NIPPONIA – eine japanische Vision, die uns begeistert …
Episode Teil 2

Die drei Shinto Shrine in der Nähe von Sawara

Vor einigen Jahren hörten wir in der Maxkirche in Düsseldorf einen Vortrag über Shinto, der uns immer noch in Erinnerung geblieben ist. Sehr eindrucksvoll hatte der Vortragende unter anderem über die drei Shinto Shrine Kashima Jingu, Ikisu Jinja und Katori Jingu gesprochen. Eigentlich nicht weit entfernt von Tokyo/Yokohama, doch bisher haben wir die Shrine nicht besucht, obwohl sie bei Pilgern sehr bekannt sind, und die nahe gelegene Stadt Sawara nur zwei/drei Stunden Autofahrt von uns entfernt ist. In Erinnerung an diesen Vortrag wollen wir jetzt endlich die drei Shrine besuchen und mit der Übernachtung im NIPPONIA in Sawara verbinden.

Bei dem Vortrag hatten wir die unglaubliche Shinto-Legende von einem Riesenfisch, einem Namazu Fisch (Wels), gehört. Dieser Riesenwels wurde als der Verursacher von Erdbeben ausgemacht, den es galt zu kontrollieren um weitere Erdbeben zu verhindern. Zur Unterdrückung seiner Aktivitäten wurde der Fisch mit einem riesigem Felsstein so beschwert, dass es ihm nicht gelingen sollte wieder an die Oberfläche zu kommen um dort seine erdbebenauslösenden Aktivitäten durchzuführen. Außerdem wurde der Legende nach die Gottheit Takemikazuchi, eine starke Gottheit mit Kraft und Schwert, Ursprung von Sumo) angerufen und um Unterstützung gebeten. (https://de.wikipedia.org/wiki/Takemikazuchi)
Er sollte den Fisch zusätzlich zu der Beschwerung mit den Felsen mit seiner Kraft und dem Schwert unter der Erde halten. Das zeugt von der Kraft, die von Takemikazuchi auf die Menschen, die den Kashima Jingu besuchen, noch heute ausgeht. Es ist ein sogenannter Power Spot.

Dieser Fels-Schlussstein kann in einem Seitenschrein heute noch besucht werden, wir sehen Besucher/Pilger/Gläubige im Gebet vor diesem Stein. Der Kopf des Riesen wird der Sage nach unter die Erde des Kashima Shrines gedrückt, der Köper des Riesen-Wels mit seinem Schwanz im etwa 12 km entfernten Katori Jingu. Eine Legende, über die wir heute nur staunen können, die aber den Menschen in früheren Jahrhunderten Kraft und Energie gegeben haben.

Im Wald des Kashima Jingu ist ein mehr als mannshoher Granitblock zu bestaunen. Hier wird der Riesenwels dargestellt wie er von Kami Takemikazuchi, dem Gott des Donners und des Krieges, mit seinem Schwert unter die Erde gedrückt wird. Zum Glück sind heute nur wenige Besucher an diesem Ort, sodass wir die von Takemikazuchi ausgehende Kraft erahnen konnten.

Die Edo Zeit (1603 – 1868) war geprägt von Pilgerreisen zum Shinto Shrine in Ise in der Mie Präfektur. Wir hatten darüber berichtet, dass in den Dörfern durch Sammeln von Reisegeldern nur ein oder zwei Leute überhaupt in der Lage waren, und das nur einmal im Leben, nach Ise zu pilgern (https://shoganai.com/der-ise-shrine-teil-1/) Für die meisten Menschen in der Kanto Gegend (um Tokyo) war der Weg zu weit und die Kosten einer solchen Pilgerreise meist nicht aufzubringen. Also pilgerten sie zu den drei Shrinen in der Nähe, was damals als gleichwertig zu einer Reise nach Ise angesehen wurde. Dadurch wurden der Kashima Jingu und seine beiden anderen Shrine zum bevorzugten Ziel in alter Zeit und auch heute noch. Sie wurden in einem Dreieck mit Schenkellängen von 13km 8,6km und 9km, jeweils auf einem Power Spot angelegt, den die Menschen in alter Zeit viel deutlicher als wir heute wahrgenommen haben müssen.

Auch wir haben jetzt diese drei Shrine besucht, waren insbesondere von der weiten Ausdehnung des Kashima Shrines überrascht. Er ist einer der meist besuchten Shinto Shrine in der Umgebung von Tokyo, sein Ursprung soll schon auf mehr als 2.500 Jahre zurückzuführen sein. Der Erhaltungszustand könnte besser sein, an vielen Stellen wird sicherlich deshalb gebaut.

In den drei Shrinen können durch Spenden kleine Talismane erworben werden, die mit drei Glücksteinchen besetzt sind. Wir müssen dazu jeden Shrine besuchen, um die drei Steinchen in einem kleinen Holzstäbchen zu einem Talisman zusammenfügen zu können. Erst dann können die Steine ihre Kraft-Wirkung richtig entfalten. Oder, wir fügen nur zwei Steine ein, den Dritten müssen wir uns dann bei einem weiteren Besuch „erarbeiten“. So haben wir es gemacht, denn im Kashima Jingu war das Steinchen nicht mehr zu erwerben. Auch wenn es dem Ort nicht angemessen sein dürfte, wir dachten, dass das schlechtes Beschaffungs- oder Nachschubmanagement der Shinto Priester sei, oder war es nur unsere Unachtsamkeit beim Suchen des Glückssteins. Vielleicht ist es aber auch nur der Hinweis darauf schnellstens wiederzukommen.

 

 

Die ersten geografischen Karten Japans
Das Inoh Tadakata Museum in Sawara

Nach den Besuchen der drei Shinto Shrine checken wir im NIPPONIA Sawara ein.

Die kurze Bootsfahrt am nächsten Morgen, über eine halbe Stunde, beginnt in Sawara an der schon beschriebenen malerischen Holzbrücke und dem Haus und Anwesen der Familie Inoh. Der Bootsführer, ein älterer Mann aus Sawara erklärt uns die verschiedenen Häuser, an denen wir gemütlich vorbeituckern. Als er uns fragt woher wir kommen, wir ihm sagen, dass wir im NIPPONIA übernachtet haben, verbeugt er sich tief am Gashebel des Außenbordmotors und bedankt sich bei uns, dass wir uns für Sawara interessieren. Eine schöne Geste, die wir so in Japan schon häufiger erlebt haben.

Das Museum und das frühere Anwesen des berühmtesten Sohnes der Stadt Sawara, Inoh Tadakata (1745 – 1818) besuchen wir nach der Bootsfahrt. Tadakata wurde durch Einheirat im Alter von erst 17 Jahren 1762 von der Familie Inoh adoptiert. Er übernahm sehr schnell die stark rückläufigen Geschäfte der in Sawara hoch angesehenen Familie Inoh und baute diese um und aus. Tadakata erarbeitete dann für die Familie ein Vermögen als Kaufmann im Spirituosen und Getränkehandel.

Bei einem Besuch des Ise Shrines vermaß er als junger Mann das riesige Gelände und kalkulierte die Ausdehnungen in Längen- und Breitengraden. Kartographieren  wurde zu seiner zukünftigen Bestimmung, denn schon mit 49 Jahren übergab er die Geschäfte an die nächste Generation, zog sich total zurück. Er hätte, wie ihm angeraten, das „gute Leben“ eines reichen Rentners leben können, stattdessen aber wollte er den Traum seiner Jugend in seinem zweiten Lebensabschnitt verwirklichen. Durch das notwendige Tagesgeschäft werden der eigene Traum und seine Erfüllung zunächst hinten angestellt, damit gerät ein Traum sehr leicht in Vergessenheit. Tadakata musste nicht nach seinem Lebenstraum suchen, er musste sich nur daran erinnern, was er als Jugendlicher schon immer machen wollte, diesen Traum wollte er sich jetzt erfüllen, für sich und Japan einen Lebenswert schaffen.

So begann er bereits 50 Jahre alt das Studium der Astronomie und der astronomischen Kalender Wissenschaften bei einem bedeutend jüngeren, damals sehr bekannten Astronomen in Tokyo. Auffällig waren sein Wissensdrang und seine unermüdliche Arbeit bei der Beobachtung der Sternenkonstellationen. Vielleicht würde man heute sagen, er sei ein Streber gewesen, allerdings ein Streber zur Erfüllung seiner eigenen Träume. Mit 55 begann er dann 10 Expeditionen durchzuführen, die ihn zu Fuß und Schiff durch das gesamte Japan, von Hokkaido bis Kyushu, führten. Dabei vermaß er das Inselreich und begann, damals vollkommen unüblich und sogar verboten, genaue Karten von Japan zu entwickeln.

Im Museum sind die Originale seiner dabei entstandenen 214 Karten im Maßstab 1:36.000 sowie andere Kartenwerke von ihm zu bewundern und zu bestaunen. Sie sind so akkurat, dass sie im Vergleich zu heutigen Satellitenaufnahmen nur unwesentliche Abweichungen aufweisen. Seine damals benutzten, ziemliche simplen Werkzeuge und Maßstäbe sind ebenfalls im Museum zu sehen. Erstaunlich, Inoh Tadakata muss eine außergewöhnlich starke Willenskraft und Energie besessen haben, seine Karten sind das Ergebnis von körperlich und handwerklich ausdauernden Detail-Arbeiten, die heute wohl niemand mehr in der Form auf sich nehmen möchte.

Es war die Zeit des „Sakoku“, der völligen Isolierung Japans (1630 – 1853) durch das Tokugawa Shogunat. Lediglich Chinesen und Holländer durften von Nagasaki aus Handel in Japan betreiben. Die Zeit in der sich nur wenige Europäer in Japan aufhalten konnten und durften. Aus Angst vor Angriffen gab es damals noch keine genauen Karten über Japan, es war auch strengstens verboten solches Kartenmaterial anzufertigen. Offizielle, oder halboffizielle Ausnahme war Inoh Tadakata.

Der bis heute in Japan bekannte deutsche Arzt und Botaniker, Franz von Siebold (1796 – 1866), hielt sich in der Zeit in Japan unter holländischer Nationalität auf.
https://www.studeo-ostasiendeutsche.de/deutsche-in-ostasien/personen/50-siebold-philipp-franz-von Er sammelte u.a. während seiner Zeit tausende Muster aus der japanischen Flora und Fauna und beschrieb sie detailliert in seinen Büchern über Japan. Franz von Siebold wurde durch einen Zufall von den Bakufu, Militär des Shogunat, mit Kartenmaterial von Inoh erwischt, er musste daraufhin Japan verlassen. Mit seinen tausenden von Pflanzen und Tieren, seinen vielen Büchern und verbotenen Kopien der Inoh Karten wurde er 1829 als Spion für die Russen verdächtigt und aus Japan ausgewiesen. Seit der Zeit gibt es erst genaues Kartenmaterial von Japan und seinen Inseln im Ausland.

Das moderne Museum passt sich trotz seiner Holz- und Betonbauweise gut in das Städtchen Sawara ein, es ist bestimmt der Anziehungspunkt warum wir noch einmal nach Sawara in eins der NIPPONIA Häuser kommen werden, um die Entstehung der Japankarten mit einem zeitlichen Abstand noch einmal zu bestaunen. Irgendwie hatten wir durch die Beschäftigung mit Inoh Tadakata das Gefühl, dass seine Seele mit uns verwandt ist. Auch wir erfüllen uns unsere Jugendträume, in dem wir das tun, was wir uns vor vielen, vielen Jahren erträumt haben: zu reisen, zu berichten und mit Fotos zu belegen.

Im Anschluss an den Museums Besuch gehen wir gegenüber in ein kleines Cafe, es wird betrieben von einem Stamm der Familie Inoh in 9. Generation. Auch hier haben wir wieder einen Gedanken: die Stadt Sawara lebt heute eigentlich von den nicht zu beschreibenden Arbeiten ihre Sohnes Inoh, sie hat ihm zu Ehren das moderne Museum gebaut und sein aus der Zeit stammendes Geschäfts- und Wohnhaus für Besucher geöffnet. Allerdings sind seine Arbeiten im schnelllebigen Japan ziemlich in Vergessenheit geraten. Sawara sollte deshalb mehr tun die Lebensweise von Inoh Tadakata nicht nur als großen Kartographen darzustellen, sondern ihn auch als Beispiel und Vorbild bekannt zu machen, wie man die Erfüllung seiner Träume verwirklichen und die damit verbundenen körperlichen Strapazen überstehen kann. Die meisten unserer japanischen Freunde kennen die Geschichte von Inoh Tadakata nicht. Schade. Das müsste sich ändern.

Sawara liegt übrigens lediglich etwa 2 Stunden Autobahn-Fahrt von Tokyo entfernt.
Ein lohnendes Ziel, selbst für einen Tagesausflug mit Besuch des Inoh Museums und einem Lunch im NIPPONIA