Vielleicht ist es auch eine Art von Gigantismus, aber das „Zeinbo Seinei“ Zentrum, nur etwa 20 Minuten Fahrzeit entfernt vom Grand Nikko Awaji Hotel, umschmeichelt auf den ersten Blick unsere Augen. Es verführt alleine durch seine Holzkonstruktion zur Annahme und verstärkt unsere Neugier.

Inmitten von grün bewaldeten Hügeln, weit oberhalb des Meeres, sticht über den Bäumen die langgezogene Holzkonstruktion hervor. Ein einhundert Meter lang gezogenes, flaches Dach schwebt über einer nach allen Seiten offenen Fläche, darunter eine kastenförmige Fassadenkonstruktion. Das ist unser Ziel auf Awaji-shima.

Natürlich wollen wir auch erkunden, was es mit diesem Zentrum auf sich hat. Wir haben einen vierstündigen Zen-Wellness-Kurs gebucht. Bereits bei der Ankunft fällt uns auf, viele junge Männer und Frauen in uniformer, beigefarbiger Kleidung. Sie erklären uns, wo wir Tee trinken, und uns umziehen können, und wo wir uns später auf der offenen Meditationsetage treffen werden. Das sieht auf den ersten Blick etwas klösterlich, buddhistisch angehaucht aus. Später hören wir, dass das junge Menschen von verschiedenen Gruppenfirmen der Pasona Gruppe sind, die hier ihren Dienst tun. Pasona, eine japanweite Firmengruppe mit Zentrale auf Awaji-shima. Ihre Message: ‚Providing Solutions to Society’s Problems‘.

Auf der Etage unterhalb der Meditationsfläche liegen zu beiden Seiten des Ganges Zimmer, in denen wir uns umziehen können. Uns wird ein kleiner Raum mit zwei ‚Betten‘ zugewiesen. Spartanisch trifft es nicht richtig. Zen-reduziert trifft es vielleicht besser. Zwei Betten, das heißt, Sport-Tatami- Matten auf einem niedrigen Holzgestell. Drauf liegen zwei dicke, braune Bärenfellartige Umhänge.
Ein kleiner, an die Wand angebauter Tisch, auf dem Material liegt, um sich in ‚Shakyo‘ zu üben. Das ist ein buddhistisches Training. Das sorgfältige Abschreiben, das Kopieren von buddhistischen Texten in Kanjis (japanischen Schriftzeichen) mit einem Pinselstift. Es geht bei dieser Übung um Konzentration.

Zwei kleine Tischchen und ein Stuhl mit Lehne. Alles in freundlichem, hellem Holz. Das Fenster geht bis zum Boden, es ist in vier gleiche Flächen aufgeteilt, die von außen als die kastenförmige Fassadenkonstruktion sichtbar sind. Heller Parkettboden.

Wir haben lediglich einen vierstündigen Zen-Wellness-Kurs belegt. Das Zimmer ist für uns nur zum Umziehen gedacht. Es gibt auch Zweitages-Kurse, dann ist dies sowohl der Rückzugsort als auch das Schlafzimmer. Gegenüber gibt es Einzelzimmer (fünf Quadratmeter), genauso eingerichtet, nur entsprechend kleiner und mit lediglich einem ‚Bett‘ ausgestattet. Jedes Zimmer hat einen buddhistischen Namen. Gerade das kleine Einzelzimmer uns gegenüber heißt bezeichnenderweise: ‚Genügsamkeit‘. Gemeinschaftstoiletten, Dusche und Waschbecken am Ende des Ganges. Daneben eine kleinen Bibliothek.


Angezogen mit unserer sport- und meditations-gerechten Kleidung, besichtigen wir die Meditationsfläche. Beeindruckend. Spezielle Meditationskissen, eher Meditationsstühle ohne Beine, in braunem Leder, liegen auf dem Boden der linken Seite. Zwischen zwei Stühlen ein kleines Tischchen für Ablagen. Vor uns, je eine Yoga-Matte.

Wir waren zwanzig Teilnehmer. Einige kamen schon in den braunen Bärenfellartigen Umhängen, sie erwarteten wohl einen kühlen Nachmittag. Jedem wird sein Kissen/Stuhl zugeteilt.
Hinter uns zugezogene Glasschiebe Elemente, als Schutz vor Wind und Kühle. Auf der gegenüberliegenden Seite ist die Meditationsfläche offen, könnte aber auch mit  Schiebe Elementen geschlossen werden.
Wir hatten großes Glück mit dem Wetter. Die strahlende Sonne hat unsere Rücken angenehm gewärmt.

Zunächst ein kleiner Einführungsvortrag, danach beginnt Etsuko Kanagae ihr sechzigminütiges Zen-Wellness-Programm.

Zu Etsuko-San: sie war im Jahr 2010 Miss Japan International. Im selben Jahr belegte sie im weltweiten Miss International Wettbewerb den vierten Platz. Heute schreibt sie Bücher und berät unter anderem auch größte japanische Firmen über die Wichtigkeit der Außendarstellung. Yoga, Zen, Aikido bestimmen ihr Leben. Eine angenehme, dazu gut aussehende, perfekte Ruhe ausstrahlende Persönlichkeit. Ihre Zen Meditation nimmt sie nicht so streng wie in Zen-buddhistischen Klöstern üblich. Die Sitzkissen, oder Stühle ohne Beine, helfen uns bei der Meditation über die sechzig Minuten. Sie sind sehr angenehm zum Sitzen. Wir konnten uns gerade noch bremsen zwei solcher Kissen zu kaufen. Unsere gegenseitige Frage: Wohin damit?

Im Anschluss an die Meditation hält der Küchenchef des Zentrums einen Einführungs-Vortag. Er erläutert uns das Abendessen. Gekocht wird mit Liebe! Ohne Cholesterol, ohne Zucker und ohne tierische Fette. Die Süße des Gemüses bringt die Süße im Geschmack. Wir sind gespannt. Im ebenfalls Zen- reduzierten ‚Speisezimmer‘ bekommt jeder seinen Platz zugewiesen. Auf einem Tablett wird die ‚Zenbo Cuisine‘ serviert. Ein wunderbares Gemälde unterschiedlichster Speisezusammenstellungen, wunderbar japanisch dekoriert:

Chirashi-Sushi-Reis mit japanischer Saisonwürze: Halb aus in Awaji geerntetem Reis, vermischt mit Konjak-Reis aus der Konjakwurzel.
(Wir bezeichnen Konjak gerne als Magen-Putzer. Es ist leicht wässrig grau, geschmacklos. In Japan ein häufig benutzter Zusatz, es gilt als natürliches Heilmittel bei Magen-Darmproblemen). Der Reis wird auf einem zunächst zugedeckten Bambusblatt gereicht. Der Küchenchef empfiehlt mit dem Reis von rechts nach links zu beginnen, da sich der Geschmack in dieser Richtung von süßlich über säuerlich bis zur Schärfe hin verändert. Das Ganze kann, je nach Wunsch, mit echtem Wasabi vermischt werden.

Gekochtes Gemüse Arrangement in einer Schale: Zusammengestellt und vorbereitet auf unterschiedlichste Art und Weise. Es enthält unter anderem: gehackte Kartoffeln, Lotus Wurzeln mit Manju, einer beliebten japanischen Süßigkeit. Möhren, Ginko Nüsse und Shimeji Pilze. Die Vorbereitung dieses Gemüses, soll Stunden, bei manchen Gemüsen wegen der Fermentierung sogar Tage dauern.

Gedämpfter Tofu: Hier wurden Gemüse der Saison mit verarbeitet. Zusammen mit Wasabi bekommt es eine gewisse Schärfe.

Yam-Soba-Nudeln: Der Nudelteig ist auch mit Konjak vermischt. Der Dashi-Sud wird zusätzlich mit Nüssen und Pilzen angesetzt, um den eignen Geschmack hervorzuheben. Dazu kann scharfer japanischer Pfeffer noch würzen.

Mont Blanc mit Tofu: Mochi- (lange, zur zähen Masse geschlagener Reis) Küchlein mit süßem Sojaüberzug mit Pistazien- und Mandel-Scheiben

Amasake: Ein fermentierter Reiswein ohne Alkohol, im ‚Zenbo Seinei‘ selbst hergestellt zur besseren Verdauung.

Bei diesem Essen geht es nicht nur um den feinsten Geschmack. Wir sind in einem Zen-Wellness- Zentrum, da geht es um den Genuss für unsere Augen, unsere Zungen, um unsere Würdigung der Zubereitung und unsere Dankbarkeit für die Natur, die uns diesen Genuss ermöglicht. Es verbietet sich von selbst unachtsam das Essen zu verschlingen. Es geht letztendlich darum Achtsamkeit beim Essen in unser Leben zu integrieren. Das ist gelungen. Es ist still, jeder Teilnehmer ist mit seinem Essen beschäftigt.

Nach dem Essen kann jeder für dreißig Minuten machen, was er will. Wir sehen einige, die sich in ihre Zimmer zurückgezogen haben und sich in Shakyo, der Abschrift der buddhistischen Kanjis üben.

Es ist kühl geworden. Jetzt ziehen auch wir den Bärenfellartigen Umhang über, nicht ohne uns mit einem Foto despektierlich darüber lustig zu machen….

Etsuko-San ruft mit einem Gong zum zweiten Teil der Zen-Wellness-Meditation. Zunächst üben wir in einer Teezeremonie  Macha Pulver (Grünteepulver) vermischt mit einem Schuss Kürbispulver, zu grünem Tee zu verarbeiten. Wir staunen, dass eine japanische Teilnehmerin nicht weiß, wie sie das heiße Wasser mit dem Pulver zu trinkbarem grünen Tee vermischen soll. Etsuko-San hilft ihr mit dem kleinem Bambus Besen das Pulver mit dem heißen Wasser so zu schlagen, bis sich an der Oberfläche Schaum und kleine Bläschen bilden.

Kleine Yogaübungen sollen danach unsere Beweglichkeit verbessern und zu unserer täglichen Routine werden. Unsere Leiterin ist das lebendige Beispiel.

Im Anschluss daran verteilt sie kleine Säckchen mit Aromaöl versetzten Zedernholz Würfeln. Das Riechen an diesem Säckchen soll unsere Achtsamkeit stärken. Wir erinnern uns am unsere Monko-Riech- Meditation in Kyoto vor einem Jahr , die wir zunächst nicht verstanden haben. An einem Säckchen schnüffelnde Menschen zu beobachten ist auch heute wieder gewöhnungsbedürftig. Oder sind wir immer noch zu albern, nicht genügend achtsam?

Die Übungen Tee Zeremonie, Monko und Shakyo gehoeren zur buddhistischen Meditation und helfen die Gedanken zu kontrollieren.

Atemübungen sind dazu angetan achtsam zu sein. Atmen wir normalerweise fünfzehn Mal in der Minute, lernen wir mit nur vier Atemzügen auszukommen. Alles eine Frage der Kontrolle und Technik.

Zum Abschluss werden wir noch einmal dreißig Minuten meditieren. Dabei wird das Streichen einer Klangschale unser Gehör verwöhnen.

Wir fühlen uns zum Abschluss dieses Zen-Wellnessnachmittags angeregt und erfrischt.

Draußen ist es dunkel geworden. Mit Verbeugungen verabschieden wir uns.
Wir beide sind uns einig, das könnten wir wiederholen.