Leben im Kloster Fugen-in
Als wir zurück zum Fugen-in kamen, wollten wir das Bad für den kommenden Morgen besprechen. Wir hatten ein Familien Ofuro, ein privates Bad, extra gebucht.
Sasaki-san, es stellte sich heraus, dass er der zweite Abt dieses Klosters war, zeigte uns das Ofuro, gleich gegenüber dem Kloster Büro. Wir waren erstaunt. Davor hing ein DIN A4 Papier auf dem handschriftlich stand: „ Für Frank & Miye reserviert von 17:00 bis 18:00“.
Dusche für den nächsten Morgen, kein Problem, nur sollten wir das Bad erst nach dem Frühstück benutzen, damit die Mönche nach dem Servieren des Frühstücks Zeit hätten das Bad für uns herzurichten!
Natürlich nahmen wir an, dass wir das Bad stundenweise mit anderen Gästen teilten. Dem war nicht so, das Bad stand die ganze Nacht nur uns zur Verfügung, und natürlich am kommenden Morgen, nach dem Frühstück. Purer Luxus mit frischem heißen Wasser – ohne Aufpreis und das in einem buddhistischen Tempel.
Unser Domizil liegt im ersten Stockwerk, 12 Tatamis groß, etwa 20 m2, zwei kleine Vorräume, eine Toilette, natürlich mit Washlet, ein Waschbecken im Vorraum zur Toilette. Auch hier wieder hing vor der Türe das handgemalte Schild mit unserem Namen. Für ein Kloster war der Raum ziemlich groß. und die Heizung lief auf voller Kraft. TV und Safetybox waren auch vorhanden.
Gut, dass wir das Bad von 17.00 bis 18.00 Uhr reserviert hatten.
Als wir den Vorraum des Ofuros betraten, das nächste große Erstaunen. Hier sah es aus wie in normalen Ofuros eines Ryokans, Waschbecken, Kämme, Fön. Alles da. Dann das Bad selbst im „Nebenraum“. Also dieses Becken war für mindestens 6 Personen ausgelegt, und jetzt nur für uns beide mit frischem heißem Wasser gefüllt! Außerdem, in Japan wird in öffentlichen Ofuros strikt nach Mann und Frau getrennt, aber hier im Kloster, nur für uns beide. Ungläubiges Staunen. Wir brauchten keine Stunde. Nach 15 Minuten waren wir erfrischt, hatten im heißen Becken die Körper erwärmt, Körper und Haare – natürlich nicht im Becken – gewaschen.
Zum Abendessen wurden wir wieder von unserem jungen Mönch abgeholt. Er führte uns über verschiedene Gänge und Treppen zu einem großen Raum. Er schob die Schiebetüren zur Seite, auf dem Tatamiboden standen zwei kleine Tischchen, vollgestellt mit kleinen Schälchen mit jeder Art von Gemüse. Es war angerichtet wie in einem sehr guten Restaurant. Die Miso Suppe wurde separat gebracht, Reis war in großer Menge in einer Holzschüssel zum Nachschlag vorhanden. Selbst alkoholfreies Bier stand auf unseren Wunsch bereit. So also sah unser „frugales Klosterleben“ aus! Klar, die mehr als 50 Tempel und Klöster in Koyasan sind nicht nur reine Gebetsanlagen, sie nehmen schon seit vielen Jahren Gäste zur Auffrischung ihrer Budgets auf. Also reine Gästeklöster, die sich nach dem Wunsch der Gäste richten. So wie sich der Fugen-in nach unserem Wunsch nach einem Bad gerichtet hatte und uns mit dem Ofuro und all dem anderen, unerwarteten Service überraschte. Von Askese keine Spur. Der Jacobs Weg rückte gedanklich bei uns in weite Entfernung.
Die Nacht war kurz. Wir waren nicht mehr gewöhnt auf wirklich dünnsten, bereits von Generationen durchgelegenen Futons auf hartem Tatami zu schlafen. Also wälzten wir uns hin und her, fanden keine klare Schlafposition und konnten so im Tempel die Geräusche der Schiebetüren hören, wenn andere Gäste über die Gänge huschten, um auf die öffentliche Toilette zu gehen. Ratsch, Schiebetüre auf, Ratsch, Schiebetüre wieder zu. Schlurfen auf dem Gang, dann wieder Ratsch, Ratsch.
Uns wurde jetzt bewusst, dass wir ein Luxuszimmer mit Toilette und Waschbecken gebucht hatten, und wie sich herausstellte es als einzige gewagt hatten das Bad ebenfalls zu buchen und es damit nur für uns zu besetzen.
Mit schmerzenden Rücken standen wir schon um 4:30 auf, packten unseren kleinen Übernachtungskoffer und harrten der Dinge die auf uns zukommen werden. Auf dem Flur hörten wir wieder das häufige Ratsch der Schiebetüren, das Schlurfen der Klosterschlappen. Wir verplemperten die Zeit, bis uns der junge Mönch ermahnte jetzt zur Andacht zu kommen, die pünktlich um, 5:30 beginnen würde.
Schnell in die Schlappen, die vor der Schiebetüre stehen geblieben waren und hinter dem Mönch die steile Treppe zum Versammlungsraum hinuntergeeilt. Am Eingang stand Sasaki-san, er gab uns etwas herrlich riechendes, feines Weihrauch Pulver in die Hand und bat uns bei vielen, gegenseitigen Verbeugungen in den Gebetsraum. Alle kleinen Hocker ringsum, bis auf einen, waren schon von den anderen Gästen besetzt, hatten sie etwa nur noch auf uns gewartet?
Und dann ging es auch schon los.
An der Morgenandacht nahmen alle Mönche des Klosters teil, die Sutras wurden in Sanskrit ein- und mehrstimmig rezitiert und gesungen. Die Mönche saßen dabei hinter einem leicht durchsichtigen Vorhang aus Bambusgeflecht, sie waren zwar dadurch für uns zu sehen, aber nicht so ganz deutlich. Außerdem wurde der große Raum nur von Kerzenlicht erwärmend beleuchtet. Die tiefen Stimmen der Mönche, verbunden mit der monotonen Rezitation, vielen eingebundenen „Ohms“, die Beleuchtung und der Ablauf der Morgenandacht hinterließen bei uns einen tiefen, ja mystischen Eindruck. Eine heilige Stimmung breitete sich aus, als wir aufgefordert wurden zu zweit an den niedrigen Altar zu treten, uns davor kniend auf die Fersen zu setzen, uns mit zusammengelegten Händen zweimal vor der Gottheit hinter dem Vorhang zu verbeugen, eine kleine Prise von dem bereitstehenden Weihrauch Pulver zu nehmen und in die feuerglimmende Schale zwischen den Fingern zu verreiben. Dazu rezitierten die Mönche immer weiter ihre Sanskrit Texte. Es wurden Klangschalen zum Klingen gebracht, Taiko Trommeln angeschlagen. Töne, die etwas Urgewaltiges in uns auslösten. Diese Klänge, der Gesang, die Trommeln, die Klangbecken, sie erreichten uns in unseren Körpern und brachten auch ihn zum Schwingen.
Nach einer halben Stunde war die Andacht für die Gäste des Fugen-in vorbei. Ein junger Mönch führte uns durch das Kloster und zeigte uns die Schätze dieses Hauses. Ganz besonders erwähnen müssen wir den Raum unter der kleinen Pagode. Hier bewahrt der Tempel seinen größten Schatz auf. Wir durften einzelnen herantreten und sehen, dass in einer Art goldenen Monstranz, nur zu sehen durch eine eingebaute Lupe ein Pünktchen der Originalasche von Buddha aufbewahrt wurde. Diese Asche wurde einst von einem Abt des Klosters aus Nepal mitgebracht und wird jetzt hier als größter Schatz aufbewahrt.
Das Bad nach dem Frühstück. Check out, aber nicht ohne, dass uns jeweils ein Talisman und Postkartenbilder des Fugen-in überreicht wurden, verbunden mit der Bitte doch bald wiederzukommen. Selbstverständlich galt das freundliche Angebot im Garten des Klosters den Wagen weiterhin zu parken, sollten wir bei unserem Rundgang durch Koya-san keinen anderen Parkplatz im Ort finden. Davon machten wir dann auch später Gebrauch…
Die vom normalen Leben abgeschlossene Ruhe, die Freundlichkeit von Sasaki-san und den übrigen Mönchen, die Möglichkeit das Innere eines Klosters überall betreten und auch bewundern zu dürfen ließen in dem Augenblick den Wunsch nach weiteren Nächten im Fugen-in aufkeimen. Doch, wie immer, wir hatten ein weiteres Programm…..