Kumano Hayatama Taisha

Der Shrine in Shingu ist Ziel der Pilger, von Ise nach Koyasan und Yoshino, einer der drei heiligen Stätten des Kumana Sanzan, der drei Grand Shrines von Kumano. Das Beeindruckendste an diesem Shrine für uns waren zwei Ausländer. Ein Holländer und eine Studentin aus Gambia.
Die Beiden standen etwas abseits des Eingangs und hielten Papiere in der Hand. Wie das so bei Begegnungen unter Ausländern in Japan üblich ist grüßten wir uns. Wir kamen ins Gespräch. Beide Studenten hatten von der Stadt Shingu den Auftrag erhalten Fragebögen an Japaner und Ausländer zu verteilen und an Ort und Stelle ausfüllen zu lassen. Solche Fragen! Nichts passte auf uns, wir kamen nur kurz zu Besuch, waren gerade angekommen, wollten nicht in der Stadt wohnen, gaben dort auch noch kein Geld aus, was sollten wir da schreiben, wie viel Yen wir in Shingu ausgeben wollten… Brav füllten wir die Fragebögen aus, hatten dabei jede Menge Spass in der Unterhaltung auf Japanisch, Deutsch und Englisch. Zum Schuss ein freundliches, holländisches „tot ziens“, Auf Wiedersehen. Der Shrine selbst beeindruckte uns nicht so sehr, vielmehr machten wir uns selbst Druck, denn wir wollten in den Bergen, die sich weit hinter der Uferebene aufbauten, noch den zweiten Grand Shrine von Kumano sowie den Nachisan Seiganto-ji Tempel besuchen. Ausserdem wollten wir gegen fünf Uhr, also noch bei Helligkeit, zurück im Kumano Club sein, pünktlich zum pompösen Abendenssen, das wir für sechs Uhr bestellt hatten.

Der Kumano Nachi-Taisha

Die Fahrt nach Navi über sehr gut ausgebaute Bergstrassen endete in einem in den Bergen hoch gelegenen Ort. Überall Einweiser, die uns auf ihre teuren Parkplätze locken wollten. Doch das Navi gab an, dass wir noch lange nicht am Ziel seien. Mehrfach verfuhren wir uns, da wir nicht glauben wollten, dass der Nachi-san immer noch höher versteckt in den Bergen lag und nur über enge, alpin gewundene, kurvenreichste Sträßchen zu erreichen war. Der Parkplatz direkt unterhalb des Tempels war allerdings auch doppelt so teuer, wie unten im Dorf. Der Nachi-san ist der erste Tempel von dreiunddreissig heiligen Orten, die früher von den Pilgern, natürlich zu Fuß, besucht wurden. Er geht zurück auf das 4. Jahrhundert, als ein Mönch unter dem nahegelegenen, heute von japanischen Fremdenverkehrs- Prospekten weithin bekannten Wasserfall, seine asketischen Übungen machte.

Das eindrucksvolle, rote Haupteingangstor der Sanmon wurde 1590 durch Toyotomi Hideyoshi, dem Mann der Japan geeint hatte, rekonstruiert. Die gesamte Anlage wurde mehrfach von Feuern zerstört. Erst 1972, nachdem 300 Jahre vergangen waren, wurde die imposante dreistöckige Pagode zwischen den Gebäudeteilen des Tempels und dem grossen Wasserfall wieder aufgebaut. Sie bildet zusammen mit dem Wasserfall eine wundervolle Szenerie, ein wahres Muss für jeden Fotofreund.

Leider waren wir kurz vor vier Uhr gerade zu der Zeit angekommen, als die Türen an den einzelnen Gebäuden geschlossen wurden. Deshalb vielleicht auch der schnell verfügbare Parkplatz vor den Templetreppen. Auch wenn dies ein bedeutender heiliger Platz in Japan ist,  uns beeindruckte mehr die Anfahrt, die jegliche Fahrkunst und Mut des Fahrers erfordert sowie die bewaldete Landschaft, als die einzelnen Gebäude der Tempelanlage auf dem hochgelegenen Ort. Richtig ergriffen waren wir diesmal wieder einmal nicht. Wir konnten ja auch nicht immer die Gefühlswelt vom Naiku in Ise oder vom Hana-no-Iwaya Shrine in Kumano in uns wach rufen.

Noch rechtzeitig kamen wir bei einsetzender Dunkelheit zum Dinner

Anfahrt nach Koyasan

Am nächsten Tag auf dem langen Weg nach Koyasan hatten wir uns zwei Zwischenziele vorgenommen.

Maruyama Senmaida, das Dörfchen am Tori-toge Pass mit den über 1000 terrassenförmig angelegten Reisfeldern und den Hongu-taisha Shrine

Maruyama Senmaida

Es wurde uns berichtet, dass wir auf unserem Weg nach Koyasan die schönsten Reisfelder Japans sehen könnten, und ein Besuch dringend empfohlen sei. Senmaida heißt 1000 Reisfelder. Wieder ging es in die Berge. Wir fuhren nach Navi, bis wir plötzlich auf den Club-Bus, der uns noch am Morgen noch zum Parkplatz gefahren hatte, auffuhren. Er wollte die Leute aufsammeln, die die weitere Pilgertour an diesem Tag gebucht hatten. Zunächst blieben wir hinter ihm, bis er von der Strasse abbog, genau dort, wohin uns das Navi führte. Ein Parkplatz. Dahinter eine enge Brücke, die in einen steil aufsteigenden Wald führte. Das konnte niemals die Strasse nach Maruyama Senmaida sein. Also fragten wir den Fahrer des Busses, „Ja, das ist der richtige Weg. Ist sehr steil, sehr eng, seien Sie vorsichtig, denn es könnten Autos entgegen kommen“. Na ja, die richtige Einstimmung. Über die enge Brücke, dann ging es wirklich sofort steil bergauf. Als uns in einer Biegung noch drei Leute entgegenkamen mit Bambusstöcken als Stützen bewaffnet, erkannten wir einen Hotelgast und den Führer wieder. Das also war der von uns abgesagte Tori-Toge Pass, der Bus unten wartete auf sie, um sie wieder zum Kumano Club zu fahren. Wir waren froh im Auto zu sitzen und nicht diesen besonders steilen, beschwerlichen Weg mit „gewandert“ zu sein. Dennoch, auch im Auto konnte es ungemütlich werden, wenn die Strasse so eng wurde, dass wir schon aufpassen mussten nicht mit einem der Räder in den offenen Abwasserkanal auf der Seite des Berghangs zu rutschen. Wie konnte es sein, dass das bekannte Bergdorf nur über so eine enge Strasse zu erreichen war. Als uns dann noch ein Kleinlaster entgegenkam, mussten wir an einer gerade dort plazierten Ausweichstelle kurz zurücksetzen und sehr präzise fahren, Millimeterarbeit. Dankbare Verbeugungen von beiden Seiten, und dann sahen wir Maruyama Senmaida zum ersten Mal. An einem weiten, teilweise steilen Berghang zogen sich hunderte von grünen Reisterrassenfeldern den Berghang hinauf. Geschwungen, ineinandergreifend. Wunderbar. Im Dorf mit nur ein paar Häusern angekommen stellten wir das Auto ab und liessen uns von diesem Anblick aus einer dafür vorgesehenen offenen Hütte berauschen. Wir hätten solche Felder in Indonesien erwartet, aber nicht in Japan.

Diese Gegend war früher sehr arm gewesen. Die Bauern legten über die vergangenen Jahrhunderte über 2.400 solcher Terrassen an, um Reis anzupflanzen, die Felder zu bewässern, zu pflegen und zu ernten. Mühseligst. Im Laufe der Zeit wurden die Terrassen immer weniger, einige verkamen total, die jungen Leute wanderten fort, die Alten konnten die mühevolle Arbeit nicht mehr machen. Das ist vielleicht vergleichbar mit den Teeplanatgen um Wazuka, bei KyotoUji, wo die Alten mehr in die Teefelder an den niedrig gelegenen Straßen gehen, während die noch verbliebenen, wenigen jungen Leute die Felder weiter oben an den Berghängen bewirtschaften dürfen. Heute bietet sich uns ein so schönes Natur- und Menschen- gemachtes Bild von immer noch weit über 1.000 solcher Reis-Terrassenfeldern. Manche „Felder“ sind dabei so klein, dass gerade mal 3 Reispflanzen angesetzt werden können. Soweit das Auge ins ferne Tal reicht, die terrassenförmig angelegten Reisefelder von Maruyama. Der Blick ist nicht nur schmeichelnd für unsere Augen, es sind auch die Gedanken an die Mühen und die harte Arbeit, die dahinter steckt, die uns diesen bewundernden Moment bescheren.

Es ist Herbst, die Zeit nach der Ernte, die Terrassen sind ausgetrocknet, aber trotzdem immer noch sehr beeindruckend. Wir beschliessen einmal in der Zeit von Mai bis Juni wieder hierher zu kommen, wenn die Terrassen mit Wasser gefüllt sind, und die ersten grünen Reishalme die Landschaft in ein helles, grünes Licht tauchen.

Auch von diesem Anblick müssen wir uns losreissen.
Das nächste Ziel ist der letzte, der dritte der Kumano Grand Shrines, der Hongu-Taisha Shrine.

Kumano Hongu-taisha Shrine

Die Fahrt führt uns eine ganze Weile am Kumano Fluss entlang. Eine typische japanische Berglandschaft. Immer wieder hohe, dichte Zedernwälder, fotoreife, rote Brücken über den Fluss, viele Tunnel mit Längen von bis zu 3 km. Dann erreichen wir schon in der Nara Präfektur den Hongu-taisha. Ehemals lag er inmitten eines Fluss Dreiecks, wurde aber vor vielen Jahren dort von Taifunen weggespült und danach an erhöhter Stelle wieder aufgebaut. Noch heute konnten wir vor dem hohen Treppenanstieg zum Shrine sehen, wie hoch der Taifun noch im vergangenen Jahr die Wassermassen getrieben hatte. Die Gebäude dort sind jetzt teilweise in Beton wieder aufgebaut worden um dem nächsten Taifun mit seinen Stürmen und Wassermassen wiederstehen zu können. Wir dachten sicher, weit im Landesinneren in einer Bergwelt mit schützenden Zedernwäldern zu sein, unvorstellbar, dass hier Taifune solche Verwüstungen anrichten können.

Die Steinstufen zu diesem und den vorherigen Shrinen entwickelten sich an diesem Tag zu einer wahren „Trimm Dich“ Aktion. Stufe um Stufe, keuchend, auf die von den vielen Treppenstufen in den vergangenen Tagen bereits geschundenen Knie achtend, hinauf zum heiligen Hongu-taisha.

Ein rechteckiger Vorplatz mit einem Shrine, diesmal ohne roten Anstrich. Der Zugang zum verbotenen Inneren jeweils mit einem Tor verschlossen. Vor den Toren eine Möglichkeit die Sonnengättin Amaterasu, die Urahnin des japanischen Kaiserhauses, Susanoo-no-Mikoto, den Gott des Zornes, ihren jüngeren Bruder und ihre Eltern Izanami und Isanagi, die mythologischen Gründer Japans anzubeten. Genau in der Reihenfolge. Geld in die grosse Truhe werfen, sich verbeugen, zweimal in dier Hände klatschen (Gott muss Dich auch bermerken), seinen Dank für etwas sehr Persönliches aussprechen, sich verbeugen und weiter zu Susanoo, dem nächsten Gott. Wieder Geld einwerfen, wieder Geld einwerfen…

Auf diese Art und Weise lernt jeder Ausländer sich richtig in Japan zu verbeugen, eine Verbeugung ist etwas, das wir zwar zu Hause noch gelernt haben, das aber in unserer schnellen Welt keinen Wert an sich mehr darzustellen scheint. Der Besuch von Tempeln und Shrinen in Japan ist ein gutes Training, zwingt dazu der Verbeugung wieder einen Wert beizumessen.

Am Fluss, hinter einem hohen Deich hatten wir eine riesiges, graues Torii gesehen, normalerweise das Zeichen für den Eingang zu einem Shinto Shrine. Wir wanderten bei schönstem Sonnenlicht neben Reisfeldern zu diesem Torii. Auf halbem Weg schlängelte sich eine etwa 1 m lange Schlange am Wegrand, sie kam aus den Reisfeldern und wollte uns sicherlich jetzt begrüssen. Unser Anblick gefiel ihr dann doch nicht, sie glitt in den offenen Kanal zwischen Weg und Reisfeld zurück und ward nicht mehr gesehen.

Das Torii ist bestimmt 30 Meter hoch, es ist aus Beton, das Symbol für den Eingang zum früheren Hongu-taisha, der in einiger Entfernung gestanden hatte, von Wassermassen weggerissen wurde und jetzt umgeben von hohen Zedernbäumen nur noch mit seinen Grundmauern zu besichtigen ist.

Wir beschliessen weiter zu fahren. Das Ziel ist jetzt Koyasan, wo wir endlich als „Pilger“ die Nacht im Fugen-in Tempel verbrigen wollen.