Was uns in Japan auffällt :
Teil 2 : Keiyu Hospital in Yokohama
Grundsätzlich ist in Japan jeder Mensch krankenversichert. Grob gesehen, durch die staatliche Krankenversicherung oder durch eine Betriebskrankenkasse. Jeder, ob Angestellter, Selbständiger oder Beamte zahlt 10% seines Gehalts in eine Krankenkasse ein. Die Hälfte davon übernimmt die Firma, in der der Versicherte angestellt ist. Bei Freiberuflern, Unternehmern etc. wird der Beitrag gemäß Einkommens-Steuer Erklärung berechnet. Also führt jeder Japaner eine Versicherungskarte mit sich, die ihn bei einem Arzt oder im Krankenhaus ausweist. Private Krankenkassen gibt es nicht. Viele Japaner schließen freiwillig eine Zusatz-Kranken- oder Unfallversicherung ab, um anfallende Kosten zB. für ein besseres Zimmer im Krankenhaus, Rückerstattung der Eigenbeteiligung etc. erstattet zu bekommen, wenn auch nur teilweise.
Im Keiyu Hospital bei uns gegenüber ist der Ablauf, wenn auch im ersten Anlauf sehr kompliziert, japanisch hervorragend in verschiedenen Schritten so geregelt:
1. Schritt
Bei einem ersten Besuch des Krankenhauses muss der Patient zunächst eine Patientenkarte bekommen. Dazu legt er an einem Schalter für neue Patienten die Versichertenkarte zusammen mit einem Arztbrief eines niedergelassenen Arztes vor. Während der Verarbeitung der Informationen müssen die Patienten und ihre Angehörigen etwas warten. Es sieht mehr aus wie auf einem Busbahnhof als im Krankenhaus, blaue Sitzreigen in mehreren Reihen hintereinander. Am selben Schalter bekommt man dann als registrierter Patient des Keiyu Hospital seine Plastik-Patientenkarte.
2. Schritt
Am Outpatient-Schalter, an anderer Stelle des Eingangsbereichs legt der Neupatient dann seine neue Patientenkarte vor. Dort wird er einzeln aufgerufen und bekommen einen Laufzettel, auf dem seine Aufruf- Nummer, die Patientendaten und der Termin zur Vorstellung bei dem Arzt – zB. 12:30 sowie die Nummer des Behandlungsraums aufgedruckt sind. Oberhalb des Schalters werden auf einem großen TV Bildschirm die Laufnummern jeweils in den 30 Minutentakten angezeigt. 11:00 – alle Nummern in Reihenfolge ihrer Anmeldung, die einen Termin um 11:00 haben, 11:30 alle Nummern in entsprechender Reihenfolge, die in diesem Zeitraum ihre Vorstellung haben usw. Hier geht niemand verloren. Jeder weiß, wann er dran ist. So kann sich der Patient dann, wenn um 12:00 seine Nummer mit angezeigt wird, schon vor das Arztzimmer begeben und dort warten, bis seine Nummer aufgerufen wird.
3. Schritt
Auch hier wieder vor jedem Arztzimmer ein Bildschirm, auf dem jeder sehen kann – jetzt sind noch zwei Patienten vor mir, jetzt nur noch einer, dann meine Nummer. Vor der Untersuchung durch den Arzt kommt hin und wieder die Krankenschwester zu den Wartenden hinaus, um vor der Untersuchung noch eine Röntgenaufnahme, Blutabnahme usw. anzuordnen. Diese Ergebnisse fließen zum Gespräch rechtzeitig elektronisch in die Krankendaten ein.
Alles läuft vollkommen stressfrei für die Patienten und ihre mit ihnen wartenden Angehörigen ab. Es gibt zwar kleine Wartezeiten, aber keine Ungewissheit, wann man an die Reihe kommt. Es braucht niemand das Gefühl zu haben, dass sich bei der Anmeldung jemand dazwischen drängt, oder der Arzt gar keine Sprechstunde hält, weil sich vor seinem Zimmer die Patienten in Ungewissheit üben müssen. Das Keiyu Hospital in Yokohama, einer Stadt mit 3.5 Mio. Einwohnern, ist nur eines der großen Krankenhäuser die im Zentrum dieser großen Stadt die Patientenversorgen. In den anderen Krankenhäusern, wie zB. dem noch weitaus größeren Red Cross Hospital am Hafen, ist der Ablauf gleichermaßen geregelt. Sehr übersichtlich.
4. Schritt
Nach dem Besuch des Arztes meldet sich der Patient wieder am Outpatentschalter. Werden Medikamente verschrieben, eine weitere Röntgenaufnahme vor dem nächsten Gespräch angewiesen, die Einweisung in eine Abteilung des Krankenhauses beschlossen, oder ein weiterer Vorstellungstermin vereinbart, alles wird über eine einfache gelbe Plastikhülle regelt, die der Arzt dem Patienten mitgibt. In dieser Plastikhülle befindet sich ein Laufzettel, auf dem die Details (nächster Termin, Medikamente etc.) aufgelistete wurden, die der Doktor bei seiner heutigen Behandlung in seinen PC eingegeben hat. Für den Fall, dass ein neuer Termin verabredet wurde, geht der Patient wieder zum Outpatient Reservierungsschalter und verabredet dort den neuen Termin, der sofort elektronisch erfasst wird.
5. Schritt
Danach geht der Patient zum Abrechnungscounter. Hier bekommt er bei Abgabe der gelben Plastikhülle eine neue Laufnummer, deren Aufruf auf großen TV Bildschirmen für jeden ersichtlich angezeigt wird. Vor diesem Hauptcounter warten unzählige Menschen, nicht mehr wie auf dem Busbahnhof, sondern jetzt mehr wie auf dem Flughafen am Abfluggate. So viele Patienten, meist mit ihren Angehörigen, sitzen dort. Es geht aber ziemlich flott. Im Hintergrund werden die Kosten für den Arztbesuch und die Beteiligung des Patienten an den Kosten berechnet. Außerdem geht die Info an die Krankenhaus Apotheke, die die verschriebenen Medikamente in entsprechenden Tüten zur Abholung zusammenstellt.
6. Schritt
Nach Aufruf der Laufnummer geht es dann an einen der vielen Kassenautomaten, wie im Parkhaus. Der Patient schiebt seine Patientenkarte ein und zahlt hier seine – in Japan übliche 30% Beteiligung an allen am heutigen Tage entstandenen Kosten. Er erhält vom Automaten eine Quittung seiner Einzahlung und den Behandlungsdetails mit gleichzeitiger neuer Laufnummer für die Abholung seiner verschriebenen Medikamente sowie der Info über seinen neuen Termin für eine weitere Vorstellung bei Arzt, beim Röntgen, MRT etc.
7. Schritt
Vor der Medikamentenausgabe knubbelt es sich. Die Sitzreihen vor dem „Abfluggate“ reichen nicht für alle wartenden Patienten aus. Aber auch hier wieder. Klare Anzeige, wann bin ich mit meiner Laufnummer dran, wann kann ich zur Medikamentenausgabe gehen. Das dauert ein wenig, hier gibt es einen zeitlichen Engpass. Aber die Zeit kann im Cafe vor der Wartehalle überbrückt werden, viele gehen zur Toilette oder sie kaufen etwas zu trinken am Automaten. Niemand kann den Aufruf seiner Nummer verpassen. Von Zeit zu Zeit finden im Cafe sogar kleine Konzerte statt, um die Patienten ein wenig zu zerstreuen. Wichtig ist lediglich die o.e. Reihenfolge einzuhalten, da die Medikamente nur ausgegeben werden, wenn auch die 30% Beteiligung an den Kosten in bar eingezahlt wurden. Ein wunderbares, übersichtliches System, in dem jeder zeitlich informiert ist und sich niemand benachteiligt fühlen muss. Vom Keiyu oder besser gesagt vom japanischen System kann man bestimmt etwas lernen, zB. wie der Informationsfluss für alle durchgängig, stressfrei und übersichtlich geregelt wird.
Bei einer erneuten Vorstellung beim nächsten Arzttermin meldet sich der Patient mit seiner Patientenkarte an einem Automaten an. Bei Monatswechsel, und um sicher zu gehen, dass die Krankenkassenkarte noch gültig ist, und der Patient für diesen Monat seine Beiträge gezahlt hat, steht neben dem Anmeldungsautomaten eine weitere kleine Maschine, die dies elektronisch überprüft. Es werden also nur solche Patienten behandelt, die auch entsprechend versichert sind, bzw. die ihre monatlichen Beiträge gezahlt haben. Alle anderen müssen einen entsprechenden Beleg mit sich führen, dass sie von den Zahlungen ausgenommen werden. Aber das ist eine andere Sache.
Von der Maschine bekommt der Patient einen Laufzettel mit Angabe der Fachabteilung und Namen des Arztes, seine reservierte Uhrzeit sowie der entsprechenden Aufrufnummer. Dann geht die Prozedur wieder wie vorab geschildert von vorne los…
Zunächst erschien uns dieses System mit den immer neuen Laufnummern umständlich zu sein, insbesondere wegen der Wartereihen vor den einzelnen Counter. Aber nachdem wir das Spiel mehrfach durchgespielt haben, können wir die japanische Organisation nur loben. Hoch lebe die elektronische Vernetzung und die klare Info für jeden Patienten, wann, wo und was zu tun ist.
Beim nächsten Mal wollen wir über den japanischen Service berichten, der weltweit einmalig ist. Das Keiyu Hospital ist nur ein kleines Glied in dieser für den Kunden oder im heutigen Fall für den Patienten super organsierten japanischen Servicekette. Ein vielleicht gutes Geschäftsmodell für Beratungsunternehmen in Deutschland.