Ryokan Horai-kan

Bei einsetzender Dunkelheit führte uns die Straße am Meer entlang zu unserem Ryokan Horai-kan. Teilweise ging es dabei so eng zu, dass die schon sehr langsam fahrenden LKWs anhalten mussten, um den „Einbahnverkehr“ aufrechterhalten zu können. Wir fuhren nach Navi und dachten nach jeder Biegung, dass wir auf dem falschen Weg wären, immer tiefer in Baustellen.

img_2055_1Der Ryokan liegt ziemlich einsam nur durch eine Reihe von hohen Kieferbäumen getrennt, direkt am Meer, lediglich etwa 5 Meter höher als der Meeresspiegel. Neben dem Parkplatz weist ein Schild darauf hin, dass bei einem Tsunami hier der Fluchtweg in die direkt hinter dem Hotel liegenden Steilhänge beginnt. Was dachten wir, als wir eincheckten und unser Zimmer im 4. Stockwerk bezogen. Wenn es hier erneut einen Tsunami gibt, dann ist das Hotel verloren, wie kann man hier so nahe am Meer, nach diesen schrecklichen Erfahrungen aus dem Jahr 2011, dieses Hotel wieder aufbauen? Während in der ehemaligen Stadt alles um mehrere Meter angehoben werden soll….

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Das Zimmer war wunderbar. Riesig. Anstelle der in Ryokans gewohnten Futons, die gewöhnlich nachts zum Schlafen auf Tatamis ausgelegt werden, luden uns hier zwei 140 cm breite Simmons Betten zum Schlaf ein. Das Badezimmer lag zur Straße zum Meer hin und wurde auf dem Balkon von einem Roten-buro (einer Bademöglichkeit im Freien) mit einer Badewanne aus Zypressenholz in wirklich großen Ausmaßen, ergänzt. Das Wasser lief die ganze Nacht, so dass das Badewasser immer frisch war und zum Bad zu jeder Tageszeit einlud. Erstaunlich. Wer hätte so einen Luxus in dieser unwirtlichen Umgebung erwartet.

Am nächsten Morgen berichtete die Chefin des Ryokans, mit Videos und Bildern unterstrichen, vom 11. März 2011 als der Tsunami die Gegend verwüstete. Das Hotel wurde im Kern nicht zerstört, weil die davorliegende Bucht die Gewalt der Tsunamiwelle schon gebrochen hatte bis sie danach erst auf das Hotel traf. So liefen „nur“ die Wassermassen durch die ersten Stockwerke des Ryokans, selbst die gegenüberstehenden Kieferbäume blieben stehen.

img_2053_1Die Gäste waren rechtzeitig von Fischern gewarnt worden, die nach dem Erdbeben sahen wie sich zunächst das Wasser zurückzog. Ein untrügliches Zeichen für einen nachfolgenden Tsunami. Teilweise nur bekleidet mit den Hotel Baumwolle Kimonos (Yukata), auch ohne Schuhe und manche, insbesondere ältere Gäste total durchnässt, retteten sie sich auf den bewaldeten, steilen Berghang hinter dem Hotel, der auch heute noch als Tsunami Rettungsweg gekennzeichnet ist. img_2062_1Dort harrten sie aus und konnten erst fünf lange Tage später von japanischen Selbstverteidigungskräften versorgt werden. Zwischenzeitlich hatten sich Mutige zurück in das Hotel gewagt, um dort noch Essbares und wärmende Decken für die durch einsetzenden Schnee total durchgefrorenen Menschen zu besorgen. Immer in der Angst, dass dort Gasflaschen für die Beheizung des Ryokans explodieren könnten…..

Gegenüber dem Ryokan, zwischen den stehen gebliebenen Kieferbäumen, wurde im vergangenen Jahr ein einige Meter hohes Monument aufgestellt um zum Einen anzuzeigen wie hoch das Wasser hier eingedrungen war und zur Warnung für nachfolgende Generationen, sowohl in Japanisch als auch in Englisch:

Memorial Stone of the Tsunamiimg_2057_1

Just run uphill
Don’t worry about the others. Save yourself first.
And tell the future generations
That a Tsunami once reached this point
And that those who survived were those who ran uphill
So run! Run uphill!

Beim lesen des Textes Gänsehaut auf unseren Rücken. Der bestimmt früher wunderbare Strand war zwischenzeitlich ersetzt worden durch eine mehrere Meter hohe Betonwand, die sich übrigens an der gesamten Küste hinzieht. Einige Schutzwände mehr als 15 Meter hoch, andere wie hier am Ryokan etwas niedriger. Ungeheure Betonarbeiten und Erdbewegungen mussten hier in den vergangenen fünf Jahren durchgeführt worden sein. Wir werden am kommenden Tag auf unserer etwa 200 km langen Fahrt bis nach Ishinomaki großartige Betonbauwerke, Betondeiche und Aufschüttungen noch reichlich zu sehen bekommen. Bei all dem begleitete uns immer ein bedrückendes Gefühl.