Miye und ich sind am Dienstagabend aus Yokohama zurückgekommen.

In der vergangenen Woche haben wir das Tsunamigebiet von Shiogama bis Kesenuma etwas 120 km bereist und Gespräche mit Menschen geführt, die unmittelbar vom Erdbeben und Tsunami betroffen waren.

Wir mussten unsere Sichtweise über die Schutthalden der abgetragenen Häuser, Boote, Kinderspielzeug,  Autos und allem was Menschen so im Laufe des Lebens anschaffen, ändern.
Das sind Schatzhalden wurden wir aufgeklärt, keine Schutthalden.  Klar, da ist alles zusammengekarrt und auf Halde gelegt worden, wovon Menschen jahrelang geträumt  und wofür sie jahrelang gespart haben, woran das Herz und ihre Lebenserinnerungen hingen.  All diese Schätze – insgesamt sind das 21 Millionen Tonnen, die hier auf ungezählten, meist gut abgeschirmten  oder versteckten Halden liegen und auf Sortierung, Abtransport und Verbrennung warten.

Wer einmal mitten in diesen Halden gestanden hat und mit den recht jungen Männern, die dort arbeiten,  gesprochen hat, sieht deutlich, dass es auf Jahre keine Perspektiven für die Menschen dort gibt.  Denn sie halten durch und sie halten aus, aber niemand kann ihnen sagen, wie lange noch.  5, 10 Jahre oder noch länger?

Wer einmal nur noch die übrig gebliebenen Fundamente einst schöner Häuser direkt am Strand gelegen,  gesehen hat, der weiß, dass es hier niemals mehr leben geben wird.  Der Schutt der Häuser liegt auf den Halden, alles ist aufgeräumt, aber wo leben diese Menschen jetzt  und unter welchen Bedingungen?

Wir haben mit dem Chef einer provisorischen Siedlung gesprochen und waren erstaunt über seine Gläubigkeit,  dass ihnen irgendjemand helfen wird.  Eine Perspektive ist es schon, dass sie alle mal irgendwann innerhalb der nächsten 2 bis 3 Jahre  in neue städtische Wohnungen umziehen werden.  Wer wird das bezahlen? Darüber gab es nur Vermutungen, die Stadt oder die Präfektur….

Und dann haben wir, immerhin nach 13 Monaten, immer noch Autos auf Hausdächern gesehen,  das riesige Schiff aufs Land gespült in Kesenuma, wir haben Sushi in Shiogama und Kesenuma gegessen  und waren wieder einmal erstaunt, dass niemand wusste, woher der Fisch in demSushi Restaurant kommt.  Aber jeder darauf vertraut, dass er nicht radioaktiv verseucht ist, weil man ja den Sushi Meister von einem vertrauensvollen Freund empfohlen bekommen hat.

Wir haben bei unseren häufig sehr bewegenden Interviews Menschen weinen gesehen  und viele herzergreifende Momente mit Menschen wie Du und ich geteilt.

Japan ist im Umbruch, das haben wir bei unseren Gesprächen und bei unseren täglichen Beobachtungen  mit offenen Augen und Herzen festgestellt.

Stellvertretend für die Aufzählung vieler Details, das werde ich in meinem nächsten Buch tun,  möchte ich hier die Botschaft des Oberbürgermeisters Akira SATO von Shiogama/Japan vom 19.4.2012  an die Welt mitteilen:

In allen Teilen der Welt werden wir von unterschiedlichsten Natur–Katastrophen getroffen.  Dabei geht es nicht nur um Erdbeben und Tsunami, wie sie hier über uns in Japan hereingebrochen sind.

Dieses Erbeben vom 11. März 2011 mit der anschließenden Tsunamikatastrophe in Tohoku soll uns allen  eine Lehre sein, uns der Natur unserer Welt und ihrer Zerbrechlichkeit wieder sehr bewusst zu werden.  Lassen wir uns endlich erkennen und akzeptieren, dass Unvorstellbares plötzlich zu jeder Zeit,  an jeden Ort der Welt passieren kann und ganz natürlich ist.

Dies ist die leidvolle Erkenntnis aus der Katastrophe in Tohoku.

Wir Menschen haben uns in die Natur hereingedrängt, deshalb sollten wir ihr dankbar sein,  dass wir in und mit dieser Natur leben dürfen. Wir sollten nicht gegen sie kämpfen.

Sich dessen immer bewusst zu sein, ist das Ziel meiner Botschaft.

Übrigens, am 11.Mai 2012 wird Frank eine Lesung in Bottrop in der „Alten Börse“ halten.  Wer interessiert ist, nähere Details unter:
https://shoganai.com/2012/04/lesung-in-bottrop/#more-542.

Herzliche Grüße

Eure/Ihre Frank U. Möser & Miye Hayashi-Möser

Düsseldorf, den 30. April 2012