Shoganai — akzeptiere und schau nach vorn

http://www.nbwg.eu/2011/10/21/shoganai-akzeptiere-und-schau-nach-vorn/ 

von Hans T.Rosarius

21.10.2011 Yokohama/Düsseldorf. (htr) – In einer knap­pen, aber tref­fen­den, tro­cke­nen und schmuck­lo­sen Aus­druck­weise berich­tet Frank U. Möser über das schwerste Erd­be­ben, das Japan seit Beginn der Auf­zeich­nun­gen im Jahre 1900 heim­suchte, dem dar­aus fol­gen­den Tsu­nami und der Kernkraftwerks-Katastrophe. Der als inti­mer Ken­ner der japa­ni­schen Gege­ben­hei­ten und Men­ta­li­tät bekannte Möser ist sowohl beruf­lich wie auch fami­liär mit Japan eng ver­bun­den. Der Unter­neh­mer arbei­tet im regel­mä­ßi­gen Wech­sel sowohl in Düs­sel­dorf wie auch in Yokohama.

So war er auch am 11. März 2011, in sei­ner zwei­ten Hei­mat, gemein­sam mit sei­ner Ehe­frau unter­wegs, als um 14:46 Uhr die Erde für min­des­tens eine Minute lang mit der Stärke 9 auf der inter­na­tio­na­len Rich­ter­skala bebte. Die Bür­ger­steige beweg­ten sich in Wel­len, die hohen Mas­ten der Stra­ßen­la­ter­nen schwank­ten und Hoch­häu­ser beweg­ten sich in den obe­ren Eta­gen. „Es kam das Gefühl auf, ganz starke Kreis­lauf­stö­run­gen zu haben, die auch nach dem Beben nicht auf­hö­ren wollten.“

Aus­ge­löst durch die­ses Beben rollt ein Tsu­nami unvor­stell­ba­ren Aus­ma­ßes auf die Ost­küste zu. Blü­hende Dör­fer und Städte wer­den mit sei­nen Bewoh­nern von einem Augen­blick auf den ande­ren weg­ge­schwemmt. Auch das direkt an der Küste lie­gende Kern­kraft­werk Fukus­hima Daiichi mit sei­nen sechs Reak­tor­blö­cken wird an sei­ner ver­wund­bars­ten Stelle von einer über 10 Meter hohen Welle getrof­fen. Der Tsu­nami zer­stört die externe Strom– wie auch die Not­strom­ver­sor­gung, die für die Küh­lung der Reak­to­ren, wie auch der Brenn­ele­ment­be­cken mit den abge­brann­ten Brenn­stä­ben, unver­zicht­bar sind, um den GAU (Größ­ter anzu­neh­men­der Unfall) zu ver­hin­dern — die Kernschmelze.

In sei­nem Buch „Ihre Ant­wort ist Sho­ga­nai — Ruhe bewah­ren in Kri­sen­zei­ten“ schreibt Möser haut­nah und authen­tisch in einer Art Tage­buch über die auf ihn ein­strö­men­den Ein­drü­cke am Tag des Erb­be­bens unmit­tel­bar an sei­nem Wohn­ort und den 10 Tagen danach. Seine Schil­de­run­gen umfas­sen sowohl die jour­na­lis­ti­sche Bericht­er­stat­tung in den japa­ni­schen Medien wie auch deren Infor­ma­ti­ons­ge­halt. Dane­ben geht Möser auf die zahl­reich ein­ge­hen­den E-Mails von Ver­wand­ten und Freun­den aus aller Welt ein, die nicht nur ihre Teil­nahme zur ver­hee­ren­den Dreifach-Katastrophe zum Aus­druck brin­gen, son­dern sich auch um ihn und seine Fami­lie sorgen.

In dem sich dar­aus ent­wi­ckeln­den E-Mail-Verkehr berich­tet er sei­nen Freun­den und Ver­wand­ten, als Zeuge und Beob­ach­ter, täg­lich von sei­nen per­sön­li­chen Ein­drü­cken und Gefüh­len vor Ort. Dabei geht er auf die zahl­rei­chen wohl­ge­mein­ten Rat­schläge ein, die zum Teil auf die teil­weise hys­te­ri­sche Bericht­er­stat­tung zurück­zu­füh­ren sind. In zahl­rei­chen Mails kom­men dabei immer wie­der die Fra­gen auf „Warum sind die Japa­ner so ruhig geblie­ben, haben all das gedul­dig ertra­gen? Warum ist es nicht zu Plün­de­run­gen gekom­men? Warum wurde nicht geme­ckert?“ Die Ant­wort lau­tet: Sho­ga­nai — Ruhe bewah­ren, akzep­tie­ren und mit Selbst­ver­trauen nach vorne schauen. Das Wis­sen darum, dass nichts auf die­ser Welt von Bestand ist, und dass nur alles in einer Gemein­schaft zu ertra­gen ist. Das, was wir heute sehen, die­ses Anneh­men ohne zu kla­gen, ist das Volks­wis­sen aus der Über­tra­gung von Gene­ra­tion zu Gene­ra­tion. Eine von gro­ßem Wis­sen geprägte Lebens­ein­stel­lung, die Möser in all den Jah­ren von sei­ner 87-jährigen Schwie­ger­mut­ter und sei­nem 88-jährigem Schwie­ger­va­ter ver­mit­telt wurde, die sich wie ein roter Faden durch sein Buch zieht und in all den Tagen die ganze Welt immer wie­der in Erstau­nen versetzte.

Am Rande sei­ner „tage­buch­mä­ßi­gen Auf­zeich­nun­gen“ erfährt der Leser ganz am Rande unter ande­rem etwas über Radio­ak­ti­vi­tät sowie die erd­be­ben­si­chere Bau­weise von Hoch­häu­sern, denn in der Woh­nung von Möser, in der 25. Etage eines Hoch­hau­ses, war alles an sei­nem Platz. Selbst die klei­nen Figu­ren auf dem Fern­se­hen waren durch das hef­tige Beben nicht umge­fal­len. Aber auch die zahl­rei­chen Bei­spiele zu den Selbst­hil­fe­maß­nah­men ver­mit­teln dem Leser ein Bild, das man bei uns nicht kennt, aber ken­nen sollte. Seien es die War­nung per Handy vor einer Kata­stro­phe, wie einem Beben oder Tsu­nami, oder die Schu­lungs­maß­nah­men zur Selbst­hilfe. Sie begin­nen bereits im Kin­der­gar­ten, gehen wei­ter in der Schule und wer­den selbst für alle Bewoh­ner durch jähr­li­che Kata­stro­phen­schutz­übun­gen immer wie­der auf­ge­frischt. Maß­nah­men, vor denen sich kei­ner drückt oder die belä­chelt wer­den, denn der Japa­ner weiß, ist das Erlernte ein­mal in Fleisch und Blut über­ge­gan­gen, läuft das im Kata­stro­phen­fall zu Tuende wie von selbst. Eine Men­ta­li­tät und Ein­stel­lung zu Kata­stro­phen, von der wir nur ler­nen können.

Es ist ein lesens­wer­tes Buch, das die Ereig­nisse in Japan und das Ver­hal­ten der Japa­ner im Umgang mit der größ­ten Kata­stro­phe seit dem ver­lo­re­nen Krieg 1945 mit gro­ßer Hoch­ach­tung beschreibt. Aber auch der Umgang der Japa­ner mit­ein­an­der darf nicht uner­wähnt blei­ben. Sei es der Obdach­lose, der einem „Heimkehr-Nomaden“, der plötz­lich hei­mat­los gewor­den ist und nicht mehr nach Hause kom­men kann, sei­nen Schlaf­platz in einem Kar­ton anbie­tet oder die Schü­ler, die in ihrer Schule die Ver­sor­gung der ein­ge­wie­se­nen Flücht­linge mit Essen und Trin­ken über­neh­men oder der Unter­neh­mer, der sei­nen Stahlbau-Betrieb ver­liert, aber nach einem sei­ner Mit­ar­bei­ter sucht, mit dem er 10 Jahre gut und freund­schaft­lich zusam­men­ar­bei­tete und in den Trüm­mern nur des­sen Auto, seine Jacke und Brille fin­det. Den Repor­tern sagt er dazu: „Ich habe mehr ver­lo­ren als mei­nen Betrieb.“

Möser ver­beugt sich in sei­nem Buch nicht nur vor der men­ta­len Stärke und der unter­ein­an­der auf­kom­men­den Hilfs­be­reit­schaft der Japa­ner, son­dern weist auch auf die Schwä­chen des japa­ni­schen Sys­tems hin, etwa die Ver­bin­dung von Staat und Kern­kraft­werks­be­trei­bern, die Infor­ma­ti­ons- Po­li­tik und Improvisationsfähigkeit.

Von Keiko Ishikawa, Dolmetscherin und Reiseleiterin, per Email Tokyo 10.11.2011

Ich musste das Buch in einem Rutsch herunterlesen. Bestimmt hat Frank-san durch seine lange Japanerfahrung, und seine vielen Kämpfe, verbunden mit Schweiß und vielen Tränen unsere japanische “Shoganai Lebensanschauung” richtig verstanden und sie zu schätzen gelernt. Gerade so ein Deutscher musste dazu noch das Erdbeben vom 11. März, die Tsunami und die Fukushima Katastrophe in Japan miterleben.

Die von außen betrachtete Resignation der meisten Japaner, ist keine einfach passive Resignation, sondern ist Teil unserer japanischen DNA, so dass wir Situationen, gegen die wir nicht kämpfen können gelassen akzeptieren, ohne jedoch dabei super pessimistisch zu sein.

Diesen Punkt, dem die Deutschen sehr gerne wiedersprechen, hat Frank-san sehr eindrücklich beschrieben. Ich möchte mich gerne bei ihm im Namen des japanischen Volkes bedanken. Er könnte diese Haltung mit seinem Buch auch bei vielen Japanern wieder auffrischen.

Zusammengefasst: Erlebtes – Gelesenes – ein besseres Verstehen!

 von Isobel Hess, Schweiz

Die Katastrophen Serie in Japan, haben mich tief berührt. Besonders, die fast täglich eintreffenden Life – Berichte von Frank Möser versetzten mich in einen Zustand des Bangens und Hoffens für die krisengeschüttelten Menschen in dem so weit entfernten Land. Von vielen schlimmen  Ereignissen wird immer wieder berichtet, aber was die Japaner in den betroffenen Gebieten erleiden mussten und noch lange Alltägliches entbehren müssen, ist wohl unübertreffbar.

Zwei Jahr zuvor durfte ich Japan besuchen. Mit einer Reisegruppe von Tokyo bis Kyoto –Osaka waren wir unterwegs begleitet von der  einheimischen Reiseleiterin  Frank Möser’s Frau, Miye Hayashi-Möser. Vieles erlebten wir, durch zuhören, beobachten und staunen.

Das andersartige Land und den eher verschlossenen Menschen nahe zu kommen, ist nicht so einfach. Der Sprache nicht mächtig wird es schwierig ein entstandener Kontakt zu Einheimischen zu vertiefen. Ein Lächeln, eine Handbewegung, ein Zunicken, ein Foto lässt gegenseitige Zuneigung und Freude erspüren.

Das Buch „Shoganai“ ergänzt mein Erlebtes in einigen Bereichen. Der deutsch-japanische Autor zeigt in seinen liebevoll gestalteten Zeilen das menschliche Verhalten und die gedanklichen Wege der Japaner. Er kann es dem Lesenden näher bringen. Seine langjährige berufliche und private Verbundenheit zu Japan lässt das zu und hat in ihm die Fähigkeit geweckt es andern Menschen zu übermitteln. Aufgerüttelt durch das dabei sein eines tragischen  Geschehens, über das er sich verpflichtet fühlte zu berichten. Die schnell lebende Welt vergisst, was aber aufgeschrieben ist in einem Buch, soll nicht verloren gehen!

Neben den intensiv beschriebenen Erlebnissen durch das Erdbeben an ihrem Wohnort Yokohama, nimmt der menschliche Aspekt und die Lebensweise der Japaner einen ganz wichtigen Teil des Buches ein. Die genau beobachteten Situationen der Beben und deren Auswirkung lassen den Lesenden erschauern. Andere Reiseberichte vermögen das nicht, was Frank Möser in seine Zeilen legt. Die treffende Wortwahl und die zu spürende Verwurzelung mit den Seelen der Einheimischen und der Familie seine Frau bringen dem Leser das Mitspüren näher. Das Authentische bringt das intensive Erlebnis. Die Gelassenheit der Schwiegereltern hilft verstehen. Auch das Ausmass der Folgen der Katastrophe mit den Einschränkungen auf lange Zeit  ist eindrücklich in Erfahrung zu bringen.

Ich denke, dass „Shoganai“ nicht nur als ein – da ist nichts zu machen- stehen bleiben darf. Viel mehr – Vertrauen, ruhig abwarten und sehen wie`s weiter geht-. Ein neuer Weg wird wie auch immer bereit stehen und zu bewältigen sein. Im Buch so Vieles auf engem Raum, sehr gut beschrieben bleibt lesenswert. Das Buch ist weiter zu empfehlen, da es beeindruckt. Könnten wir in der westlichen Welt, doch einiges von den Japanern lernen!