Eine Begegnung im vergangenen Jahr
im Hotel DogoKan, in Dogo Onsen/Shikoku/Japan

Die Menschen auf Shikoku, der kleinsten der vier japanischen Hauptinseln, scheinen sehr gastfreundlich und mitteilsam zu sein.

Schon der Taxifahrer, der uns von der Fähre aus Hiroshima vom Hafen in Matsuyama nach Dogo Onsen zum Hotel DogoKan gefahren hatte, war sehr gesprächig. Auf der halbstündigen Fahrt teilte er sein umfassendes Wissen mit uns, so klärte er uns ausführlich über die beste Anreisemöglichkeit zum Schloss in Matsuyama auf. Er zeigte uns die einzige Stelle am Parkplatz neben dem Hotel DogoKan, von wo aus wir sehen können, dass das Hotel wie ein großes Kreuzfahrtschiff gebaut wurde. Er meinte auch, dass wir unbedingt die 60 km lange Fahrt über die hohen Brücken des Shimanami Kaido machen sollten. Dieser Highway verbindet die Stadt Imabari auf Shikoku über die sechs Inseln in der Seto Inland See – Oshima, Hakatajima, Omishima, Ikuchijima, Innoshima und Mukaishima – mit der Stadt Onomichi auf der Hauptinsel Honshu. Natürlich sind wir später seinem Rat gefolgt. Wunderbar. Hoch oben über dem tosenden Meer, unvergessliche, teils atemberaubende Blicke über das Wasser und die Schönheit der Landschaft. Eigentlich wollten wir ein Fahrrad mieten um diese Brücken und Inseln zu überqueren. Übrigens die einzigen Seebrücken zwischen Shikoku und Honshu, die zu Fuß zu begehen, beziehungsweise mit dem Rad zu befahren sind. Aber starker Wind und die Kürze der Zeit hielten uns davon ab. Also fuhren wir die Strecke mit dem Auto ab und können daher vom Brücken – Insel –  Hopping und der gelungenen Verbindung von Natur und Hochtechnologie im japanischen Brückenbau berichten. 

Unser Taxifahrer informierte uns außerdem, dass wir bei Anmietung eines Leihwagens in Matsuyama darauf bestehen sollten, dass uns die Leihwagen Gesellschaft das Auto zum Hotel nach Dogo Onsen bringen sollte. Seine hohe Stimme mit den schnell dahin gesprochenen Sätzen haben wir selbst heute, einige Monate später, noch in unseren Ohren. Auch mit dieser Empfehlung hatte er recht. Als wir am letzten Tag auf Shikoku bei Toyota Rent-a-car ein Auto telefonisch anmieteten, holten sie uns auf Anfrage zwar nicht vom Hotel ab, schickten uns aber ein Taxi, das uns auf ihre Kosten zu ihrem Standort nach Matsuyama brachte.


Bei Einchecken im Hotel  fragten wir den Concierge, ob wir uns am nächsten Tag das berühmte Teehaus des Hotels auf der zweiten Etage ansehen könnten. Wir machten eine Reservierung für den kommenden Mittag.

Nach dem Frühstück, als wir gerade an der Rezeption vorbei kamen, fragte uns der Concierge, ob wir jetzt schon für die Besichtigung des Teehauses bereit wären. Zu uns kam daraufhin ein freundlicher Herr im dunklen Anzug um uns zum Teehaus zu führen.

Das Teehaus ist nach einer Original Zeichnung aus dem 15 Jahrhundert entstanden. Es ist eine Kopie des Hauses, dessen Original Furuta Oribe (1544 -1615), ein Daimyo (Landesfürst) und damals sehr bekannter Teezeremonien Meister, für seine Teezeremonien benutzt hatte. Es steht in einem kleinen japanischen Garten auf einer Außenterrasse, betreten werden kann es – natürlich ohne Schuhe – nur durch einen kleinen Einstieg in stark gebückter Haltung. Unser Begleiter, wir dachten, dass er der Teezeremonien Meister wäre, kam durch eine Hintertür zu uns. Nicht achtend auf die akkuraten Bügelfalten seiner Anzughose kniete er sich hin und setzte sich auf seine Fersen. Er bat uns ihm gegenüber Platz zu nehmen. Da saßen wir sehr dicht beieinander und lauschten seinem Vortrag über den Sinn und die Gebräuche der Teezeremonie. Wir möchten nur ein kleines Beispiel aus seinem Gespräch mit uns herausnehmen:

„Natur“, so sagte er uns, „unterliegt ständigen Veränderungen. Zu jeder Jahreszeit verändern sich die Pflanzen, das Wetter, unsere Umgebung. Um uns das zu vergegenwärtigen wird in einem Teehaus in einem Tokonoma, das ist eine Nische, in der ein Blumengesteck aufgestellt, und ein zu jeder Jahreszeit passendes Rollbild aufgehängt wird. 

Wenn wir dies bewusst beobachten, erkennen, bemerken, respektieren und auch annehmen, das heißt achtsam sind, können wir in einer Teestunde die Begegnung mit dem Gastgeber und der Natur respektieren. Den Moment des Zusammentreffens als einzigartig ehren, als eine heilige Handlung ansehen, die so nie wieder stattfinden wird. In der Teezeremonie wird dazu die Philosophie in einer Kalligraphie dargestellt

„Ichi go Ichi e“ – „eine Begegnung, eine Gelegenheit“

Das heißt, handle so, als ob diese Teezeremonie einzigartig ist, die Gelegenheit für das Zusammentreffen, das so nie wieder vorkommen wird.  Wir könnten auch sagen, gib alles für den Moment. Unser Gastgeber an diesem Vormittag im Teehaus vom Hotel DogoKan selbst war dafür das beste Beispiel. Doch er wollte noch ein Beispiel aus dem normalen Leben mitteilen:

„Ein Gastgeber tut für seine Gäste alles, zur Saison, zum Anlass und zu den Gästen passender Blumenschmuck, das entsprechende Rollbild oder Dekoration, die verwendeten Teeschalen und andere festliche Tischgegenstände, ein besonderes Essen. Das alles muss vom Gastgeber sorgfältig ausgewählt werden. Als Gast musst Du andererseits auch das Wissen und das Verständnis um die Kultur und die Kunst mitbringen, sonst kannst Du die Wertschätzung des Gastgebers nicht würdigen. Das ist genau der Punkt der Achtsamkeit. Ohne die und die vielen Detailkenntnisse über Blumen und Ikebana (die Blumenstecken Kultur), über ausgesuchtes Porzellan, die Geschichte, Philosophie und Kaligraphie ist es fast unmöglich die Bedeutung zu verstehen,  das heißt Gast bei einem perfekten Gastgeber zu sein. Dazu kommt dann noch tiefe Kenntnis  über japanische und chinesische Gedichte und philosophische Sprüche zu haben. Manchmal ist es daher für eine intellektuelle, interessante Konversation schwieriger der Hauptgast als der Gastgeber selbst zu sein. Und als Gast musst Du das spüren können sonst ist es von Gastgeberseiten vergebene Liebesmühe. Ohne Bildung kein gesellschaftliches Leben.

Wenn das alles für Dich als Gast gemacht wurde, kannst Du Dich fragen, warum hat der Gastgeber das für mich getan?
Bin ich etwas ganz Besonderes?“

Schmunzelnd gab er dann noch ein kleines Beispiel aus dem Alltag zwischen Mann und Frau:

„Als Ehemann kannst Du besonders aufmerksam gegenüber Deiner Frau sein, ihr Blumen mitbringen, Komplimente machen, ihre Hausarbeit achten, so dass sie denken muss, was bin ich doch für eine besondere Person für ihn, dass ich so aufmerksam behandelt werde“.

Als wir unserem Führer durch das Teehaus davon berichteten, dass „Ichi go Ichi e“ das Motto unserer geschäftlichen Aktivitäten gewesen war, vielleicht sogar der Schlüssel unseres Erfolgs unserer Geschäfte zwischen Japan und Deutschland, wurde das Gespräch immer lebendiger. Unser jetzt immer weiter ausgedehntes Gespräch und die Diskussion mit unserem Gastgeber über „Ichi go Ichi e“ wurde zur Reise in unsere Vergangenheit. Er hatte wohl Spaß an uns gefunden, daher beschloss er uns nach dem Teehausgespräch auch noch das Hotel zu zeigen.

Zunächst einmal zum Architekten, Kisho Kurokawa (1934 – 2007), ein in Japan bedeutender Architekt, Mitbegründer der „Metabolismus Architektur“. Früherer Mitarbeiter von Kenzo Tange (1913 – 2005), dem weltweit geachteten Architekten. Kisho Kurokawa ging es in seiner Architektur um die Abbildung des natürlichen Lebenszyklus. Mit flexiblen Antworten auf natürliche Veränderungen und Anforderungen. Das DogoKan war sein erster Auftrag für ein japanisches Hotel, einen eigentlich traditionellen Ryokan.

Das Hotel wurde vor ca. 30 Jahren als ein großes weißes Schiff gebaut, nur richtig zu erkennen von der Stelle, die uns der Taxifahrer bei unserer Hinfahrt gezeigt hatte. Der Grund dazu wurde von unserem Gastgeber schnell aufgeklärt: „ Die Inhaberfamilie war über Generationen hinweg in der Schifffahrt tätig und hatte Fähren zwischen der Hauptinsel Honshu und Shikoku betrieben. Durch die Brückensysteme, den schon erwähnten Shimanami Kaido und die Seto Ohashi Brücken weiter im Norden ging der Fährverkehr zurück. Das neue Geschäftsfeld – der Betrieb eines großen Hotels im seit mehr als 3.000 Jahren für seine heißen Heilquellen bekannten Badeort Dogo Onsen. Hier konnte Kisho Kurokawa seine Philosophie der Architektur verwirklichen, Koexistenz oder Symbiose, neu und alt, modern und klassisch, Westliches und Japanisches sowie Natur und Künstliches zusammen mit der Anpassung an die Bedürfnisse der Besucher, verbunden mit dem Zyklus des Durchreisenden in der alter Zeit.“

Und immer wieder Wasser, das uns über Etagen begleitet, das über einen Wasserfall auf die Straßenebene fällt, sich durch die weite Empfangshalle schlängelt, überbrückt von einer Holzbrücke, bis es vor den hohen Fenstern ins Meer fließt. Das hatten wir gesehen, aber wir konnten den Sinn ohne die Erklärung nicht verstehen.

Kisho Kurokawa hatte die in früheren Zeiten beschwerliche Reise der Pilger zum Ise Shrine nachgebildet. Das waren Wallfahrten zum allerheiligsten Shinto Shrine, die man damals nur einmal im Leben machen konnte. Meistens bezahlt durch Sammlungen der japanischen Dorfgemeinschaften, die dann einen oder zwei Bewohner losschickten, um zum Shrine zu wallfahren und von dort ein Andenken, ein Omiyage, mitzubringen. Diese Wallfahrt auf den Pilgerpfaden nach Ise wird im Hotel durch viele architektonische Details wunderbar nachgestellt. Shikoku ist in Japan sehr bekannt für seine Pilgerreisen zu den 88 Tempeln, daher sind die Einwohner von Shikoku auf Reisende eingestellt. OMOTENASHI ist ihnen angeboren. So finden wir häufig an den Pilgerwegen die Einladung: „Bei uns sind Sie willkommen eine Tasse Tee zu trinken.“ Das nennt man hier OSSETTAI (Almosen geben)

Das uns begleitende Wasser im DogoKan ist die Darstellung des heiligen Flusses Isuzu, der durch das bewaldete, riesige Gelände des Ise Shrines fließt und den Pilger auf seiner Reise dorthin begleitet. Er fließt vorbei an der Ladenstraße “Oharai-machi“ und “Okage-Yokocho“ mit ihren imposanten herrlichen japanischen Verkaufshäusern. Im DogoKan übertragen durch einen sehr geschmackvollen Omiyage (Mitbringsel) Laden.

Wer als Pilger das Gelände des Ise Shrines betritt, kann dies nur über die Uji-Brücke, die sich an das Ende der “Oharai-machi“ Straße anschließt. Und, vor dem Besuch des Allerheiligsten und noch vor der “Uji-Brücke“ reinigen sich die Pilger die Hände mit der Schöpfkelle und spülen den Mund aus. Auch das wird im übertragenen Sinne im Hotel angedeutet. Ganz besonders stellt Kisho Kurokawa den Übergang über die Uji-Brücke im Hotel durch eine Brücke mit rot lackierten Handläufen nach, bevor der heilige Fluss sich im Meer aus weißen Kieselsteinen an der Seite des Hotels verläuft.

Da alles so perfekt aufeinander abgestimmt ist, überkam uns das Gefühl, dass im DogoKan „Ichi go Ichi e“ nicht nur architektonisch verwirklicht wurde, sondern auch gelebt wird.

In der Halle verabschiedete sich unser Gastgeber für diesen Vormitttag, wir tauschten die Visitenkarten aus – und zu unserer Überraschung:
Hideharu Ito, war der General Manager dieses wunderbaren Hotels in Dogo Onsen auf der Insel Shikoku.

Bei unserer Abreise kam er noch einmal zu uns. Er hätte unsere Website shoganai.com gesehen und wäre tief beeindruckt von unseren Schilderungen. Er übergab uns verschiedene Informationen und Postkarten über Dogo Onsen sowie von einem Shinto Shrine geweihte Talismane mit auf den Weg. Er würde sich über ein Widersehen freuen.
„Ichi go Ichi e“ in Perfektion. Durch seine ruhige, fast stille, unaufdringliche Gastfreundschaft hat er mehr erreicht als jedes schreiende Prospekt es jemals könnte. Ito-san war die Verkörperung von Omotenashi und Ichi go Ichi e. Beeindruckend.Gespräche mit solchen Menschen sind die Würze in unserem ereignisreichen Leben.