NIPPONIA – eine japanische Vision, die uns begeistert …
Episode Teil 1

Jun Tarikino, den Gründer und CEO der Value Management Corporation in Osaka/Japan haben wir selbst bisher nicht getroffen. Doch durch sein Projekt NIPPONIA verbreitet er eine anziehende Ausstrahlung, die auch uns in seinen Bann gezogen hat.

NIPPONIA in Sasayama

Zuerst kamen wir auf einer Fahrt durch die Hyogo Präfektur, zwischen Kyoto und Himeiji in der kleinen Stadt Sasayama mit NIPPONIA in Berührung. Uns hatte vor einigen Monaten der Internetauftritt über das NIPPONIA Castle Town Hotel mit der Überschrift „Where history comes alive …“ angesprungen. Das wollten wir uns auf unserer Reise von Kyoto nach Himeiji ansehen.

Der erste Eindruck: dieser Ort ist überschaubar, zur Mittagszeit schien das Leben hier ausgestorben zu sein. Das Schloss mit seiner einmaligen Lage inmitten des Städtchens bis auf die Grundmauern abgetragen. Es gibt nur noch die im Rechteck angeordneten Grundmauern.

Doch die teilweise 400 Jahre alten, wunderbar restaurierten, japanischen Häuser stechen sofort ins Auge. Und genau diese Häuser in Verbindung mit dem
entschleunigten Leben in Sasayama bieten unserer Seele das an, was wir und
sicherlich viele Ausländer und auch Japaner im hektischen Japan suchen.
Eine Zuflucht in die japanische Vergangenheit mit teilweise museumsreifer Historie, ruhige, dörfliche Ursprünglichkeit mit engen Dorfstraßen, auch etwas Morbides, überdeckt von liebevoller Detailarbeit bei der Restauration dieser alten Häuser.
Eine Wiederentdeckung des alten Japans, das es so in Tokyo oder in Yokohama nicht mehr gibt. Danach suchen wir immer wieder so wie andere nach Antiquitäten suchen. In Sasayama haben wir so etwas Gesuchtes gefunden.

Was uns bei der Vorfahrt zum Haupthaus sofort auffällt sind die großen weißen „Noren“, (Vorhänge vor der Eingangstüre, die ein Restaurant oder Hotel anzeigen). Sie bewegen sich leicht im Wind, sie laden uns ein, einzutreten, uns umzusehen und neugierige Fragen zu stellen. NIPPONIA steht in großen schwarzen Buchstaben auf den „Noren“.

Es gibt weitere fünf alte, wunderbar restaurierte Häuser, die etwas verstreut in Sasayama rings um das ehemalige Schloss liegen. Gegenüber dem Haupthaus
stehen jede Menge Parkplätze auf ehemaligen, bereits abgerissenen Häusern zur Verfügung. Wir können unseren Wagen parken und eintreten.
„Dürfen wir hier stören?“, das ist unser erster Eindruck. Große dunkle Steinplatten bedecken den Boden im Eingangsbereich, altes, dunkles Holzwerk. Das ist der Empfang. Wir werden freundlich begrüßt, sagen, dass wir uns nur umsehen und die Toilette benutzen möchten. Kein Problem, „bitte schauen sie sich alles an“.
Wir kommen nach dem Eingang direkt in die alte Küche. Unebener Steinboden, gemauerte, schwarz gekachelte Küchenzeile mit drei alten, heute nicht mehr
eingesetzten Reisdämpfern. Dunkle, ehemals schwarz gestrichene Holzwände, jetzt vom jahrzehnte-langen Gebrauch abgewetzt und so erhalten, also nicht auf neu renoviert. Museal, so wie es früher eben war, dazu ein hölzernes Telefonhäuschen. Auch das so restauriert, aber so belassen, wie man es sicherlich vorgefunden hatte. Im Haupthaus befindet sich auch die Rezeption für die weiteren fünf Häuser in Sasayama. Jedes Haus bedeutet, dass das Haus oder ein Zimmer vom Haupthaus mit Restaurant und Frühstücksraum verwaltet wird. Der ganze Ort, so die NIPPONIA Philosophie, ist das Hotel. Wer nicht im Hotel essen möchte, kann das draußen im Ort tun, allerdings haben wir bei unserem kurzen Besuch kein adäquates Restaurant gesehen. Uns umgibt der Charme des vergangenen, ländlichen Japans. Wir fragen uns, was das heißt, dass der ganze Ort das Hotel ist. Haben dafür keine richtige Idee, vielleicht kommt uns die Erleuchtung später.

Wir fahren weiter zu unserem heutigen Ziel nach Takeda, wo es weitere NIPPONIA Häuser, oder besser gesagt Hotels gibt. Oberhalb dieses romantischen Ortes, auf einem Bergrücken, können wir über ein kleines Flüsschen und die Bahngleise hinweg das bekannte, bis auf die Grundmauern abgetragene Takeda Schloss in einem Meer von Wolken erkennen. Abends werden diese Mauern angestrahlt und lassen die früher einmal gewaltige Ausdehnung so erahnen.

Die „NIPPONIA Zentrale“ von Takeda ist in der ehemaligen Sake-Brauerei „The old Kimura Distillery“ untergebracht. Ein weiter Komplex mit verschiedenen zweigeschossigen Hausteilen und weiten Hofflächen. Die Kommune Takeda und das Hotel teilen sich den alten Komplex. Ein Teil wird für das Kimura Sake – Museum verwendet, ein anderer Teil ist Treffpunkt für Workshops. Der Empfang des Takeda NIPPONIA Hotels ist ebenfalls dort untergebracht. Die Böden bestehen aus festgestampftem Lehm. Große, in den Boden eingelassene Eisen-Bottiche, in denen früher der Kimura Sake gebraut wurde geben eine Vorstellung der alten, vergangenen Zeit. Auch hier finden wir wieder eine gemauerte Küchenzeile, sofort kommen Gedanken auf, dass es so bereits in Pompeji ausgesehen haben mag. Die Öffnungen für die Reisdämpfer auf den gemauerten Kochstellen ähneln sich sehr. Nur, dass in der Kimura Distillery die Kochstellen mit schwarzen Mosaiksteinen besetzt wurden. So haben die Menschen früher schon gekocht, heute ist das museumsreif.

In dem Raum, der als Informationszentrum für die Kommune Takeda, aber auch als Empfang für das NIPPONIA dient, steht unter Glas ein Modell des Schlosses auf dem gegenüberliegenden Bergrücken. Wir hatten überall Zugang, stellen uns wieder die Frage, ob wir nicht den Ablauf des Hotels stören. Bis auf die Zimmer in der zweiten Etage, haben wir überall unkontrollierten Zutritt. In Deutschland unmöglich, in Japan normaler Alltag.

Wir konnten im NIPPONIA Takeda für den Tag das gewünschte Zimmer nicht buchen, daher wohnen wir in einem erst kürzlich neu entstandenen Hotel nebenan, werden dort fürstlich bewirtet. Dennoch schlichen wir abends noch interessiert um die Kimura Distillery herum.
Bei nächster Gelegenheit wollen wir ein NIPPONIA Hotel ausprobieren.
Uns beeindruckt das Konzept, die Verbindung der Vergangenheit mit aufwändiger Restaurierung, die dennoch die Gebrauchsspuren der Jahrhunderte nicht gänzlich verbirgt. Eine Symbiose von Neuzeit mit einem Zeitsprung in das ländliche Japan 100 bis 120 Jahre zurück in die Meji- (1868 – 1912) oder Taisho Zeit (1912 – 1926), vielleicht sogar schon davor.

NIPPONIA in Sawara 

Endlich haben wir es geschafft. Wir können in der alten Stadt Sawara in der Chiba Präfektur, nur etwa 2 Stunden entfernt von Tokyo, ein Zimmer im NIPPONIA Sawara für eine Nacht buchen. Schon die Einfahrt in das kleine, ehemals wohl sehr reiche Städtchen Sawara versetzte uns in das Japan der von uns gesuchten, japanischen Vergangenheit. Sawara war in der Edo Zeit, einige hundert Jahre zuvor, reich geworden. Handel und Reistransporte nach Tokyo auf dem kleinen Flüsschen, das mitten durch Sawara fließt, bestimmte das Leben. Mehrere Brücken, überqueren den Fluss. Auf einer sehr romantischen, malerischen Holzbrücke stehen mittendrauf zwei Bänke. Es fehlen jetzt nur noch die lustwandelnden Geishas in ihren Kimonos, mit ihrem funkelnden Haarschmuck, unter kleinen Sonnenschirmen. Zusammen mit den niedrigen alten Holzhäusern am Ufer des Flüsschens erleben wir eine fast kitschige Postkarten Atmosphäre. Die enge Straße zwischen den Häusern und dem Flüsschen lädt zum Bummeln und Träumen von vergangenen Zeiten ein, eine wirklich japanische Traumkulisse. Und, wie wir erfahren, werden hier Werbefilme gedreht, alt-japanischer geht es gar nicht mehr. Traumhaft. Es ist schon zu spät für eine Bootsfahrt auf dem Flüsschen, das planen wir morgen, vor unserer Abreise nach Yokohama zu machen.

Direkt an der Hauptbrücke lädt das NIPPONIA Haupthaus „Geisho“ mit dem schon bekannten Noren ein. Das ist die Zentrale für die verschiedenen Zimmer oder Häuschen sowie für das Restaurant.
Auch hier wieder Restaurierung nur soweit wie nötig, sicherlich mit Anpassung an die baupolizeilichen Vorschriften, aber unter Erhalt der jahrhunderte-alten Ursprünglichkeit. Dicke alte, windschiefe Balken, niedrige Fenster noch mit den alten Fenstergläsern, steiler Treppenaufgang zum Restaurant. Herrliches Gefühl hier zu sein.
Eigentlich sind wir in einem Museumshaus ergänzt mit heutigem Komfort. Über dem Treppenaufgang hängen fünf alte Holzkästen, gekennzeichnet mit ihren Familienwappen, ehemals die Aufbewahrung für die Papierlampions mit denen man früher im Dunklen über die Straße ging.

Sofort werden wir auf das Herzlichste empfangen. Ein junger Mann im knapp sitzenden schwarzen Anzug klärt uns auf, übergibt uns die Schlüssel und macht die Reservierung für das Abendessen mit uns aus.
Wir haben das ehemalige Reislager „YATA“, Zimmer Nr. 103 gebucht, es liegt etwa 200  Meter weiter in einer kleineren Seitenstraße mit Parkplatz vor der Türe.
Auch hier wieder weiße Noren vor den drei Eingängen zu den Zimmern 101, 102 und unser Zimmer 103. Verbunden sind wir lediglich durch den im Rechteck davor liegenden Parkplatz, der frühere Ladeplatz vor den drei eingeschossigen, unterschiedlich gebauten, ehemaligen Lagerhäusern. Gegenüber, auf der anderen Seite der Gasse, drei weitere zum Konzept gehörende, sehr einladende Häuser. Teilweise mit kleinen japanischen Vorgärten, versteckt hinter einer manns-hohen, dünnen, typisch japanischen Lehmmauer mit den geschwungenen, dunkelgrauen Dachziegeln als Abschluss.

Zimmer 103. Hinter der Eingangstüre ein kleiner, enger Flur. Hier werden die Schuhe ausgezogen. Dann steigen wir über einen Trittstein etwa 20 cm höher in den ehemaligen langgestreckten Lagerraum. Feiner Holzboden, leicht abgeschrägte Holzdecke, Fenster mit Shojis – das sind die in viele Kästchen unterteilten, mit weißem Papier beklebten Schiebelemente vor Fenster und Türen. Die Wände, offenliegendes, vereinfachtes Fachwerk, die dazwischenliegenden Flächen so gekonnt verputzt und gestrichen, dass wir meinen könnten, es sei gar nicht restauriert worden.

Eine moderne Sitzgruppe mit Sofa, ein Ausgang zu einer mit langen Holzbohlen belegten Terrasse. Schön, dass es einen leicht schiefen, aufgespannten Sonnenschirm mit einem Tischchen und zwei Stühlen gibt, das macht den Aufenthalt auf der Terrasse heimelig. Es passt alles, „contemporary“ Style.

Zwei riesig breite Betten, ein wunderbares Badezimmer. Großzügige Aufteilung, es fehlt an nichts, hier ist aber auch nichts übertrieben möbliert. Sehr, sehr angenehm. Wir haben uns sofort in den Raum verliebt, wenn auch ohne TV, dafür mit einem starken WiFi.

Das Abendessen im Haupthaus ist herrlich. Der Mann vom Empfang serviert hier zusammen mit einer jungen Frau. Das Essen ist hervorragend. Wir sitzen hinter den alten, schiefen Fenstern und sinnieren über das Hotel-Konzept. So einfach alte Häuser aufzukaufen, zu restaurieren und zu einem Hotel zusammenzufügen kann es nicht gehen. Hier müssen Stadtverwaltung, NIPPONIA und die Menschen aus dem Städtchen eng zusammenarbeiten, damit das Konzept aufgehen kann. Ja, so ist es. NIPPONIA pachtet die Häuser und baut sie entsprechend den baupolizeilichen Vorschriften um. Der Betrieb ist vereinfacht, der Mann vom Empfang arbeitet gleichzeitig im Service mit und ist der Botschafter seines Unternehmens. Zu unserem Erstaunen spricht er ein wunderbares Englisch. Und noch dazu ein unerwartetes Deutsch, gelernt bei einem halbjährigen Aufenthalt in Wien. Er hatte vorher im NIPPONIA in Sasayama gearbeitet und konnte unsere Begeisterung daher sehr gut verstehen. Er erklärte uns auch das Konzept, warum der ganze Ort als Hotel zu betrachten sei. Durch die enge Zusammenarbeit aller im Ort sind die Menschen hier zu Besuchern so freundlich, wie die Mitarbeiter eines großen Hotels. Die Geschäfte in teilweise auch über Jahrhunderte erhalten gebliebenen Häusern bilden die Läden, wie wir sie von den Shopping Arkaden der großen Hotels kennen, nur dass hier Sachen angeboten werden, die wir in Tokyo so nicht finden können und teilweise Familien bereits in bis zu 9. Generation arbeiten. Eine gewollte und gekonnte Symbiose. So können wir durch das Städtchen schlendern, wie in einem internationalen Großhotel durch die Ladenstraßen.

Am nächsten Morgen gibt es ein herrliches japanisches Frühstück. Es muss erwähnt werden, dass die kleine Küche im Erdgeschoß liegt, und jedes Tablett, jede Tasse und jeder Sonderwunsch über die steile Treppe nach oben gebracht wird. „Das hält jung und elastisch“, sagt uns am Morgen der junge Mann, der heute den Empfang und den Service übernommen hat.

Beim Auschecken an diesem Morgen fragten wir nach dem Geheimnis des NIPPONIA Konzepts. Er verweist auf seinen Chef Jun Tarikino, der historische Gebäude als Hotels, Restaurants und Säle für Veranstaltungen, Empfänge und Hochzeiten betreibt. Er möchte dies als seinen Beitrag sehen, japanische Kultur zu fördern und zu erhalten. Durch die Restaurierung solcher Gebäude möchte er, dass entsprechende Gelder für den Erhalt dieser für Japan so wertvollen Häuser aufgebracht werden können. Seine Mission: „Förderung und Aufrechterhaltung der Japanischen Kultur“

Wunderbar. Wir möchten ihn dabei weiter unterstützen.