Eine Taiko Freundin hat uns einen Link über einen lesenswerten Artikel in der NZZ vom 8. März 2013 zugeschickt: „Keine Zeit für Wut“ zwei Jahre nach Fukushima. http://fukushima.nzz.ch/.  Hier wird anhand von vier Schicksalen das Leben in und mit der radioaktiven Umwelt so beschrieben, wie sie die Menschen in Fukushima und Umgebung wirklich fühlen.

Keine Zeit für Wut haben auch die Fischer im kleinen Fischerort Ohzashi. Wir haben sie in den vergangenen zwei Jahren mehrfach besucht und konnten so ein wenig daran teilhaben wie sie das Leben nach dem Tsunami wieder organisieren. Am 11. März 2011 wurden ihre Häuser, ihre Wakame Seetang und Jakobsmuschel Farmen, aber auch ihre Boote und Fabrikationshallen – d.h. ihre Geschäfts- und Lebensgrundlage durch den Tsunami völlig zerstört. Die meisten von ihnen leben noch heute beengt in provisorischen Containerhäusern etwa 50 m oberhalb des Hafens. Ihre Kinder konnten wir dank großzügiger Spenden aus Deutschland beim Auf- und Ausbau eines wunderbaren Kinderhauses unterstützen.

Diese Fischer haben sich in ihren Containern zunächst einmal eingerichtet. Sie haben kleine Kooperativen gegründet und waren somit in der Lage hohe Kredite aufzunehmen. Mit diesen Geldern, die ein einzelner niemals erhalten hätte, konnten sie neue Farmen für Wakame und Jakobsmuscheln im Meer vor ihrem Dorf errichten und Verarbeitungsanlagen wieder aufbauen. Shota-kun, der Sohn des Fischers Hiroshi Abe,  selbst Vater eines kleinen Sohnes, ist jetzt der Leiter einer Kooperative. Er erzählte mit verwegenem Lächeln in einem TV Interview, dass sie jetzt alle fünf Leben leben müssten, um diese Kredite überhaupt zurückzahlen zu können, sie täten das nur für ihre Kinder, damit diese auch später in Ohzashi leben könnten.

20130428_d_IMG_7645_1Ohne die offizielle Planung abzuwarten, wurden an alter Stelle neue Verarbeitungsanlagen und Fabrikationshallen gebaut. Fokus lag auf dem schnellen Wiederaufbau der Geschäftsgrundlage. Dabei konnte keine Rücksicht darauf genommen werden, wann offizielle Stellen ihre endgültige Planung für den Wiederaufbau nach dem Tsunami vorstellen. Da die Hafenbefestigung um etwa einen Meter abgesunken war, muss das Gelände erst einmal aufgeschüttet werden, und erst danach kann die offizielle Baugenehmigung erteilt werden, wer wo etwas wie bauen darf.  Im April wurde der erste Wakame geerntet und in den bereits wieder aufgebauten Hallen gekocht und abgepackt. Jeder fasst mit an. Es gibt überhaupt keine Zeit darüber nach zu denken, ob die offizielle Planungsstelle sie wegen möglicher wiederkehrender Tsunamis zum Abbau der Gebäude zwingen könnte. Sie haben das Leben selbst in die Hand genommen und arbeiten bis zum Umfallen am Aufbau ihrer neuen Existenz. Und das tun sie in dem Bewusstsein, dass sie eventuell ihre neu errichteten Fabrikationseinrichtungen wieder abreißen und woanders aufbauen müssen, wenn dies von der Regierung so beschlossen und gefordert werden sollte. Eine Entscheidung darüber, 2 ½ Jahre nach der Katastrophe, steht in den kommenden Monaten an. In der Zwischenzeit lässt in Ohzashi niemand den Kopf hängen, ganz im Gegenteil. Das Leben geht weiter. Keine Zeit für Wut oder Trübsal, harte Arbeit bestimmt jeden ihrer Tage.

Ähnlich geht es auch dem Mädchen aus Lissabon aus unserer kleinen Geschichte aus in unseren Grüßen zum Jahresanfang https://shoganai.com/2013/01/gruse-zum-jahresanfang/ .

Auch sie hat ihr Leben selbst in die Hand genommen. Regelmäßig lässt sie uns mit Fotos an ihrem neuen Leben teilhaben. Heute können wir berichten, daß sie jetzt für eine weltweite, große Hotelkette in Dubai arbeitet. Und, sie wird genau an dem Platz eingesetzt, wo ihre Fähigkeiten voll zur Entfaltung kommen können. Ihre Mitarbeit wird sehr geschätzt und damit auch gut bezahlt.  Immer wieder schreibt sie uns, wie glücklich sie jetzt ist, wie viele neue Freunde sie gefunden hat und, dass sie uns dankbar ist, dass wir in ihr den Willen zum selbstverantwortlichen Handeln geweckt hätten. Unser Gespräch mit ihr in Lissabon ist gerade erst mal 6 Monate her und hat nicht länger als eine Stunde gedauert. Wir freuen uns mit ihr und wünschen ihr, dass ihr Glück weiter anhält. Eigentlich kann ihr nichts passieren, denn sie hat die Verantwortung für sich übernommen und geht damit ihren eignen Weg. Wenn das nicht eine erste gute Entwicklung ist

Ihnen allen wünschen wir jetzt den bereits sehnlichst erwarteten wunderbaren Sommer mit herrlichem Wetter und ohne weitere Krisen im In- und Ausland.

Fotos : Kazuma Yamane