Ankunft in Nagasaki

Vom Flughafen Tokyo/Haneda nach Nagasaki im Süd-Westen Japans dauert der Flug nur 2:10. Der Landeanflug über kleinere, grün bewaldete Inseln und Inselchen gibt einen ersten Blick frei auf eine andere japanische Welt. Bewegtes Meer, hügelige Inseln und dann die Landung knapp über dem Wasser. Der Flughafen liegt auf aufgeschüttetem Land, einer Flughafeninsel und ist mit dem Festland nur über eine Brücke zu erreichen. Das NAGASAKI zur Begrüßung auf dem Flughafengebäude weckt Erwartungen auf Fremdartiges, auf etwas Geheimnisvolles, auf Entdeckungen. Unsere Neugierde wird schon bei einem ersten Blick aus dem Flugzeugfenster geweckt.  Es gibt keinen riesigen, internationalen Flughafen, hier geht alles auf kurzem Weg.

Direkt vor dem Flughafengebäude werden Tickets für den Linienbus in die Stadt Nagasaki verkauft, der Bus wartet schon auf uns und die meisten Reisenden unseres Fluges, Koffer werden verstaut, später kommende Passagiere müssen auf Notsitzen zwischen den Sitzreihen Platz nehmen, und schon geht es durch die kleine Stadt Omura zum Nagasaki Expressway. In der Stadt hält der Bus einige Male, die meisten Reisenden steigen an Nagasaki Station aus. Wir sind überrascht, dass der Fahrer unseren Koffer hier nicht schon aus dem Kofferabteil herausgeholt hat, sondern erst an der Haltestelle direkt vor unserem Hotel „The Hotel Nagasaki“. Die Fahrtzeit beträgt ca. 1 Std. in Japans Süd-westliche Inselwelt, zugehörig zu einer der vier Hauptinseln Japans, der Insel Kyushu.

Nagasaki

Schon vom Bus aus sehen wir, das ist eine andere Stadt als die gewohnten Großstädte wie Yokohama/Tokyo/Osaka oder Kyoto. Wir glauben eher in Taiwan, als in Japan zu sein. Es ist der erste Eindruck, eine Mischung aus Okinawa und Taiwan. Was auch sofort ins Auge sticht, sind die vielen, blauen, roten oder gelben Straßenbahnen, die mit teilweise 80 Jahre alten Wagen, die Stadt beleben. Da die sich ziemlich weit am Hafen und dem Urakami Fluss entlang erstreckt, benutzen wir später auf unseren Besichtigungstouren die fünf Linien des dichten Straßenbahnnetzes wie ein „Vaporetto“ in Venedig. Für je Yen 500 (EUR4,00) kaufen wir eine Tageskarte im Hotel und fahren zunächst wieder direkt vor dem Hotel los zum Peace Park, nur ein paar Haltestellen entfernt. Schnell lernen wir, dass wir die hintere Türe zum Einstieg benutzen sollen, um uns dann – auch bei überfüllter Bahn – an der Ausstiegshaltestelle nach vorne zum Fahrer durchzuschlängeln. Dort zeigen wir ihm unser Tagesticket. Wer Yen 120 für eine einfache Fahrt bezahlt und kein passendes Kleingeld hat, wechselt eine 500 Yen Münze oder einen 1000 Yen Schein am automatischen Geldwechsler, am Zahltisch des Fahrers, so dass man aus der Maschine das passende Kleingeld erhält und dem Fahrer abgezählt in seine Zahl Box werfen kann. In der Bahn gibt es kein Gedränge, jeder rückt sich zurecht, um von hinten kommende Fahrgäste zum Fahrer durchzulassen. Es herrscht auch keine Eile, keine Hektik, manche Leute erheben sich erst von ihren Sitzen um nach vorne zu gehen, wenn die Bahn schon länger angehalten hat. Und das Wunderbarste, der Fahrer sagt jedem Fahrgast beim Ausstieg: „Domo Arigato“ Dankeschön!

Der Peace Park

Natürlich verbinden wir Nagasaki zunächst einmal mit dem Atombombenabwurf der Amerikaner am 9. August 1945. Wir wollen das „Hypocenter“ und den nicht weit davon entfernten Peace Park besuchen. Erinnerungen an unsere niedergeschlagenen Gefühle bei unseren Besuchen von Hiroshima kommen auf. Wir sind wieder einmal überrascht, der Peace Park ist weitläufiger, es herrscht eine positivere Stimmung als wir sie in Hiroshima empfunden hatten.

Über eine lange Rolltreppe fahren zunächst hoch zum Park. Am weit entfernten Ende beherrscht seit 1955 eine 10 m hohe, 30 Tonnen schwere, grünliche Bronzefigur, gegossen von Seibo Kitamura, den großzügigen Platz des Peace Parks. Der Park selbst ist Ausdruck für den erbetenen Weltfrieden, der halbnackte Mann auf dem Podest zeigt mit dem rechten Arm in den Himmel – der Richtung, aus der die nukleare Bedrohung kommt. Sein linker, seitlich ausgestreckter Arm, der in einer flachen Hand endet, ist das Symbol für ewigen Frieden. Seine geschlossenen Augen bitten im Gebet für die ewige Ruhe aller Kriegsgefallenen.

Zwischen der Friedensstatue und dem Friedensbrunnen am anderen Ende des Parks wurden in einer seit 1978 angelegten „Symbol Zone für den Welt Frieden“ Monumente, Geschenke von weltweit 16 Städten, aufgestellt. Uns besonders beeindruckt hat das Monument „Protection of Our Future“, ein Beitrag der holländischen Stadt Middelburg, eine nackte Mutter, die sich über ihr Kind beugt um es vor der atomaren Bedrohung zu beschützen.

Am Anfang des Parks, der „Fountain of Peace“, der hier 1969 errichtet wurde. Er soll der Menschen gedenken, die mit ihren starken Verbrennungen durch die Trümmer herumgegeistert sind und „Wasser, Wasser“ geschrieben haben. Auf dem schwarzen Stein vor dem Brunnen stehen die Worte eines damals gerade 9 jährigen, heftig verbrannten Mädchens: „Ich war sehr durstig. Ich bemerkte zwar, dass das Wasser mit einer dicken, öligen Schicht bedeckt war. Ich war aber so durstig, dass ich es getrunken habe, so wie es eben war.“ Da standen wir dann davor und sprachen darüber, dass die Menschheit eigentlich nichts aus der Katastrophe von 1945 gelernt hat.

Der Hypocenter „Ground Zero“

Der Weg von der Friedensstatue zum Hypocenter ist kurz. Hier steht exakt an der Stelle, wo die Bombe am 9. August 1945 um 11:02 in 500 Meter Höhe explodiert ist, ein Monolith umgeben von symbolischen Kreisen, die die Vernichtung über die Stadt gezogen hatte.

Daneben eine Backsteinwand von der nahe gelegenen und zerstörten Urakami Kathedrale. Zur Erinnerung: am 9. August 1945, gerade mal 3 Tage nach dem Abwurf der Atombombe in Hiroshima, wurden durch den Abwurf der Plutoniumbombe mit dem bezeichnenden Namen „Fat Man“ etwa ein Drittel der Stadt zerstört und ca. 150.000 Menschen direkt getötet und/oder verletzt. Beide Parks regen zum Nachdenken an. Auch 72 Jahre danach, besonders unter dem Eindruck sich deutlich verschärfender Bedrohungen durch das Atomwaffen Arsenal von Nord-Korea, können wir nicht begreifen zu was Menschen fähig sind, und ob wir überhaupt aus der Geschichte lernen können oder wollen. Das macht übrigens auch schweigsam.

Die Urakami Kathedrale

Hinter der Peace Statue können wir von leicht erhöhter Position einen ersten Blick auf die nur 500 Meter entfernte, in rotem Backstein gehaltene Urakami Kathedrale werfen. Der heutige Stadtteil von Nagasaki, früher das Dorf Urakami war seit Mitte des 16. Jahrhunderts das christliche Zentrum Japans.

Nach Freigabe der Religionszugehörigkeit 1863 und Rückkehr der ersten 1.900 Christen, wurde hier im Laufe von 30 Jahren, von 1895 bis 1925 eine Kathedrale errichtet. Sie war zu dieser Zeit die größte romanische Kirche im Fernen Osten. Am 9. August 1945 wurde sie vollständig zerstört, von den damals 12.000 Gemeindemitgliedern kamen 8.500 Mitglieder ums Leben. Die Urakami Kathedrale wurde an derselben Stelle im Jahr 1959 in seiner heutigen Form wieder aufgebaut. Sie ist innen sehr schlicht gehalten, aus der zerstörten Kathedrale wurde der Kopf der Marienstatue, die vor der Atombombe über dem Altar gestanden hatte, aus dem Schutt geborgen. Der Kopf wird heute als Mahnung für Weltfrieden in einer Seitenkapelle der Kathedrale gezeigt.  Verschiedene, teilweise beschädigte Monumente der alten Kathedrale sind auf dem Gelände sowie im Hypocenter aufgebaut. Der bei der Explosion der Plutoniumbombe abgestürzte Glockenturm der alten Kathedrale liegt heute noch als Mahnmal nur etwa 50 Meter vom Eingang entfernt. In der näheren Umgebung der Kathedrale sehen wir verschiedene hohe Gebäude, aus denen christliche Gesänge zu hören sind. Sie gehören zur katholischen Gemeinde in Nagasaki, solche Gebäude, Schulen und christliche Wirkungsstätten entdeckten wir bei späteren Rundgängen überall in der Stadt an prominenten Stellen.

Hügel der 26. Märtyrer
Nicht weit vom Bahnhof Nagasakis entfernt stehen das Museum und das Mahnmal der 26 Heiligen auf dem Nishizaka Hügel. Hier wurden am 5. Februar 1597 auf Anordnung von Hideyoshi Toyotomi, dem Vorgänger des Tokugawa Shogun, 26 Christen umgebracht, darunter sechs ausländische Missionare und drei junge Männer. Sie wurden in Kyoto und Osaka wegen Verbreitung des damals verbotenen Christentums verhaftet. Von dort wurden sie 800 km durch Eis und Schnee bis zum Nishizaka Hügel getrieben und als Abschreckung der trotz Verbots immer noch aktiven Christen in Japan vor einer großen Menschenmenge gekreuzigt. Heute zeugt ein eindrucksvolles Mahnmal der 26 Heiligen von dieser Tat, auch hier Mahnung an den Weltfrieden und Freiheit der Religionszugehörigkeit. Ein erstes Zeichen für unsere weitere Suche nach den 250 Jahre lang „versteckten Christen“ in Japan.

Ein ganz anderes Thema folgt: