Amakusa

Die Fahrzeit der Fähre von Kuchinotsu Port in der Nähe des Hara Schlosses nach Oniike auf der Insel Amakusa Shimoshima dauert nur 30 min. Mit uns werden nur noch ein paar kleinere LKWs und Personenwagen befördert. Es sind nur wenige Menschen an Bord. Das Meer ist ruhig.

Von Oniike geht’s per Leihwagen über Amakusa Hondo, dann über eine wild geschwungene Hochbrücke auf die Insel Amakusa Kamishima in Richtung Matsushima unserem heutigen Ziel. Nach 11/2 Stunden haben wir kurz nach der Autobahnausfahrt das Hotel für die kommenden zwei Tage mit dem erwartungsvollen Namen „Ship To The Firmament“  erreicht.
Leider regnet es die ganze Zeit, die Ankunft, ein Beispiel japanischer Gastfreundschaft, findet lediglich unter Regenschirmen statt. Aus dem Hotel stürzen sich zwei Personen bewaffnet mit Regenschirmen auf uns, bitten uns den Wagen so stehen zu lassen, wie wir ihn gerade angehalten haben, nehmen den kleinen Koffer aus dem Kofferraum und geleiten uns unter ihren großen Schirmen in die Empfangshalle des Hotels. Eincheck-Formalitäten, Einweisung, dann fährt uns der Hotelmanager mit einem Golfbuggy für 4 Personen mit Gepäck zu unserem Zimmer.

Es stellt sich heraus, dass der Manager, Fujimoto-san 21 Jahre im Sengokubara Prince Hotel in Hakone gearbeitet hatte und wir gemeinsame Bekannte aus dieser Zeit haben. Er erfüllte uns jeden Wunsch, konnte jede Frage beantworten, er war die Seele des Hotels. Und, er war ein Kind Amakusas, liebte seine Inseln und war froh, dass wir so viele Fragen an ihn richteten. Von ihm lernen wir auch, dass im Amakusa Dialekt „Domo arrigato – Dandan“ – Dankeschön heisst. Ihm für seinen Service ein fröhliches „dandan“…..
Angesprochen auf seinen Super Service antwortete er sehr bescheiden:
„Ichi-go-ichi-e“. Unser Motto! Wenn Du die Chance hast, nutze sie und gib dein Bestes, Du weißt nicht, ob du diese Chance noch einmal haben kannst.

Der Buggy ist natürlich gegen Regen mit einer Plastikhaube geschützt, wir sollen uns nur ja keinem Regentropfen aussetzen.
Das Zimmer liegt neben dem Empfangsgebäude mit Restaurant und Massageräumen. Ist riesig groß mit Holzbadewanne draußen überdacht, gefüllt mit heißem Onsenwasser (Matsushima Onsen). Es gibt zusätzlich zu den eigentlichen Betten ein riesiges weiteres Tagesbett, auf dem man sich lümmeln, Zeitung lesen oder einfach ausruhen kann. Die Terrasse, obwohl es regnet gibt den Blick frei auf das Meer mit vielen kleineren Inseln und einer der fünf Brücken (Amakusa Gokyo) zur Hauptinsel Kyushu mit dem Flughafen Kumamoto. Einfach wunderbar, trotz des Regens. Wir haben Massagen für uns bestellt, vorher ein kurzes Bad im eigenen Onsen, dann gibt es schon die 60 minütige Doppelmassage mit Kräuterölen und vielem Gelächter.

Das Dinner wird im futuristischen Ankunftsgebäude eingenommen. Das Gebäude sieht aus wie ein großes Schiff, daher auch der anmutige Name „Ship To The Firmament“.
Alles hält, was wir erwartet haben. Das Dinner ist japanische/italienisch. Einfach wunderbar. Wir sind begeistert. Auch wieder vom Manager, der beim Service aushalf und uns immer wieder mit keinen Infos überraschte. Auch damit, dass der Boden auf Amakusa nicht geeignet war Reis anzubauen, so dass die Bauern hier arm waren und es wenig zu essen gab. Wir erinnerten uns an den Grund für die Shimabara Revolution, wie sollten solche Leute die hohe Steuerbelastung, die in Reis abgerechnet wurde, tragen können. Wir konnten langsam verstehen warum es damals zur Revolte gekommen war, die von diesen Inseln ausging.

Vor dem Schlafengehen noch einmal ein heißes Bad auf der Terrasse. Luxus.

Das Frühstück am kommenden Morgen ist mehr als opulent, viel zu viel. Wir werden morgen früh weniger bestellen.

Sakitsu

Schon bald fahren wir los zur Inselrundfahrt, wieder zurück auf die Insel Amakusa Shimoshima, unser Ziel war das Fischerdorf Sakitsu mit der Sakitsu Kirche, auf der gegenüberliegenden Seite von Hondo. Wieder ging es über die wild geschwungene Hochbrücke bei Hondo, dann nach Navi quer durch die Insel. Wir hätten uns besser mal die Karte genauer ansehen sollen, uns führt der Weg an den Vulkanen Kadoyama und später Kashiradake entlang, durch dichteste Bewaldung, engste Sträßchen, die meistens nur eine Fahrbahn für uns und den Gegenverkehr bereit hielten. Eine abenteuerliche Fahrt mit dem sparsamen Toyota Prius Hybrid. Hoch und runter, unübersichtlich, eng und nicht enden wollend. Trotzdem auch solche herausfordernden Fahrten sind einmal zu Ende und nach fast drei stündiger Fahrt kommen wir in das kleine Fischerdorf Sakitsu.

Die Kirche fällt sofort auf. Es gibt geräumige Parkplätze für Touristen, allerdings sind und bleiben wir an diesem Vormittag die einzigen, die dort ihren Wagen parken. Unter Regenschirmen zur Kirche, Schuhe ausziehen. Die Kirche ist schlicht, kein Mensch zu sehen, wir kaufen ein Buch über die „Amakusa Christian Sites“ und lernen auch hier wieder, wie die damals „versteckten Christen“ Kreuze in einer Buddha Figur verstecken mussten, wie sie zB. eine Kinderspiel- figur aus Ton als Maria mit dem Jesuskind verehrten, oder Glaubensmedallien in Holzpfeilern verbargen. Auch sehen wir wieder Abbildungen der „Fumi-e“, das sind die kupfernen Marienbilder, auf die die Christen öffentlich treten sollten, um ihren Glauben abzustreiten…..

In den engen Gassen von Sakitsu gibt es nicht viel zu sehen, also machen wir uns auf den Weg zum Shinto Sakitsu Suwa Shrine, dessen Treppe zum Shrine nur wenige Meter entfernt von der Kirche beginnt. Wir kommen nicht weiter, denn vor einem kleinen Gebäude hängen ein paar Männer rum, die uns beäugen. Wir kommen ins Gespräch und finden heraus, dass es die Fischer von Sakitsu sind, die am frühen Morgen ein Shintofest im Shrine gefeiert haben und jetzt zum Mittagessen zusammengekommen sind. Sie laden uns zur Teilnahme ein, Schuhe ausziehen, in der Küche einige ältere Frauen, die Sashimi, Sushi, Tempura und Gemüse vorbereiten und auf die Tische der Fischer bringen. Die sitzen auf dem Tatamiboden im angrenzenden Zimmer und laden uns sofort ein uns zu ihnen zu setzen und mit ihnen zu trinken und zu essen. An den geröteten Gesichtern erkennen wir, hier wurde schon einige Zeit ordentlich Alkohol getrunken. Die Tische bogen sich unter den leckeren Speisen, uns wurde auch alkoholfreies Bier angeboten – und das in Sakitsu, wie wir meinten am anderen Ende der Welt. Es entspann sich ein herrliches Gespräch. Als Deutsche haben wir wohl immer noch einen großen Vorteil vor anderen Ausländern. Es wurde auf die Freundschaft zwischen Japan und Deutschland getrunken, viele Fragen gestellt, die zeigten, dass die Fischer ganz gut informiert waren.  Dann wurde es religiös, wir diskutierten über das Christentum, einige der Fischer waren Christen, anderen wollten nicht so klar mit der Sprache heraus. Dann auf die Frage, wie sich den der Shinto Shrine und die Kirche vertrügen, eine Aussage, die uns staunen ließ:
„Wir Japaner sind sehr großzügig. Wir haben 8 Millionen Götter, da nehmen wir Euren einen Gott auch mit auf. Auf den einen mehr oder weniger kommt es dann auch nicht mehr an“. Alle freuten sich, lachten darüber. Wir wurden in der kurzen Zeit zu Freunden, die meinen sich schon länger zu kennen. Angesprochen auf ihre Gastfreundschaft uns den Fremden gegenüber, war auch hier wieder die Antwort, die wir schon von dem Manager des „Ship To The Firmamaent“ gehört hatten: „Ichi-go-ichi-e“. Da war es auch wieder, unser Motto! Wenn Du die Chance hast, nutze sie und gib dein Bestes, Du weißt nicht, ob du diese Chance noch einmal haben kannst.

Nach dem Gespräch mit den Fischern brachen wir auf, um auf kürzestem Weg zurück zum Hotel auf der anderen Amakusa Insel zu fahren. Für 17:00 war eine weitere Doppelmassage angesetzt.

Wenig Verkehr auf der Route 266 nach Hondo. Plötzlich ein Menschenauflauf in der Ferne. Endlich war was los, wir bogen in eine kleine Seitenstraße ab und parkten unseren Wagen. Was wir dann sahen ließ uns stauen. Der Menschenauflauf bestand aus lebensgroßen, normal gekleideten Pappmaschee Figuren, Plastikhauben über den Pappmaschee – Gesicherten gegen den Regen. Hier wurde ein ganzes Dorf mit ihren Bewohnern abgebildet. Angler, eine Hochzeitsgesellschaft, Bauern, ein Mann in der Badewanne, hunderte von Figuren, alle durch eiserne Stützen in menschlicher Haltung fixiert. Wir waren verwundert, wanderten durch die Gesellschaft und fotografierten.
Anwesend war nur ein älterer Herr unter einem Regenschutz, ihn sprachen wir an und er erklärte uns, dass vor einigen Jahren einige Senioren begonnen hätten solche Figuren herzustellen, „Just for Fun“. Daraus hätte sich das entwickelt was wir heute hier sehen.
Alle Leute des Dorfes machen mit, und jetzt wollen sie ihre Figuren auch auf diesem Feld ausstellen, auch nur zum Spaß. Wir dankten ihm und fuhren weiter.
Der 17:00 Termin rückte näher. Auch das heiße Bad vor der Massage, also ging es wieder über die wild geschwungene Hochbrücke bei Hondo, wir kennen den Weg schon, es läuft wie geplant.

Massagen, Dinner wieder unschlagbar, heißes Bad auf der Terrasse. Am kommenden Morgen ist Abreise nach Kumamoto zur Rückflug nach Tokyo/Haneda.

Rückflug nach Haneda

Diesmal nehmen wir die Strecke über die fünf Amakusa Brücken in Richtung Kumamoto. Teilweise führt die Straße am Meer entlang über die fünf schönen Brücken, die Amakusa mit einer der Hauptinseln Japans, Kyushu, verbindet. Kurz vor Kumamoto, sehen wir Häuser, abgedeckt mit den in Japan so üblichen blauen Plastikbahnen. Wir denken uns nicht dabei, sehen nur, dass es immer mehr werden. Kurz vor der Autobahneinfahrt nach Kumamoto wird dann gewarnt, dass wir wegen der vielen Baustellen nur max. 80 km schnell fahren dürften. Da erst wurde es uns bewusst: vor einem Jahr, am 14. April 2016, gab es in Kumamoto und Umgebung ein großes Erdbeben (Stärke 6.5 – 7.3) mit 225 Toten und Verletzten und dem teilweise stark zerstörten Schloss von Kumamoto. Wir hatten es schon verdrängt, die zerstörten Häuser mit den blauen Plastikbahnen sowie die vielen Baustellen erinnerten uns daran. Wie schnell der Mensch doch verdrängen und vergessen kann!

Die Fahrt dauert ca. 11/2 Stunden, am Flughafen nimmt Toyota den Leihwagen wieder in Empfang und mit ANA geht’s zurück nach Haneda. Der Flug mit entsprechendem Rückenwind dauert nur 1:10 und wir sind zurück in der uns bekannten, hektischen Welt der japanischen Großstädte.

Ein Blick auf unsere einwöchige Reise zu den „versteckten Christen“:
Wir können durch unsere Besuche von Museen und Kirchen in den Präfekturen Nagasaki und Kumamoto bestätigen, was Shusaku Endo in seinem Buch „Schweigen“ geschrieben hat, und was im Film von Martin Scorcese „Silence“ so lebendig gezeigt wird. Der Katholizismus ist dort noch stark verbreitet und es gibt so viele Kirchen, die immer noch von Gläubigen besucht werden, das hat uns erstaunt. Ein Ergebnis dieser Reise: wir wollen hin und wieder unseren Standort und unsere Perspektiven wechseln um unser Gesichtsfeld auch weiterhin verbreitern zu können. Die Freundlichkeit und ausstrahlende Ruhe der Menschen, die wir getroffen haben sind Anreiz wieder auf die Insel Kyushu zu fliegen.

Natürlich ist der Atombombenabwurf am 9.8.1945 in Nagasaki immer in unseren Köpfen geblieben. Ob der Unsinn mit der Atombombe zu drohen jemals aufhören wird. Darauf war unsere Antwort auch: „Schweigen“.

Dass wir „ichi-go-ichi-e“ zweimal während unserer Reise gehört haben, zeigt uns, es gibt noch immer Menschen, die die alten Weisheiten der Japaner in die „Neuzeit“ gerettet haben, ohne sich dabei verstecken zu müssen.