Shudan Kodo  – Gruppen Aktion – Präzisions Marschieren (Exzerzieren) – eine weitere irre Sportart in Japan – Am 12.1.2014 im japanischen TV gesehen. Nordkoreanische Massenchoreografien werden hier noch in den Schatten gestellt

Vor 11.000 Zuschauern haben im vergangenen Jahr in der Yokohama Arena 84 Sportstudenten (Männer und Frauen) der Nippon Tai-iku Daigaku (NipponSport & Science Universität) eine der dynamischsten Sportarten Japans vorgeführt.

Aus 140 Bewerbern haben sie ein 171 Tage langes Training durchgehalten, bei dem sie 1.3 Millionen Schritte bei 1.200 km Laufleistung zurückgelegt haben. Die 171 Tage anhaltenden Übungen wurden im Detail  gezeigt. Ohne den allzu strengen Chef der Gruppe,  den 72 jährigen legendären Coach der japanischen Wasserballmannschaft, Kiyohara, hätten diese Studenten niemals die 11 Minuten Vorstellung in der Yokohama Arena durchgehalten bzw. fehlerfrei darstellen können.

Bedingung für die Teilnahme: Priorität der Bewerber muss für die kommenden 171 Tage bis zur Vorstellung auf den Shudan Kodo Übungen liegen.

Es geht wie so häufig bei japanischen Sportarten um Konzentration, Teamzusammenhalt und Durchhaltevermögen – selbst bis zur völligen Erschöpfung und um Präzision als Team!

Die Geschwindigkeit liegt bei 2.9 Schritten pro Sekunde, sowohl  vorwärts als auch rückwärts und seitwärts. Die Schrittlänge ist 95 cm, was für die kleineren Teilnehmerinnen durchaus problematisch wurde.

So mussten die Teilnehmer an einem Nachmittage 15 Minuten lang und das 10 mal hintereinander im Gleichklang in der Übungshalle marschieren. Sobald einer der Teilnehmer schlapp machte, fielen auch andere aus. Sie konnten vor Erschöpfung nicht einmal mehr sprechen. Diese Studenten schickte Herr Kiyohara sofort nach Hause, sie durften nicht weiter an den Übungen teilnehmen. Wenn nur ein Teilnehmer die Übung etwas lockerer angeht, dann machen alle so locker weiter – so kommen sie aber nicht zum Ziel. Also müssen alle weitermachen ob sie nun Blasen an den Füßen haben, Krämpfe bekommen oder blutige Zehen und Fersen bekommen, darauf kann bei den Übungen keine Rücksicht genommen werden. Weitermachen.

Es geht um den Kampf gegen sich selbst, Alleine und als Gruppe insgesamt. Ganz hart kam es an manchen Tagen, wenn die Gruppe ohne Pause 30 / 40 Minuten am Stück hin und zurück marschieren musste, ohne dass sie wussten wann die Übung aufhört. Das ist besonders schwierig, weil keiner das Ende absehen konnte und es nur um Ausführung der Befehle ging.

Nach so einem Übungstag  kamen dann alle – nach Versorgung ihrer Wunden zusammen, um  gemeinsam als Team zu singen. Endlich machte auch der Chef mal einen fröhlichen Eindruck, nachdem er bisher die Studenten nur geschunden hatte.

Er erklärt, dass es keine eigene Geschwindigkeit eines einzelnen Teilnehmers geben darf, sonder sich alle an die anderen sich anpassen müssen. Nach 67 Tagen fallen immer mehr Teilnehmer von den gestarteten 140 aus – Übungen finden bei 34,2°C
in der Halle statt.

Die Härte des Chefs zeigt sich, als sie alle gemeinsam mit dem Bus in eine Stadt fuhren, um dort über das Wochenende weiter zu üben. Mädchen mit Sandalen schickte er gleich wieder zurück und erklärte:
Wenn ihr mit Euren Sandalen stolpert und euch verletzt, dann müssen eure Kollegen darunter leiden. Solche Rücksicht müsst ihr in eure Professionalität mit einbeziehen. Ihr seid hier doch nicht zum Urlaub angetreten. Es geht um Professionalität auf der gesamten Linie – auch in Bezug auf das gewählte Schuhwerk“.

Einen Tag später wird geübt Rückwarts zu marschieren und dabei einzelne Linien der anderen Teilnehmer ohne sie zu berühren zu kreuzen. Da niemand nach hinten schauen und so der anderen Linie ausweichen könnte, kommt Angst auf. Die Geschwindigkeit muss von allen aber beibehalten werden. Dabei kommt es darauf an den Anweisungen des Dirigenten an der Seite, übrigens auch ein Student, 100%zig, ohne Angst vor Berührung anderer Teilnehmer,  zu folgen. Bei der Übung kommt es immer wieder zum Anschlagen der Arme untereinander. Das gibt geschwollene Hände und durch das Fallen übereinander riesige blaue Flecken.

Hier schreitet der strenge Chef immer wieder ein:
Wenn Du Du bist mag das für Dich OK sein, aber nicht für den Auftritt in der Gruppe. Hier hört jeder auf die Anweisungen des Dirigenten. Nur das wird befolgt.“
So geht das 3 Stunden lang, ohne Pause. Verzweiflung bei den Teilnehmern, es klappt nicht, immer wieder stolpern ganze Reihen übereinander. Danach Blasen an den Füßen. Der Dirigent ist schon ohne Stimme. Auch er ist verzweifelt, er denkt, dass das schlechte Abschneiden bei den Übungen an seinen Anweisungen liegt. Der Chef meint dazu:
meine Gefühle und mein Mitleid muss ich zurückstellen. Nur wer das überstehen kann, der kann in der Gruppe bestehen.“

Dann wird geübt mit 160 Schritten in einer Minute zu marschieren, was im nächsten Anlauf dann auf 178 Schritte in der Minute erhöht wird. Dazu müssen vier Blöcke aus vier Ecken jeweils 8-mal miteinander kreuzen. Und das sowohl vorwärts als auch rückwärts.

Es klappt nicht. Der Leader in der Gruppe, eine erfahrene Studentin weint,:
das Herz des Teams kommt nicht zusammen (keine gemeinsame Konzentration)“ Und der Chef dazu, knallhart:
wir machen hier nichts mit Emotion. Es geht um gegenseitiges Vertrauen, erst dann schaffen wir das.“
Als alles immer schlechter wird tauschen sich Dirigent und Leader an der Seitenlinie weinend aus. Ergreifende Situationen die unter dem enormem Druck beide an den Rand der Verzweiflung bringt.

Dann. 9 Tage vor dem Auftritt wird erstmalig mit Zuschauern geprobt, die die Gruppe motivieren soll. Zunächst kommen Schüler von der nahen Volksschule, am zweiten Tag kommen Schüler aus der Mittelschule dazu und dann durch Mundpropaganda am dritten Tag kommt fast das ganze Dorf um über die disziplinierte Übungen zu staunen.

Und siehe da. Es wir besser und besser. Die Teilnehmer bezeichnen den Chef Kiyohara als „Kiyohara Magic“. Das Vertrauen kehrt zurück. Das Geheimnis: Durch die Zuschauer können sich die Einzelnen in der Gruppe stärker konzentrieren.

Am Tag vor dem Auftritt von 11.000 Menschen hält Herr Kiyohara dann eine Rede an die Gruppe:
Jeder einzelne von Euch soll ein Held sein. Ihr könnt es machen. Nur ihr könnt die Zuschauer begeistern. Was ihr bis jetzt gelernt habt, einfach machen, ohne Angst, ja, aber machen. Zeigt Herz. Wie immer.“

Bis dahin sind alle in den vergangenen 171 Tagen bereits 1.317.000 Schritte (mal 95cm macht gerade 1.251 km) marschiert !

Dann der Auftritt. Der Dirigent mit einem Puls von 200. Der Leader hat Angst. Beide schütteln die Hände des Chefs und stoßen vor Anspannung noch einmal ihren Atem aus.

Der Auftritt läuft dynamisch wie geprobt. Zum Schluss werden noch die olympischen Ringe im Laufschritt dargestellt. Selbst der absolute Höhepunkt, das Kreuzen der 4 Blöcke durcheinander klappt fehlerfrei.

Nach dem Ausmarschieren ist die Freude riesig. Alle fallen sich in die Arme, die meisten Teilnehmer weinen vor Glück. Alle vorausgegangenen harten Übungen fallen von Ihnen ab und der Chef Kiyohara hält eine kurze Ansprache in der er ihnen dankt, dass sie ernsthaft Auge und Schritt gehalten haben, und dass sie es nur geschafft haben durch „issho kemmei“, alle mit gemeinsamer Anstrengung.

Wieder ein Beispiel aus Japan, dass Disziplin und Durchhaltevermögen, Hintenanstellen des eigenen Ego sowie aufopfernder Zusammenhalt für ein gemeinsames Ziel glücklich machen kann.

Wer diesen 11 Minuten Auftritt nach dem 171 Tage härtesten Training auf You Tube sehen möchte: hier ist der Link:
http://youtu.be/ctVwZ9Uh0ig
Mehr auch auf:http://youtu.be/Afpc_EcohcY  Auftritte im Jahr 2009.

Viel Spaß beim Anschauen. Wir hoffen es begeistert so wie es uns begeistert hat.