The last Samurai in Kyoto – Joe Okada
Der letzte Samurai in Kyoto spricht fließend Englisch, hat eine Website
http://samurai-okada.com , auch eine Email Adresse, ist auf Trip Advisor zu finden und hat natürlich auch ein Mobile Phone, das er für seinen Beruf auch dringend benötigt.
Joe Okada ist seit 1962 also seit über 53 Jahren lizensierter Tour Guide.
Er muss ein dementsprechendes Alter haben, das hat er – Joe ist 86 Jahre alt.
Er macht seit 2012 noch jeden Samstag die „Cool Kyoto Walking Tour“ durch einen Stadtteil von Kyoto. Seine Geschichte ist lang. Mit seiner Samurai Nippon Show ist Joe nicht nur in Japan, sondern auch weltweit aufgetreten. In einer Information über ihn schreibt er selbst, dass er 2.300 Samurai Shows, 300 Empfänge und 120 TV Auftritte durchgeführt hat.
Wow und immer noch ist Joe auf den Straßen Kyotos zu sehen.
Er fällt sofort auf. Dunkler Kimono, weißer langer Bart und das heute spärlicher gewordene Haar zu einem Zopf nach oben gebunden. An den Füßen den japanischen Zoli, Kimonosandalen, auf denen wir nur wenige Meter laufen könnten.
Wir trafen ihn an einem Samstag im November in Kyoto. Er hatte eine Gruppe von 10 Leuten zusammengestellt, Treffpunkt war vor dem Kyoto Rathaus, gegenüber dem Kyoto Hotel Okura. Auf dem weiten Platz fand ein Flohmarkt statt und wir beobachteten Joe, wie er gerade einen Kimono und ein Samurai Schwert an einem Stand verhandelte.
Er trug eine Umhängestofftasche, in der er, wie sich später herausstellte, Unterlagen verbarg, die er uns später auf der Tour zeigen wird. Dazu trug er jetzt noch eine Papiertasche mit dem neu erstandenen Kimono. Das gekaufte Schwert hatte er, wie es sich für einen Samurai geziemt, an der linken Seite unter den Obi, den Gürtel, der seinen Kimono zusammenhielt, gesteckt. Er sah tatsächlich wie ein Samurai aus der Vergangenheit aus.
Als erstes berichtete er uns von den Preisen für den neuen Kimono und das Schwert. Sehr, sehr günstig, fast geschenkt.
Geschickt stellte er die Mitgeführten der Gruppe vor, indem er fast beiläufig erwähnte woher die einzelnen kamen. Aus Israel, aus Köln, aus Canada und aus London, jetzt San Francisco. Damit hatten wir einen Anhaltspunkt gefunden mit den einzelnen später auf der fünfstündigen Tour ins Gespräch zu kommen.
Eigentlich verließen wir die Teramachi Strasse nicht, die sich bis zum Kaiserpalast hinzieht. Joe führte uns in uns bekannte, aber noch nie betretene Geschäfte. Da war der Holzkunstladen, der einzigartige Kunstwerke ausstellte, aus einem Stück gefertigte Schlangenskelette von etwa einem Meter Länge, Gefäße aus schwarzer Holzkohle, die jeden Kunstpreis erhalten würden. Er führte uns in einen Teeladen, wo uns die verschiedenen japanischen Grünteesorten erklärt wurden. Hier deponierte Joe endlich sein neu erworbenes Schwert und den Kimono. Dennoch hatte er an seiner Tasche immer noch schwer zu tragen, was ihm allerdings nichts ausmachte.
In einem Holzladen schenkte ihm der Inhaber zwei Eichenstücke wie sie beim Sumo und Kabuki Theater in den Pausen benutzt werden. Holz, das sich beim Zusammenschlagen anhört wie Eisen. Und in allen Läden wurden wir über Details aufgeklärt, die wir so niemals erfahren hätten. Einige Geschäftsinhaber waren von unseren Besuch überrascht, da sie meistens hinter den Auslagen wohnten, musste erst mal Ordnung für die vielen Ausländer geschaffen werden. Und Joe schaffte es immer wieder, dass wir sehr freundlich empfangen wurden. Hier ging es nicht, wie zunächst von einigen „Mitgehern“ vermutet, um eine Provisionsveranstaltung, sondern um den tiefen Einblick in das japanische Leben in und hinter den Läden, die wir niemals so erwartet hätten.
Zwischendurch kaufte uns Joe „Oinarisan“, das sind in kleinen braunen Teigtäschchen verpackte Reisbällchen, die wir an Ort und Stelle auf der Straße verzehrten. In einer Galerie standen uns zwei junge Künstlerinnen Rede und Antwort, warum sie gerade abgerissene Arme, Beine und Köpfe aufs Bild bringen mussten. Hier war selbst Joe überfordert , schwierig zu verstehen und erst recht nicht zu Hause aufzuhängen. Eben moderne Kunst.
In einem Papiergeschäft zeigte er uns die feinsten japanischen Papiere, mit denen Künstler Bilder, wie mit einem Pinsel gemalt, kreieren. Unermüdlich erklärte er der interessierten Gruppe, warum solche Papiere so teuer seien und wofür sie verwendet werden. Er ließ japanische Schriftzeichen nachzeichnen und vergab mit großem Lob Bewertungen von A- bis B+. Denjenigen, die ihre Schriftzeichen mitnahmen, malte er noch schnell sein Autogramm dazu, so dass es zum Kunstwerk wurde.
Ein Höhepunkt der Walking Tour war der Besuch eines jahrhundertealten Shinto Shreins. Hier holte Joe seine Utensilien für eine Samurai Show hinter einem rot weiß längsgestreiften Vorhang hervor. Zwei scharfe Schwerter, ein Gestell in das er einige Reihen von Essstäbchen gesteckt hatte, Äpfel sowie einen großen, weißen Rettich, den er schon vorher auf dem Weg gekauft hatte. Dann ein roter Teppich, der für einige aus unserer Gruppe noch zur Liegestatt werden sollte.
Joe führte uns vor, wie die Schwerter geführt werden, da schlug er je ein Essstäbchen mit starkem Hieb durch, ohne, dass er das darauf folgende Stäbchen berührte. Als er dann zum Schluss noch mit verbundenen Augen die vorletzte Reihe durchschlug, aber dabei auch die darauf folgenden Stäbchen zerbracht, sagte er nur: „ No one is perfect“.
Der Rettich und die Äpfel wurden auf dem Bauch eines mitgehenden Inders aus San Francisco zertrennt, ohne dass er den Bauch des Mannes verletzte. Der sechsundachtzigjährige Joe sagt dabei, dass er in seiner gesamten Zeit lediglich einmal eine Dame verletzt hätte, sehr beruhigend. Die zerteilten Äpfel wurden dann im klaren Shinto Wasser aus dem Wasserkrahn gewaschen und an Ort und Stelle verzehrt. Kurzes Aufräumen, bei dem jeder mit anfasste. Dann ging es schon weiter.
Ein Ziel auf dem langen Weg war das Teehaus Shusui-en in einem zugänglichen Teil des Kaiserpalast Gartens.
Sogar zur Fütterung der großen schwarzen Karpfen verteilte Joe Toastbrot Scheiben. Jeder hatte so seinen Spaß, wenn die Karpfen mit ihren weit geöffneten, runden Mäulern nach diesen Brotstückchen schnappten.
Im Teehaus zahlte Joe den Eintrittspreis und wies uns an doch einen Blick in das Teezeremonien Zimmer zu werfen, in dem schon berühmte Persönlichkeiten der Vergangenheit ihre Teestunden verbracht hätten.
Der Ausblick vom Tatamizimmer auf der ersten Etage über einen kleinen See war wirklich wunderbar und jeder hat es genossen. Dann eine kleine Rast bevor wir den langen Kiesweg bis zum verschlossenen Eingang zum Kaiserpalast antraten. Bis auf das Ehepaar aus Israel konnte jetzt jeder seinen Gedanken für einen Moment nachhängen und die viereinhalb Stunden Wanderung an sich vorüber ziehen lassen. Irgendwo zwischen Karpfenfütterung und Teehaus hatte das Ehepaar seine Tasche vergessen. Nach ein paar Minuten war auch das geklärt, die Tasche stand im Teehaus, wer in Japan hätte auch eine fremde Tasche mitnehmen wollen.
Hier saß jetzt Joe und telefonierte mit seinem Mobile Phone. Er musste für das indische Ehepaar aus London/San Francisco vegetarisches Sushi vorbestellen. Ein herrliches Bild. Der alte Samurai mit dem modernen Kommunikationsgerät am Ohr. Ein Bild von „Back from the Future“.
Das Tor zum Kaiserpalast war verschlossen, hier darf auch heute noch nur der Kaiser oder seine engste Familie eintreten. Also gingen wir weiter zu einer typischen, Nachbarschafts-Arkade mit jeder Menge kleiner Shops.
Joe verteilte an jeden jetzt 200 Yen, damit wir uns am Automaten ein Getränk kaufen könnten. Ein paar Stände weiter saßen wir dann auf einer kleinen Bank und aßen das dort vorbereitete Sushi. Joe verteilte dazu leere Kartons, in die wir die Verpackung und die gebrauchten Stäbchen werfen konnten. Ein herrliches Bild. Für die dort einkaufenden Japaner scheinbar schon ein gewohntes Bild, niemand nahm von uns Notiz.
Hier endete die Tour. Jeder ging seiner Wege, die einen wollten noch etwas in den Läden kaufen, die wir vorab besucht hatten, andere wollten zu ihren Hotels zurück. Es verlief sich die kleine Gruppe. Wir nahmen Joe noch im Taxi mit. Er stieg irgendwo aus, um von dort die Bahn zu seinem Haus am japanischen Meer zu nehmen.
Wir sprechen über Joe Okada voller Respekt vor seiner Leistung und seinem nicht zu brechenden Willen auch im Alter von 86 als Samurai Joe mit internationalen Touristen stundenlang durch Kyoto zu gehen und ihnen selbst kleinste Details der japanischen Kultur näher zu bringen. Was uns bei seinem Lebenslauf gar nicht überrascht, er endet nicht im Jahr 2015 mit der Beendigung seiner Samurai Show, sondern mit den olympischen Spielen in Tokyo im Jahr 2020. Dann wird Joe 91 Jahre alt sein.
Never Give Up.