Am kommenden Morgen, zuerst mal ein heisses Bad auf der Terrasse unseres Zimmers im Kumano Club. Danach ein herrliches japanische Frühstück. Schon um 9:00 fuhren etwa 10 Personen, alle Gäste des Kumano Club, mit dem klubeigenen Bus in die kleine Satdt Kumano. Zur ersten kurzen, aber sehr anstrengenden Pilgertour über den Matsumoto-Toge Pass mit einem spassigen, älteren Herrn als Führer und Erklärer.
Der Hana-no-Iwaya Shrine
Erster Stop. Der Hana-no-Iwaya Shrine.
Dies ist nach der Überlieferung der erste und älteste Shinto Shrine Japans. Es ist nur ein hoher, heller Granitfelsen mit vielen kleineren und größeren Löchern, hier gab es noch keine Shrine-Behausungen für die Götter. Von der Spitze des Felsens ist ein dickes Seil in Richtung Strasse gespannt, an dem wiederum kunstvoll geflochtene Seile herunterhängen.
Der Hana-no-Iwaya Shrine ist das Grabmal für Izanami-no-Mikoto, der Urmutter aller japanischen Götter. Izanami und Izanagi (der Urvater) die Urgötter, und nach der japanischen Mythologie die Gründer des japanischen Inselreichs, mussten in dieser herrlichen Gegend gelebt haben, daher noch die heute grosse Verehrung für die beiden Gründungsgötter der Japaner.
„Wer sich an den Felsen lehnt wird die Kraft spüren, die von ihm ausgeht und Energie für den Tag tanken“, sagte unser lustiger Führer und forderte jeden auf es selbst einmal auszuprobieren. Schade, wir spürten nichts, an diesem Tag waren wir für die übersinnlichen Kräfte wohl nicht sehr aufnahmefähig. Dennoch ein beeindruckender Ort.
Unten am Felsen war es durch den dichten Baumwipfel eines einzigartigen japanischen Baums (Nagi) https://en.wikipedia.org/wiki/Nageia_nagi, dessen Blätter und Stiele wegen ihrer Widerstandskraft nicht gebrochen oder zerrissen werden können, ziemlich dunkel.
Der Platz hinterliess bei uns einem mystischen Eindruck.
Der Felsen wurde von der Sonne beschienen, wir spürten, wir befanden uns an diesem Ort ganz nahe am Ursprung Japans. Hier wären wir gerne mal eine Zeitlang alleine geblieben, aber in der Gruppe geht es immer weiter. Zum nächsten Ziel, der Ersteigung oder je nach Kondition der Begehung, des Matsumoto-toge Passes.
Matsumoto-toge Pass
Eigentlich beginnt alles harmlos. Wir nehmen uns am Fusse des Matsumoto-toge Passes einen dort bereitstehenden pilgergemässen Bambusstock als Steighilfe. Ein paar Treppen aufwärts, noch ein paar kleinere Stufen, doch dann… Es geht nur noch steil bergauf. Rechts und links wilder, dicht bewachsener Mischwald, durch den an wenigen Stellen immer wieder das helle Sonnenlicht durchdringt. Vom regnerischen Vortag dampft der Boden, an vielen Stellen ist es sehr rutschig. Ein kleiner, aber reissender Bach, der sich über bemooste dicke Steinbrocken nach unten ergiesst und den wir mehrfach überqueren. Immer wieder diese riesigen Felsbrocken und der bemooste Untergrund.
Der Matsumoto Pass ist tatsächlich nur 135 Meter hoch, doch was er einem Untrainierten abverlangt ist schon grenzwertig. Das hier ist nur ein kleiner Teil des Pilgerweges, den schon Millionen von Pilgern vor uns gegangen sind, um von Ise bis zu den heiligen Stätten in Koyasan und Yoshino, allerdings ohne Bus und Bahnfahrt, ohne Kumano Club oder Ähnlichem, zu pilgern. Ein Abschnitt des europäischen Jakobsweges lässt grüßen, so wenigstens unsere Vorstellungen. Dieser Wald wurde erst in den vergangenen hundert Jahren angepflanzt. Vorher gab es hier auf dem steilen Aufstieg kleinste Terrassen mit Reisfeldern. Hier auf den steilen Höhen und Abhängen hatten Menschen gelebt und im Dienste der Pilger gearbeitet. Doch die Kultur der Vergangenheit kann beim keuchenden Aufstieg erst hinterher erfreuen, zunächst einmal heisst es aufpassen, denn die grossen Steinplatten auf dem Pilgerpfad wurden mit grösseren Rundsteinen vermischt und sind teilweise lose. Manchmal ist der Pfad sogar wie eine kleine, steil aufsteigende Strasse gepflastert, aber immer irgentwie rutschig bemoost und daher verdammt glitschig. Wir lernen in den vom Führer eingelegten kleineren Pausen, warum der Pfad so unterschiedlich belegt ist. Da gibt es Pflasterungen, die aus der Zeit von Kaiser Meji, Ende des 19. Jahrhunderts stammen, und Beläge, die noch älter, aus der Edo Periode von 1603 bis 1868 stammen. Sie können für den Ungeübten schnell schon mal zum Verhängnis werden. Beim Aufstieg wurde uns erst klar, warum wir vorab eine Versicherung abschliessen mussten.
Auf dem Scheitelpunkt angekommen, haben wir oben im Wald die Jizo Figuren, behütende Gottheiten der Pilger, bewundert, d.h. wir konnten erst mal kurz durchschnaufen. Wurden dann über einen Umweg an den Ort Oni-no Miharashiadai geführt, der uns einen wunderbaren Ausblick auf den langen Strandabschnitt über das Meer bei Kumano geniessen lässt. Es wehte ein leichter Wind. Das verschwitzte Unterhemd wurde im Nu getrocknet. Die Mühen des Aufstiegs von mehr als einer Stunde waren in diesem Moment vergessen – wie immer im richtigen Leben, wenn nach vollbrachter Anstregung des Ziel erfolgreich erreicht wird, gibt es nur noch das schöne, berauschende Gefühl etwas Wundervolles vollbracht zu haben.
Nach dieser für uns schon ziemlichen Tortur beschlossen wir die am kommenden Morgen gebuchte, noch viel schwieriger eingeschätzte Tour von 3 Stunden mit einem erweiterten Anstieg über den Tori-toge Pass, abzusagen und stattdessen noch am Nachmittag mit dem Auto einen Shrine in Shingu den Kumano Hayatama-Taisha, und danach weiter zu fahren bis zum Kumano Nachi-Taisha Shrine. Bei solchen Überlegungen während des „Abstiegs“ können natürlich keine ehrfurchtsvollen Gedanken aufkommen, wir waren schon wieder, oder immer noch, im Weltlichen angekommen. Eines haben wir allerdings vom beschwerlichen Aufstieg mitgenommen : uns fehlt ganz klar mehr Training, Training, Training!
Der Abstieg war einfacher, steil, aber längst nicht mehr so rutschig. Am Bahnhof von Kumano stand wieder unser Bus vom Kumano Club um uns zu einem szenischen Fotostop zu bringen. dem Shishiiwa oder Lion Rock. Ein 25 Meter hoher Felsen, direkt am Meer, in hunderten von Jahren durch Wind, Sturm und Wellen zu einem brüllenden Löwenkopf geformt. Beeindruckend, gut fürs Fotoalbum.