfahren nachzuvollziehen, um die alten, dunkleren Lackfarben zu erhalten. Ein langwieriges Geschäft.

Was wir auch nicht wussten: in die rohen Holz-Suppenschalen wird zunächst ein Stoff auf den Boden eingelegt, um später den Abrieb des Lacks durch Überhitzung sowie durch den Einsatz der Essstäbchen zu verhindern.

Das gleichmäßige Auftragen und anschließende Trocknen des Lacks wird von Hatakenaka jun. gemacht. Dazu hat die Familie hölzerne Trockenschränke entwickelt, in denen die fertig lackierten Teile eine ganz bestimmte Zeit staubfrei rotieren müssen.

Familie Hatakenaka und die Studentinnen lassen uns daran teilhaben, wie sie die Lackherstellung von vor mehr als 10.000 Jahren wiederbeleben. Vom Sammeln der Grundstoffe von Bäumen, dem Anrühren des Lacks und der anschließenden kunstvollen schwarz und roten Lackierung von Holzgefäßen.

Wir haben diese Arbeiten erstmalig gesehen und wissen jetzt, warum Lackgefäße so teuer sind. Auch hier erkennen wir wieder einmal, dass das traditionelle japanische Handwerk von der Ernte des Grundstoffs bis zur fertigen Suppenschale etwas Heiliges ist.